(uh) Die rot-grüne NRW-Minderheitsregierung hat das Sparen nicht erfunden. Das hat sich in der Republik längst herumgesprochen, und nun auch in der NRW-Provinz. Die Städte bekommen den Sparunwillen der Landesregierung inzwischen deutlich zu spüren. Das Land sieht sich zwar gezwungen, den vielen ruinierten Kommunen zu helfen. Doch die Regierung macht es sich dabei bequem – zu Lasten der schwachen und der starken Städte.


Die Sparmoral untergraben

Das Rettungskonzept von Innenminister Jäger (SPD) sieht vor: Die hoffnungslos überschuldeten Städte sollen innerhalb weniger Jahre sparen bis aufs Blut. Als Gegenleistung sollen sie 350 Millionen Euro pro Jahr von jenen 69 Städten erhalten, denen es noch halbwegs gut geht. Das Geld will Jäger den soliden Städten gegen deren Willen wegnehmen. Das Land selbst will nur dürftige 350 Millionen Euro beisteuern. Es gehe damit an die Grenzen seiner Möglichkeiten, behauptet Jäger.

In den starken und schwachen Städten schüttelt man über diese Begründung nur noch den Kopf. Dort fasst man es nicht, dass sich die Koalition überfordert sieht, aus dem Landesetat von 55 Milliarden Euro 350 Millionen Euro herauszukürzen, und stattdessen lieber die starken und die schwachen Städte gegeneinander ausspielt. Dabei haben viele schwache und solide Kommunen längst zahlreiche Sparrunden hinter sich. Sie sahen sich dazu gezwungen, weil Ihnen der Bund und das Land immer neue Verpflichtungen aufzwangen, die erforderlichen Mittel aber vorenthielten. Die Mittel, die das Land nun für die schwachen Städte mobilisieren will, gelten dort als völlig unzureichend.

Das Entsetzen in den Städten, die sich seit langem krumm legen, nahm seinen Lauf, als sich die Minderheitsregierung bei ihrem Amtsantritt neue Kredite in der Rekordhöhe von neun Milliarden Euro genehmigen wollte, um ihre Projekte zu finanzieren. Ein fatales Signal, das die Sparmoral in den Städten untergrub.

Schulden mit Schulden bekämpfen

Ministerpräsidentin Kraft (SPD) half kräftig mit. Was sie vom Sparen hält, erklärte sie im Februar in einem Spiegel-Interview: „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir grundsätzlich umdenken müssen. Alle Konzepte, mit Einsparungen um jeden Preis aus der Verschuldung herauszukommen, sind gescheitert, egal, welche frühere Regierung es versucht hat.“ Sie proklamierte einen neuen Kurs. Statt das Land kaputt zu sparen, wollte sie die Schulden des Landes mit neuen Schulden bekämpfen.

Dabei ist die Methode gar nicht neu. Griechenland praktiziert sie seit Jahren. Und auch in vielen NRW-Städten ist sie seit langem Usus. Nicht als zukunftsweisendes Konzept, wie Kraft die Methode anpries, sondern aus blanker Not. Die Städte nehmen teure Überziehungskredite auf, um ihre Schuldzinsen abzuzahlen. Dabei geraten sie immer tiefer in den Schuldensumpf. Inzwischen sind 34 Städte pleite. 138 Städte sind nicht nur überschuldet. Sie haben auch keine Idee, wie sie sich aus dieser Not befreien können. Sie haben einen Nothaushalt: Sie mussten ihre finanzielle Selbstständigkeit an die Bezirksregierung abtreten, die ihnen nun vorschreibt, was sie dürfen und was sie lassen müssen.

Kraft spricht vom Sparen

Im Frühjahr stoppte das Verfassungsgericht Krafts Schuldenpolitik. Als dann die Schuldenkrise in Europa zu einem immer größeren Problem wurde, schien Kraft umzuschwenken. Nun sprach auch sie vom Sparen. Sie setzte sogar eine Sparkommission ein. Beim Thema sparen verwendet sie immer drei Zusätze. Man dürfe nicht mit dem Rasenmäher kürzen. Das Land dürfe nicht kaputt gespart werden. Man dürfe das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Damit nährt sie den Eindruck, Land und Städte gerieten eher durch Sparaktionen in Not als durch immer höhere Schulden.

Der FAZ sagte sie kürzlich das Gegenteil vom dem, was sie vor acht Monaten dem Spiegel sagte: „Der Schuldenabbau ist Teil unserer Politik. Wir haben uns natürlich vorgenommen, die Schulden auf null zu bringen. Man darf aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten.“ Die FAZ-Journalisten waren ganz verdattert: „Das hätten wir aus ihrem Mund nicht erwartet!“ entfuhr es ihnen.

Die Zeitung muss sich nicht neu orientieren, denn Krafts Kurswechsel hält sich in Grenzen. Für 2012 will sie nur 750 Millionen Euro sparen, bei der guten Konjunktur und den starken Steuereinnahmen eher ein Kleckerbetrag. Während sie die schwachen Kommunen zum Sparen zwingen und die starken Städte in Mithaftung nehmen will, ist sie selbst nicht bereit, durchgreifend zu sparen und ausreichend Mittel vom Land auf die Städte umzuverteilen.

Verdi und die Linke zürnen

Der Grund für die Zurückhaltung: Die Minderheitsregierung scheut Einschnitte im Landeshaushalt, weil sie den Protest der Gewerkschaften fürchtet. Welche Energie sie freisetzen können, bekam Rüttgers mit seiner schwarz-gelbe Koalition ab 2005 zu spüren. Er hatte auf Druck der FDP die wirtschaftliche Betätigung der Städte stark beschnitten, die Mitbestimmung der Personalvertretungen eingeschränkt und die Städte mit ihren Schuldenproblemen sich selbst überlassen. Immer wieder gab es vor dem Landtag riesige Demonstrationen, die vor allem Verdi organisierte. So etwas will sich Kraft ersparen.

Starken Teilen dieser Gewerkschaft missfällt inzwischen, dass die rot-grüne Minderheitsregierung seit den Sommerferien immer häufiger von Sparen spricht. Und dass sie nun anfängt, mit CDU und FDP Vereinbarungen zu treffen, etwa zur Schulpolitik oder zum Rettungskonzept für die Städte. Längst argwöhnt Verdi, die Landesregierung könnte in der Landesverwaltung Stellen streichen und mit dem Sparzwang, den sie auf die Städte ausübt, auch dort Stellen vernichten. Wie groß der Unmut bei Verdi ist, kann man an der Linken ablesen. Die Partei ist mit Verdi eng verbunden. Im Sommer kündigte die Linke brüsk ihre Unterstützung der Minderheitsregierung auf und steuert nun einen scharfen Konfrontationskurs. Sollte die Regierung zu viel kürzen, muss sie damit rechnen, dass Verdi und die Linke mobil machen.

Um der Landesregierung weitere Kürzungen zu ersparen, die den Konflikt mit Verdi anheizen würden, schiebt Jäger die starken Städte gegen die schwachen. Dabei schreckt er nicht davor zurück, den positiv besetzten Begriff Solidarität zu missbrauchen, um seine Zwangsmaßnahmen gegen die stärkeren Städte zu verklären. Er greift Städten in die Tasche, die in den vergangenen Jahren ihr Vermögen und die Mitarbeit ihrer Bürger einsetzten, um ihre Schulden zu senken. Nun will die Landesregierung diese Anstrengungen ausnutzen, um sich eigene Sparanstrengungen und den Ärger damit zu ersparen. In den betroffenen Städten hält man das nicht für solidarisch, sondern für unverfroren.

SPD-Fraktionchef will Millionen verschenken

Es gibt dort auch Ausreißer. Düsseldorfs SPD-Fraktionschef Raub behauptet, die fast schuldenfrei Landeshauptstadt werde bei der engen Verflechtung mit Duisburg sogar Vorteile davon haben, dass Düsseldorfer Geld ins tief verschuldete Duisburg fließt. Welche Vorteile das sein könnten, sagt er nicht. Dass ein Düsseldorfer SPD-Politiker einer anderen Stadt Millionen schenken will, erklärt, warum die SPD im Düsseldorfer Rat seit Jahren auf der Oppositionsbank sitzt.

Auf den Plakaten, mit denen Düsseldorfs SPD in den nächsten Kommunalwahlkampf zieht, wird wahrscheinlich der Slogan stehen: „SPD wählen: Wir schenken Köln Millionen“. Und darunter in kleineren Lettern: „Weil das Düsseldorf voranbringt. Und wir solidarisch sind.“ Die Parole hätte für Düsseldorfs SPD-Mitglieder einen großen Vorteil. Sie könnten am Wahlabend der ersten Hochrechnung ganz gelassen entgegen sehen.

 

 

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