Der Einfluss der SPD auf die Gestaltung der Lebensbedingungen in Deutschland ist in diesem Jahr stark geschrumpft. Die Partei verlor drei Landtagswahlen und die Bundestagswahl. Im Saarland hielt sie sich als Juniorpartner der CDU. In Schleswig-Holstein und NRW schickten sie die Wähler in die Opposition. Sollte sie auch die Niedersachsen-Wahl verlieren, wäre sie so gut wie abgemeldet.

In die Opposition verkrochen

Sie regiert nun nur noch in jenen Bundesländern, die mit einem kleinen Anteil am deutschen Bruttoinlandsprodukt beteiligt sind: in den Stadtstaaten Bremen (32 Milliarden Euro 2016), Hamburg (111) und Berlin (129), in den Zwergländern Saarland (35), Mecklenburg-Vorpommern (41), Sachsen-Anhalt (59), (Nachtrag: Thüringen (61)), Brandenburg (69) und Sachsen (118) sowie in den westlichen Flächenländern Rheinland-Pfalz (139) und Niedersachsen (264). Es ist das einzige Bundesland von wirtschaftlichem Gewicht, das der SPD geblieben ist.

Bei den wirtschaftlichen Schwergewichten NRW (670), Bayern (568), Baden-Württemberg (477) und Hessen (269) kann die SPD nur noch von den Oppositionsbänken aus zuschauen, wie die politische Konkurrenz die wirtschaftliche Entwicklung und die industrielle Zukunft der Länder gestaltet.

Ins Abseits hat sie sich auch im Bund manövriert, als ihr Vorsitzender Schulz nach seiner Niederlage bei der Bundestagswahl beschloss, die Bundesregierung zu meiden. Mit der Entscheidung, sich aus der Regierungsverantwortung zu verabschieden und sich in die Opposition zu verkriechen, nimmt die SPD bewusst in Kauf, an der Gestaltung der Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensbedingungen in Deutschland und Europa kaum noch beteiligt zu sein.

Widerspruch zwischen Reden und Handeln

Den letzten relevanten Rest von Einfluss würde die Partei einbüßen, wenn sie die Niedersachsen-Wahl am kommenden Sonntag verlöre. Dann entglitte ihr das letzte Bundesland von einiger wirtschaftlicher Bedeutung. Die einstige Arbeiterpartei, die sich heute als Partei der kleinen Leute sieht, stünde dann in der Wirtschaftspolitik, die das Leben der kleinen Leute sehr stark prägt, so gut wie blank da.

Die Partei nimmt diesen Einflussverlust im Bund bewusst in Kauf, in der ungesicherten Hoffnung, sie könne sich leichter erneuern, wenn sie keine Verantwortung mehr tragen müsse. Diese Begründung steht im Widerspruch zu dem Verhalten der Partei, dass sie gerade in Niedersachsen an den Tag legt.

Dort versucht sie im Wahlkampf mit all ihrer noch verbliebenen Kraft, sich in der Landesregierung zu behaupten. Der Widerspruch zwischen Reden und Handeln ist der Partei offenbar gar nicht bewusst. Dieser Umstand zeigt, wie groß die Verwirrung in der Partei ist.

Zur Klientelpartei reduziert

Der Partei ist die Kompetenz in der Wirtschaftspolitik entglitten. Ihr fehlt nun auch in den großen Bundesländern und in der Bundesregierung der Resonanzboden, der erforderlich ist, um wirtschaftspolitisch wirksam zu werden. Ohne Wirtschaftspolitik büßt die SPD ihren Anspruch ein, Volkspartei zu sein.

Unter der Führung von Schulz ist die SPD dabei, sich zu einer Klientelpartei zu reduzieren, die ihr Selbstverständnis im Wesentlichen über Verteilungspolitik definiert. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits im Bundestagswahlkampf ab, als sie im Saarland Rot-Rot-Grün als Wahlziel anpeilte und ihr Regierungsprogramm für die Bundestagswahl unter das Motto stellte: Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit.

Über den Kurs der SPD herrscht nur an der Oberfläche Einvernehmen. Dass Schulz die Partei seit der Niederlage bei der Bundestagswahl in die Opposition steuert, gefällt dem rechten Flügel der Partei nicht. Noch hält er still, wohl mit Rücksicht auf die Niedersachsenwahl. Doch unter der Oberfläche gärt es.

Vergleichsweise einflusslos

Die Gestaltungsscheu der SPD macht auch einigen Gewerkschaften zu schaffen, denen Schulz mit dem Rückzug in die Opposition das Geschäft erschwert. Die Gewerkschaft Verdi, die den öffentlichen Dienst organisiert, kann damit leben, dass die SPD als Ansprechpartner für Wirtschaftspolitik ausfällt. Die Industriegewerkschaften dagegen vermissen schon schmerzhaft, dass die SPD in den wirtschaftsstarken Bundesländern nicht mehr regiert und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht mehr gestaltet. In etlichen Ländern ist sie bereits Kleinpartei.

Die IG Metall, die zur früheren Bundesarbeitsministerin Nahles enge Kontakte pflegte und sie beriet, muss sich heute damit abfinden, dass Nahles nun als SPD-Fraktionschefin vergleichsweise einflusslos ist und vor allem Fensterreden halten wird.

Die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), die ihren Sitz in Hannover hat, muss damit fertig werden, dass ihre SPD-Ansprechpartner im Bundestag demnächst nichts mehr zu entscheiden haben, wenn die geplanten Jamaika-Koalition zustande kommen sollte.

Mit internen Problemen beschäftigt

Die Selbstverzwergung der SPD kommt den Industriegewerkschaften ungelegen, weil sich in der Industrie und der übrigen Wirtschaft weitreichende Veränderungen abzeichnen. Die Autoindustrie steckt in einer tiefen Strukturkrise. Außerdem wird die Digitalisierung viele Unternehmen, viele Branchen und den Arbeitsmarkt verändern.

Der Strukturwandel in der Schwerindustrie ließ sich über Jahrzehnte bremsen. Die Digitalisierung wird sich schneller vollziehen. Auch sie wird Strukturbrüche und Verwerfungen nach sich ziehen, deren Folgen viele Arbeitnehmer zu spüren bekommen werden.

Der selbst verordnete Gestaltungsverlust wird es der SPD erschweren machen, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen und sich als Ansprechpartner der Wirtschaft zu behaupten. SPD-Chef Schulz ordnete den Rückzug in die Opposition an, um sein politisches Überleben zu sichern. Die Partei wird sich in den nächsten Jahren weniger mit den Problemen der Republik als mit ihren internen Problemen beschäftigen.

Die Unzufriedenen sammeln

In NRW, wo in diesem Jahr eine schwarz-gelbe Koalition unter CDU-Ministerpräsident Laschet die rot-grüne Landesregierung ablöste, sind die Folgen der Schulz-Politik schon zu beobachten.

Die CDU-FDP-Koalition gibt sich Mühe, die Bedingungen für die Wirtschaft zu verbessern und ihr das Leben leichter zu machen. Die Wirtschaft verhehlt nicht, dass sie die Arbeit der schwarz-gelben Koalition schätzt.

Die SPD spielt an Rhein und Ruhr nicht mehr auf dem Platz. Sie hockt auf der Tribüne. Sie wartet auf Fehler der Koalition, wie SPD-Fraktionschef kürzlich im Landtag zum Besten gab. Die Partei solle für alle da sein, die mit der schwarz-gelben Koalition unzufrieden sind. Ob sie zur SPD gehen oder zur AfD und zu der Linken laufen, ist dabei noch gar nicht ausgemacht. – Ulrich Horn


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5 Comments

  1. Nach diesem desaströsen Bundestagswahlergebnis weiter bei Merkel am Katzentisch sitzen – wer würde das verstehen und wo wäre eine Perspektive für die „Volkspartei“ SPD zu erblicken? Mit Niedersachsen ist das nicht vergleichbar, da die SPD in Hannover den Ministerpräsidenten stellt. Die wichtige Frage nach der Wirtschaftskompetenz schließt Verteilungs- und Gerechtigkeitsfragen keineswegs aus, zumal nicht für die „Partei der kleinen Leute“, die die SPD angeblich sein will.

  2. Roland Appel Reply

    Über das Elend der SPD lässt sich trefflich jammern, es ist redlich selbstverschuldet und verdient. Ebenso wie das Elend mancher Gewerkschaften. Die SPD hat in einer Situation, wo 2013 längst absehbar war, dass das Rentensystem mittelfristig kollabieren wird, nichts anderes zu tun gehabt, als sich mit der „Rente ab 63“ ebenso nochmal in die maroden Rentenkassen zu greifen, wie die CSU, der sie zur absurden „Mütterrente“ verholfen hat: dumm, unsozial, kurzsichtig und keine Wählerstimme mehr dadurch.
    Die SPD hat in NRW und Brandenburg und gemeinsam mit der IGBCE beschlossen, sich tapfer und kurzsichtig für den Klimawandel durch möglichst viel Braunkohleverbrennung einzusetzen, anstatt das „E“ in IGBCE mal in Form von Arbeitsplätzen in der Solarwirtschaft und bei der Windkraftindustrie zu definieren und dort Mitglieder zu werben. SPD und IGBCE machten stattdessen eine Politik, die tausende Arbeitsplätze bei der deutschen Solarwirtschaft vernichtete und die Gefährdung ebenso vieler bei den Windkraftanlagenbauern in Kauf nahm – übrigens unter dem Strich viel mehr, als in den rohstoffintensiven und automatisierten Tagebauen von RWE und co. jemals gearbeitet haben. Die SPD hat in der GroKo die „Industrie 4.0“ kritiklos und naiv vorangetrieben, ohne den Menschen zu sagen, dass die Bundesrepublik damit auf die größten Transformationen und Arbeitsplatzvernichtungen des 21. Jahrhundert zugehen wird. Keine Forderung nach Maschinensteuer, (hat Herbert Ehrenberg schon 1974 formuliert), keine Antwort auf die Verletzbarkeit von Soloselbständigen und Crowdworkern der Zukunft, obwohl die IG Metall als einizge Gewerkschaft das Problem erkannt hat. Keine kritische Auseinandersetzung mit asozialen Medien wie Google und Facebook. Wer so die Gegenwart und die Zukunft verpennt und gegen die Interessen der „kleinen Leute“ agiert, hat es einfach nicht anders verdient. Ich sage das tief traurig und ohne Häme, denn eine starke SPD wäre notwendig für unsere Demokratie. Und sie sind so auf sich selbst fixiert, dass sie nichtmal mehr rechnen können: SPD,Grüne, Linke und FDP hätten zumindest rechnerisch eine Mehrheit von 369 Abgeordneten. Aber Sie, Herr Horn, haben ja auch Thüringen vergessen, wo die SPD als kleiner Koalitionspartner mitregiert.

    • Ulrich Horn Reply

      Wie konnte ich Thüringen vergessen. Es hatte 2016 ein Bruttoinlandsprodukt von 61 Milliarden Euro. Es ist, was das BIP angeht, das fünftkleinste Land vor Bremen, dem Saarland, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt – und nicht einmal doppelt so stark wie Bremen, das Land mit den kleinsten BIP.

    • Hartwig Kümmerle Reply

      Genau so ist es: selbst schuld! Wer Politik gegen das Volk richtet, richtet sich selbst.

  3. Hartwig Kümmerle Reply

    Die SPD macht wie die Grünen nur noch Politik für Minderheiten. Die sog. Ehe für alle betrifft nur 0,1% des Volks. Bei den Flüchtlingen richtet sich die Politik sogar dagegen. In Niedersachsen ist das etwas anders. Im Bund haben sich SPD + Grüne selbst gerichtet – zum Schaden des gesamten Volks. + der Bevölkerung!

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