Der NRW-Landtag hat Hendrik Wüst erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. In den beiden Jahrzehnten dieses Jahrhundert ist er bereits der sechste NRW-Regierungschef. Mit seinen fünf Vorgängern hat das Land nicht viel Glück gehabt. Keiner von ihnen schaffte es, sich zwei komplette Legislaturperioden im Amt zu halten. Jeder von ihnen hinterließ im Land Stückwerk.

Millionen vergeudet

Auf vielen Feldern geht es in NRW seit langer Zeit nur sehr langsam voran. Unübersehbar war das Gestaltungsdefizit bei Wolfgang Clement. Der Politiker, der damals noch der SPD angehörte, inszenierte sich als Macher.

Ausgerechnet er aber bekam so gut wie nichts auf die Kette. Sein größter Misserfolg war die Magnetbahn Metrorapid, die zwischen Dortmund und Köln fahren sollte.

Das Projekt war von Anfang an eine Totgeburt, weil ihm die erforderliche Mehrheit in den Regionalräten fehlte. Dennoch trieb Clement die Planung voran und vergeudete dabei einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag.

Das Amt aufgegeben

Der ehemalige Journalist erwies sich als Meister der Schlagzeilen- und Seifenblasen-Politik. Er wollte die Landschaftsverbände abschaffen und brachte fast alle Kommunalpolitiker gegen sich auf. Die Blase platzte.

Er legte das Innen- und das Justizministerium zusammen und brachte fast alle Juristen gegen sich auf. Auch diese Blase platzte. Das Verfassungsgericht und der grüne Koalitionspartner zwangen ihn, die Vereinigung rückgängig zu machen.

Als sich 2002 abzeichnete, dass Clement für die NRW-Wahl 2005 nichts vorzuweisen haben würde, gab er nach der Bundestagswahl das Amt des Ministerpräsidenten kurzerhand sang- und klanglos auf und wurde Bundeswirtschafts- und Arbeitsminister.

In den Regen gestellt

Nachfolger wurde Finanzminister Steinbrück. Auch in seiner kurzen Amtszeit kam in NRW kaum etwas voran. Andauernder Streit zwischen den Koalitionspartnern SPD und Grünen lähmte seit langer Zeit das Land. Steinbrück setzte den Konflikt fort.

Er empfand die Grünen als Bremser. Er wollte Projekte durchsetzen, die auf Widerstand der Grünen stießen. Steinbrück suchte Hilfe bei seinem Parteifreund Bundeskanzler Schröder. Doch der stellte ihn in den Regen.

Steinbrück musste seine Pläne sausen lassen und sich den Grünen beugen. Seine Reputation und die der SPD nahmen schweren Schaden. Nach zweieinhalb Jahren wurde er und die Partei 2005 abgewählt. Die SPD landete nach einer Regierungszeit von 39 Jahren in der Opposition.

Von Skandalen perforiert

Während der Ära Clement/Steinbrück hatte sich im Land kaum etwas bewegt. Steinbrücks Nachfolger, der CDU-Politiker Rüttgers, wollte dem Land mit der FDP frischen Wind bringen. Er setzte durch, dass die Subventionen des Landes für die Steinkohle gestrichen wurden.

Sein Versuch, staatliche Leistungen zu privatisieren, stieß auf erbitterten Widerstand, auch von CDU-regierten Kommunen. Der Konflikt wurde öffentlich ausgetragen und zum Zerwürfnis. Der öffentliche Dienst veranstaltete vor dem Landtag eine große Demonstration nach der anderen.

Gegen Ende der Wahlperiode geriet Rüttgers stark unter Druck, weil ein Informant aus seiner Umgebung Interna in die Öffentlichkeit trug und mit den Skandalen den CDU-Landtagswahlkampf perforierte. Zwar wurde die CDU bei der Wahl 2010 hauchdünn wieder stärkste Partei, war aber zu schwach, um erneut eine Koalition zu bilden. Die Partei musste in die Opposition.

Ohne Plan zurückgefallen

Die SPD riskierte unter Führung von Hannelore Kraft mit den Grünen eine Minderheitsregierung, die sich ihre Mehrheit bei der Linken besorgte. Sie drängte Rot-Grün, manche Entscheidung der schwarz-gelben Regierung Rüttgers zurückzudrehen. Über dieses Hin und Her trat das Land weiter auf der Stelle.

Nach zwei Jahren nutzte die Minderheitsregierung die Schwäche der CDU und provozierte Neuwahlen, die der rot-grünen Koalition die erhoffte Mehrheit bescherten. Der erforderliche Schub für das Land blieb jedoch aus.

Kraft schaffte es nicht, im Bund Hilfen für die Kommunen zu mobilisieren. Sie geriet in der Bundes-SPD ins Abseits und zog sich aus der Bundespolitik zurück. Sie hatte keinen Plan für die Zukunft des Landes. Es dümpelte vor sich hin und fiel auf fast allen wichtigen Feldern zurück.

Die Landespolitik überlagert

Dennoch gelang es dem CDU-Kandidaten Laschet bei der Landtagswahl 2017 nur mit Ach und Krach, Kraft und Rot-Grün zu kippen. Wie 2005 schon Rüttgers wollte auch Laschet mit der FDP das Land modernisieren.

Der Straßenbau wurde stärker angekurbelt, die Verwaltung vereinfacht, die innere Sicherheit verstärkt, die Kooperation der Hochschulen untereinander und mit der Wirtschaft intensiviert, die Zusammenarbeit mit den Niederlanden und Belgien vertieft.

Die Pandemie und Laschets Versuch, CDU-Chef und Bundeskanzler zu werden, überlagerten seine Landespolitik und brachten alte Defizite ans Licht, besonders deutlich die in den Schulen. Ihre mangelhafte Ausstattung wurde zum großen Problem. Es zeigte sich: NRW hinkt auch auf diesem Gebiet hinterher.

Das Land modernisieren

Laschets Versuch, Kanzler zu werden, scheiterte. Er legte ein halbes Jahr vor der Landtagswahl 2022 das Amt des Ministerpräsidenten nieder und wechselte in den Bundestag. Seinem Nachfolger Wüst gelang es bei der NRW-Wahl, die NRW-CDU erneut zur Regierungspartei zu machen. Zum ersten Mal regiert nun in NRW Schwarz-Grün.

Obwohl Wüst als Regierungschef bis auf den Wahlsieg noch nicht viel vorzuweisen hat, wird er bereits als Hoffnungsträger betrachtet und als möglicher Kanzlerkandidat hochgejubelt. Würde er es, blieben ihm bis zum Start des nächsten Bundestagswahlkampfes nur zweieinhalb Jahre, um NRW zu regieren.

Viel bewegen lässt sich in solch einer kurzen Zeit nicht, wie der Blick auf Wüsts Vorgänger seit 2000 zeigt. NRW braucht keinen Ministerpräsidenten, der einen Plan für seine Zukunft hat und das Amt für den nächsten Karrieresprung nutzt. Das größte Bundesland braucht endlich einen Ministerpräsidenten, der einen vernünftigen Plan zur überfälligen Modernisierungen NRW hat und sich die Zeit nimmt, ihn auch umzusetzen. – Ulrich Horn


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