Tag

Söder

Browsing

Mit der Pandemie sind die Defizite des schwarz-roten Bundeskabinetts sichtbar geworden. Sie zeigen sich vor allem in dessen Unionsteil, ausgerechnet im Wahljahr 2021, in der die Union ihren Regierungsanspruch erstmals seit 2005 ohne die Zugkraft ihrer Kanzlerin Merkel behaupten muss. Die Corona-Krise verschaffte der Runde der Ministerpräsidenten Gewicht. Gegen sie wirken die Mitglieder des Bundeskabinetts wie Statisten. Sie tragen auch noch selbst kräftig dazu bei, diesen Eindruck zu verstärken.

Wie gewonnen, so zerronnen? Mit Beginn der Pandemie sprang die Union aus der Versenkung. Seit dem ersten Corona-Tag gaben ihre Politiker Merkel, Söder, Spahn, Altmaier und Laschet den Ton an. Ab dem Frühjahr 2020 stieg sie in drei Monaten von 26 auf fast 40 Prozent. Heute ist sie auf 34 Prozent zurückgerutscht. Ausgerechnet im Wahljahr 2021 kann es noch tiefer gehen.

Die Pandemie verändert Lebenspläne. Seit 18 Jahren sitzt Jens Spahn für die CDU im Bundestag. Der 40-jährige hat es bis zum Vize-Parteichef und Bundesgesundheitsminister gebracht. In den Sympathie-Rankings rangierte er gleich hinter Merkel. Man sagt, er habe das Zeug, CDU-Chef und Kanzler zu werden. Er selbst glaubt das auch. Er ist es gewohnt, seinem Ehrgeiz freien Lauf zu lassen. Doch  auch ihm setzt die Pandemie Grenzen. Ihm schwimmen die Felle weg.

NRW-Ministerpräsident Laschet hat viel um die Ohren. Er muss NRW regieren, als CDU-Chef den rechten Parteiflügel hinter sich bringen, 2021 mehrere Landtags- und Kommunalwahlen bewältigen, Kanzlerkandidat werden, den Bundestagswahlkampf bestreiten, in NRW die Nachfolge als Regierungs- und CDU-Landeschef organisieren, eine Koalition im Bund zustande bringen, ein Bundeskabinett bilden und die Corona-Krise in den Griff bekommen. Ist das zu viel für Laschet?

Seit 15 Jahren regiert die Union Deutschland. Im Vergleich zu ihren Konkurrentinnen stehen CDU und CSU trotz ihrer langen Regierungszeit gut da. Doch der Schein trügt. Beide Parteien haben sich lange bekämpft. Sie betrieben jahrelang den Verfall ihrer Union. Ihre Konflikte legten sie gerade erst bei, auch unter dem Druck der nahenden Bundestagswahl im Herbst. Die CDU quält sich seit Langem damit ab, Ersatz für Merkel zu finden. Die Partei ist abgekämpft und ausgelaugt.

Plötzlich ist es den 16 Ministerpräsidenten mulmig geworden. Vor zwei Wochen noch planten sie im Kampf gegen die Pandemie für Weihnachten und die Jahreswende Einschränkungen, die den Bürgern möglichst wenig Beschwernisse bescheren sollten. Tagelang propagierten die Länderchefs ihr Vorhaben, als wäre es der große Wurf. Sie machten die Rechnung ohne das Virus.

Die Union erlebt eine Zeitenwende. 2018 gab Merkel den CDU-Vorsitz ab. 2021 wird sie das Kanzleramt freigeben. Wer wird sie beerben? Die Berichterstatter spekulieren, was die Phantasie hergibt. Dabei wissen sie sehr wohl, dass Mutmaßungen müßig sind. Gewissheit gibt es erst im Nachhinein. Sie wird sich schrittweise einstellen, mit der Wahl des CDU-Chefs im Dezember und der Bundestagswahl 2021. Was man heute kennt, ist der Kontext, in dem die Unionsparteien und ihre Kandidaten agieren.

Das CDU-Nachwuchstalent Spahn (40) zählt nach allgemeiner Auffassung zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Der Gesundheitsminister hat sich in der Krise einen Namen gemacht. 60 Prozent sind mit Spahns Arbeit zufrieden. Kann auch er mit sich zufrieden sein?

Die FDP schrumpft. Erstaunlicher als dieser Prozess ist das Tempo, in dem er sich vollzieht. 2017 kehrte die Partei nach vierjähriger Pause in den Bundestag zurück – mit einem zweistelligen Ergebnis. Sie wurde vierte Kraft, deutlich vor der Linken und den Grünen. Seither hat sich die FDP in den Umfragen mehr als halbiert. 2021 könnte sie erneut aus den Bundestag fliegen. Zu verantworten hat diesen rapiden Verfall ihr Vorsitzender Lindner.

Es kam, wie es kommen musste. Zu Beginn der Corona-Krise profilierte sich NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) als Vorreiter für die Öffnung des Lockdown. Als sie einsetzte, war die Erleichterung groß. Dann aber wurden ihre unangenehmen Begleiterscheinungen sichtbar. Vorreiter Laschet befindet sich plötzlich auf dem Rückzug. Seine guten Sympathiewerte sind über die Öffnung rapide gesunken.