Noch im Winter 2013 war Hannelore Kraft die Hoffnung der SPD. Sie wurde als Kanzlerkandidatin und als Aspirantin für das Amt des Bundespräsidenten gehandelt. Heute sind solche Überlegungen aus der Welt. Ob Kraft nach Höherem strebt oder ihm entsagt: Kommt eine Ministerpräsidentin, die viermal die Landesverfassung brach, für noch höhere Ämter infrage? Man sollte meinen: eher nicht.

Gegen die Verfassungsklippen

Bei dieser Antwort stellt sich die nächste Frage: Müssten sich die Verfassungsbrüche nicht auch auf ihr aktuelles Amt auswirken? Das ist bisher nicht zu erkennen. Von Rücktritt ist keine Rede. Das Amt der NRW-Regierungschefin scheint strapazierfähiger zu sein als die Posten der Bundeskanzlerin und des Bundespräsidenten.

Die SPD schaut klaglos zu, wie ihre Ministerpräsidentin und ihr Finanzminister Walter–Borjans den Regierungskahn Jahr für Jahr gegen die Verfassungsklippen krachen lassen. Mindestens zweimal geschah es mit voller Absicht, gegen den Rat der Experten.

Kurz nach ihrem Amtsantritt wollten Kraft und Walter-Borjans das Land verfassungswidrig hoch verschulden. Zuletzt versagten sie vielen Beamten verfassungswidrig die Tariferhöhung. Auch der Finanzminister, der bei den Verfassungsbrüchen am Ruder stand, scheint die Kollisionen schadlos zu überstehen. Er lässt sich als Kandidat für das Amt des Kölner Oberbürgermeisters handeln.

Viele Feinde geschaffen

Dass die Verfassung den Rahmen für das Regieren setzt, behagt Kraft und Walter-Borjans offenbar nicht. Die Koalitionsparteien SPD und Grüne verlassen sich darauf, dass viele Bürger mit Verfassungsbrüchen nicht viel anfangen können und manche sie möglicherweise sogar gut heißen.

Dass sich die SPD nicht rührt, hat noch einen anderen Grund. Sie hat gute Erfahrungen damit gemacht, still in der Furche zu liegen. Ihre früheren Ministerpräsidenten Rau, Clement und Steinbrück hatten ebenfalls Verfassungsbrüche zu verantworten. Rau wurde Bundespräsident, Clement Superminister, Steinbrück Kanzlerkandidat.

Jeder Regierung fällt es leicht, Verfassungsbrüche beiseite zu schieben, über die sich nur die Opposition aufregt. Es gibt aber auch Verfassungsbrüche, mit denen sich Regierungen Feinde schaffen, manchmal sogar viele Feinde. Dass Kraft und Walter-Borjans vielen Beamten rechtswidrig die Tariferhöhung versagten, zählt zu dieser letzten Kategorie.

Hohn und Spott

Die Folgen sind nicht von Pappe. Mit dem jüngsten Verfassungsbruch demotivierten Kraft und ihr Finanzminister die NRW-Beamtenschaft. Der Unmut ist massiv und nachhaltig. Die Neigung der Beamten, über die Pflicht hinaus zu arbeiten, dürfte gegen Null gehen. Mit Beamten, die Dienst nach Vorschrift schieben, lässt sich schlecht regieren.

Beim Versuch, den Schaden zu beheben, den sie mit der Nullrunde angerichtet haben, sind Kraft und Walter-Borjans dabei, ihn zu vergrößern. Um die nun fälligen Zahlungen an die Beamten zu finanzieren, müssen sie jeden Cent zusammenkratzen. Sie verhängten eine Haushalts- und Beförderungssperre. Zuerst erhielten viele Beamte keine Tariferhöhung. Nun werden auch noch die Beförderungen ausgesetzt.

Die Beamten haben längst aufgehört, über die Regierung zu staunen. Wo immer sie zusammenkommen, von ihren Weihnachts- über ihre Karnevals- bis zu ihren Jubiläumsfeiern, sind Kraft und Walter-Borjans seit Monaten Ziel von Hohn und Spott.

Bissiger Personalrat

Wie bissig es dabei zugeht, wenn die Sprache auf die Regierungsspitzen kommt, dokumentierten die Beamten der Finanzverwaltung. Der Personalrat des Finanzministeriums lud „am Freitag, 11. Juli 2014 ab 14 Uhr in Raum 620“ alle Beschäftigten des Hauses auf ein kostenloses Stück Käsekuchen ein.

In der schriftlichen Einladung hieß es: „Wir würden uns freuen, wenn Sie reichlich von unserem Angebot Gebrauch machen und mit Ihrem Appetit signalisieren, dass Sie die aktuellen Entscheidungen der Landesregierung und insbesondere unserer Hausspitze Käse finden.“

Solche Töne gab es in der NRW-Verwaltung noch nie. Das Stück Käsekuchen hat gute Aussichten, Karriere zu machen. Es könnte im nächsten Wahlkampf auf den Plakaten der Opposition auftauchen, als Symbol für die Politik der Regierung Kraft. – Ulrich Horn


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2 Comments

  1. Dass nur Hannelore Kraft so beamtenfeindlich ist, kann ich nicht bestätigen. Ich war 35 Jahre Gymnasiallehrer; meine Erfahrungen sind diese: Arbeitszeitverlängerungen, Gehaltskürzungen, große Klassenfrequenzen, Streichungen von Weihnachts- und Urlaubsgeldern. Da waren alle Landesregierungen kräftig dabei. Der berühmte Beamtenstatus wäre ja längst abgeschafft, wenn er nicht den unschätzbaren Vorteil besäße, dass man mit Beamten keine Tarifverhandlungen führen muss: Zum ständigen Absenken der Gehälter genügt ein Kabinettsbeschluss. Man stelle sich vor, dass in einer Stadt wie Oberhausen alle Lehrer außerhalb der Ferien streiken würden: das ganze Leben bräche zusammen; man wüsste nicht, wohin mit den Kindern, und im CentrO müsste man 200 neue Detektive einstellen.
    Zum Thema Verfassungsbruch: das ist doch Standard in Deutschland. Die Gewerkschaften haben festgestellt, dass die Niedriglöhne, besonders die Aufstocker, direkt dazu führen, dass junge Menschen keine Familien mehr gründen können, weil da das Geld und die Zukunftsperspektiven fehlen. Das widerspricht eklatant dem GG, allen kirchlichen und Parteiprogrammen, wonach der Schutz der Familie oberste Priorität hat. Dagegen ist Hannelore Kraft doch ein kleiner
    Fisch.
    Die Nachdenkseiten bezeichnen Angela Merkel und ihre Regierung nicht länger als „Verfassungsfeinde“; ich gehe nicht davon ab.

  2. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

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