Seit eineinhalb Jahren ist der SPD-Politiker Scholz als Bundeskanzler tätig. Gut ein Drittel seiner Amtszeit hat er verbraucht. Die Mehrheit der Wähler ist mit seiner Arbeit unzufrieden. Sie hat ihm, seiner Partei und der Koalition geschadet. Scholz steht im Wasser. Es steigt. Er bemüht sich, einen höheren Grund für seine Füße zu finden, und arbeitet krampfhaft daran, sein Image zu verbessern. In weiser Voraussicht hat die SPD für den Fall der Fälle längst vorgesorgt.
Nur mickrige 26,7 Prozent erreichte die NRW-SPD am Sonntag. Es war das schlechteste Ergebnis, das sie jemals bei einer NRW-Wahl erzielte. Wie um alles in der Welt konnte das nur passieren? Die Partei hatte doch die besten Voraussetzungen, die jüngste Landtagswahl zu gewinnen.
Wer sich nach Mitternacht ins ZDF-Programm verirrt, trifft dort gewöhnlich das Sandmännchen. Ganz anders in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. In der Nachrichtensendung „heute journal up:date“ erschien auf dem Bildschirm plötzlich ein Mann, den die Moderatorin Gundula Gause Kutschaty nannte.
Olaf Scholz hat es schwer. Der SPD-Vize-Kanzler wird demnächst Kanzler. Der Koalitionsvertrag ist verhandelt. Die Kanzlerwahl ist auf den 8. Dezember festgelegt. Die Wahl scheint eine reine Formsache zu sein. Doch der Kanzlerkandidat traut dem Braten offenbar nicht.
Schmerzlich sind Siege, die sich als Niederlage erweisen. Diese Erfahrung macht gerade die SPD-Linke um ihre Aushängeschilder Kühnert, Esken und Walter-Borjans. Ende 2019 erreichten sie einen Höhepunkt ihrer Macht. Damals gelang es ihnen mithilfe der Jusos, Finanzminister Scholz, einen Mann des rechten SPD-Flügels, als Parteichef zu verhindern.
Rund ein Viertel der SPD-Mitglieder reichte aus, um Walter-Borjans und Esken Ende 2019 zu SPD-Vorsitzenden zu machen. Dem Votum der Bürgern, die keine Genossen sind, will sich Walter-Borjans aber nicht aussetzen: Zur Bundestagswahl 2021 strebt er kein Mandat an. Er will sich auf sein Parteiamt konzentrieren, sagt er. Was als Verzicht erscheint, ist gar keiner. Hat der SPD-Chef denn eine Wahl?
Seit Anfang Dezember sind die beiden SPD-Chefs im Amt. Seither suchen sie nach Autorität. Sie wehren sich, Handlanger von Jusos-Chef Kühnert zu sein, und geben viele Erklärungen ab. Esken wirkt noch etwas gehemmt. Walter-Borjans, seit jeher sein eigener Pressesprecher, hantiert routinierter. Kaum ein Thema, zu dem er schweigt.
Die SPD will sich erneuern. Dieses Bemühen droht nach dem Rücktritt der Partei- und Fraktionschefin Nahles zu scheitern. Bei der Sanierung hakt es an allen Ecken und Kanten. Die Partei rückt ihrem Kollaps immer näher.
Die SPD kennt und nennt viele Gründe für ihren Niedergang. Die Arbeiterklasse ist geschrumpft. Die Angestellten, Praktikanten und Arbeitslosen sind schwer zu gewinnen und noch schwerer bei der Stange zu halten. Die Grünen, die Linke, die AfD und die CDU haben die SPD viele Mitglieder, Anhänger und Wähler gekostet. Der Königsgrund aber ist die Behauptung, Merkel habe die SPD kaputtgemacht.
Der neue SPD-Generalsekretär Klingbeil ist nicht zu beneiden. Seit er im Amt ist, wird der Dreck in seiner Partei immer tiefer. Um vom SPD-Morast abzulenken, wollte er den Ärger befeuern, der in der Union über die Postenausbeute der Koalitionsverhandlungen ausgebrochen ist – und blamiert dabei seine eigene Innung.