Alle Welt spricht von einer Regierungskrise der Republik. Dabei hat sie nur eine Parteienkrise. Die kleinste der drei Berliner Koalitionsparteien, Bayerns Regionalkraft CSU, hat Angst, bei der Landtagswahl am 14. Oktober die absolute Mehrheit zu verlieren. Die Umfragewerte sinken. Schuld gibt die CSU der Kanzlerin Merkel und ihrer Flüchtlingspolitik. Ein starkes Signal soll den Abwärtstrend brechen. Die CSU will die Kanzlerin stürzen. CDU-Konservative sind bereit zu helfen.
Der SPD laufen die Wähler weg. Was ihr bleibt, ist die Galerie ihrer großen Wegweiser. Brandt perforierte mit der Ostpolitik den Eisernen Vorhang, Schmidt trieb mit der Nachrüstung die Sowjetunion in den Ruin. Schröder belebte mit der Agenda-Politik die Wirtschaft und Die Linke. Jüngstes Glied in dieser Kette ist der Bochumer SPD-MdB Axel Schäfer.
Die SPD kämpft – vor allem mit sich. Ihre Spitzenfunktionäre wählten Schulz mit 100 Prozent zum Parteichef. Sie taten sich und ihm einen Tort an. Die Höchstmarke suggeriert Geschlossenheit, die es nicht gibt. Sie weckt Erwartungen, die kaum zu erfüllen sind. Sie setzt den Parteichef unter Erfolgsdruck. Jedes Abweichen von dieser Maßgabe wird zwangsläufig als Misserfolg verstanden, wie die Reaktionen auf die Saarwahl zeigen. Ihr Tenor: Kaum eine Woche im Amt, wurde Schulz an der Saar rasiert.
Die nostalgische Hinwendung zu den guten alten Zeiten drückt sich in der Politik besonders anrührend im Kult um die früheren Bundeskanzler aus. Kaum sind sie aus dem Amt, werden sie als Altkanzler tituliert, so als seien sie durch den Amtsverlust selig gesprochen. Dabei sind sie doch nur ehemalige Politiker, die ihre Zeit hinter sich haben: Die einst Erfolgreichen beendeten ihre politische Karriere als Gescheiterte.
Viele Nachrufe priesen den jüngst verstorbenen SPD-Politiker Helmut Schmidt. Als er noch Kanzler war, wollten viele Sozialdemokraten nichts von ihm wissen. Ehe ihn die Wähler zu Fall bringen konnten, ließ ihn die eigene Partei fallen. Droht Merkel das gleiche Schicksal? In der Union signalisieren viele, dass sie ihrer Kanzlerin überdrüssig sind.
(uh) SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wird für seine Partei immer mehr zum Wahlkampf-Risiko. Vor dem Krönungsparteitag am kommenden Sonntag werden beinahe täglich neue Sachverhalte bekannt, die ihn und die Partei in schiefes Licht setzen. Die peinlichen Vorgänge werden zunehmend gravierender. Inzwischen gerät sogar seine Arbeit als Bundesfinanzminister in Verruf.
(uh) Der SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück steht vor einer schweren Aufgabe. Bevor er um die Gunst der Wähler werben kann, muss er um die Gunst seiner Partei kämpfen. Sie wird ihm nicht geschenkt. Er muss sie sich hart erarbeiten. Wie fast jeder SPD-Kanzlerkandidat wird auch er in der Partei nicht uneingeschränkt akzeptiert. Er muss erreichen, dass sie ihn trägt. Doch vielen gilt er als schwer tragbar.
(uh) Wer Kanzler werden will, muss sich zunächst als Kandidat die Hände schmutzig machen. Diese Art politischer Drecksarbeit blieb Alt-Kanzler Schmidt (SPD) einst erspart. Er kam ohne Wahlkampf ins Amt, weil sein Vorgänger Brandt mitten in der Legislaturperiode zurücktrat. Heute macht Schmidt Wahlkampf für Peer Steinbrück (SPD). Er habe das Zeug zum Kanzler, meint Schmidt. Da werden ihm viele zustimmen.
(uh) Im Poker um die Kanzlerkandidatur der SPD werden die Karten nach der Berlin-Wahl neu gemischt. Bisher saßen drei am Tisch: Parteichef Gabriel, Fraktionschef Steinmeier und der Abgeordnete Steinbrück. Nun hat ein weiterer Spieler Platz genommen, Berlins Bürgermeister Wowereit. Er passt manchem inner- und außerhalb der SPD nicht. Dennoch muss man mit ihm rechnen.
(uh) Peer Steinbrück hat Konkurrenz bekommen. Monatelang hatte man den Eindruck, die SPD-Kanzlerkandidatur laufe auf ihn zu. Doch nun, ehe sich diese Vermutung zur Gewissheit verfestigt und sich damit jeder Korrektur entzöge, ist nun ein weiterer Politiker aus der Deckung gekommen: SPD-Chef Gabriel.