Deutschland lernt gerade Söder kennen. Einst war er Stoibers Kofferträger. Lange hat er sich in der zweiten Reihe der CSU abgestrampelt. Am Ende hat er es gerade einmal geschafft, Parteichef Seehofer teilweise zu beerben. Als Ministerpräsident soll Söder die absolute Mehrheit der CSU in Bayern verteidigen. Dieses Ziel ist nicht zu erreichen. Er weiß, dass er scheitern wird. Wut und Enttäuschung brechen sich Bahn. Der Scheiternde schlägt unkontrolliert um sich.
Auf den ersten Blick fällt es schwer, den Ämter- und Personalwechsel in der Berliner SPD-Ministerriege als Beitrag zur Erneuerung der SPD zu sehen. Scholz, Heil, Barley und Maas sind seit Langem bundesweit bekannt. Giffey, die in der Berliner Lokalpolitik mitmischt, ist politischen Beobachtern ebenso ein Begriff wie die neue SPD-Staatsministerin Müntefering und SPD-Staatsminister Roth. Die Überraschung ist Svenja Schulze. Sie löst Umweltministerin Hendricks ab. Sie stammt wie Schulze aus NRW.
Um Sigmar Gabriel muss man sich nicht sorgen. Der Ex-Ministerpräsident, Ex-SPD-Chef, Ex-Wirtschafts- und nun auch Ex-Außenminister hat die Rente durch. Zwar fallen nun der Dienstwagen und die Bezüge als Minister fort. Doch auch als schlichter Bundestagsabgeordneter muss er nicht am Hungertusch nagen. Außerdem könnten sich ihm nun neue Berufsperspektiven eröffnen.
Deutschland kann aufatmen. Die SPD ist zur Besinnung gekommen. Als ihre Führung vor fünf Monaten in der Wahlnacht die große Koalition aufkündigte, glaubte sie, die Mitglieder stünden hinter ihr. Ein Irrtum. Die Parteispitzen hatten den Bezug zur Basis verloren. Die Mitglieder verschafften mit ihrem Votum für die große Koalition der SPD-Führung Klarheit über die Meinungslage in der Partei. Sie ersparten sich die Neuwahl und ihrer Partei vorerst den Absturz auf den nächsten Tiefpunkt.
Für die SPD kommt es knüppeldick. Vor fünf Monaten erzielte sie ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis. Es zeugt vom Niedergang der Partei. Seiher hat sich ihr Verfall noch stärker beschleunigt. Er zeigt sich an vielen Stellen. Er schlägt sich auch in den Umfragen nieder. Sie sind so schlecht wie nie zuvor. Die SPD erlebt sich unsinnig. Sie gewinnt gerade viele Mitglieder und verkümmert doch zur Kleinpartei.
Verdient Schulz für seinen Verzicht auf das Außenamt Respekt? Mitnichten. Er tut doch nur, was selbstverständlich ist: Er hält sein Wort. Er wollte in Merkels Kabinett nicht Minister werden, versicherte er im Wahlkampf. Dass er den Wortbruch in Erwägung zog, war nicht die einzige Zumutung dieses Politikers.
Seit die SPD Martin Schulz einstimmig zu ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten machte, war er für sie eine Belastung. Er schaffte es nicht, sein 100-Prozent-Ergebnis in Wählervertrauen umzumünzen. Er hat die größte Niederlage der Partei verschuldet. Seit der Wahl erwies er sich als strategischer Geisterfahrer: Am Wahlabend führte er die SPD in die Opposition, drei Monate später in Koalitionsverhandlungen.
Gerade erst wurde die SPD mit ihrem schlechtesten Bundestagswahlergebnis abgestraft, schon legt sie die Grundlagen für ihren weiteren Absturz. Früher verbarg sie ihre Defizite. Heute präsentiert sie sich offenherzig. Wie die FDP ist auch sie von Ausgang der Bundestagswahl überfordert. Die FDP gab vor, die Jamaika-Koalition zu sondieren, warf aber, als es ernst wurde, die Brocken hin. Die SPD treibt es noch toller.
Union und SPD haben sich bei der Sondierung zu einer großen Koalition über die Energiepolitik verständigt. Sie steht einer Koalition nicht mehr im Weg. NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) machte diesen Sachstand bekannt. Der Teil der SPD, der die große Koalition ablehnt, ist empört, weil Laschet die vereinbarte Verschwiegenheit brach. SPD-Fraktionschefin Nahles verschaffte der Empörung deutlich Gehör. Was soll sie auch anderes tun?
In der SPD machen sich Gepflogenheiten breit, die an schlecht geführte Hobbyvereine erinnern. Die Partei beschäftigt sich fast nur noch mit sich selbst. Sie befasst sich mit Sachverhalten, die außerhalb ihres Umfelds kaum von Belang sind. Die Führungsspitzen tragen ihre Differenzen öffentlich aus. Ihr Gerede fördert die Überzeugung: In der SPD haben Schwadroneure das Ruder übernommen.