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Zuwanderung

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Kaum ein Politiker profitiert so ausgiebig von der Dummheit seiner Gegner wie Angela Merkel. Zu Beginn des Wahlkampfes 2005 steuerte sie auf die absolute Mehrheit zu. An seinem Ende hatte sie fast allen Umfragekredit verspielt. Nur um Haaresbreite lag die Union vor der SPD. Hätte es der geschlagene, frustrierte SPD-Kanzler Schröder am Wahlabend unterlassen, Merkel vor aller Welt herunterzuputzen, wäre sie wohl von ihren Parteifreunden ausgebootet worden, noch ehe sie die Macht hätte ergreifen können.

Ist Europa handlungsfähig? Die 28 Mitgliedsstaaten benutzen die Union vor allem, um ihr nationales Interesse zu befriedigen. Größeren Belastungen halten sie nicht stand. Statt die Zuwanderung als gemeinsame Herausforderung zu begreifen, ziehen sich viele in ihre Nationalstaatlichkeit zurück. Sie schotten sich ab – vor den Zuwanderern und EU-Partnern.

Horst Seehofer hat seine Bestimmung gefunden. Er gibt den Wiedergänger von Franz-Josef Strauß. Der schaffte es vom Hoffnungsträger zum Kanzlerkandidaten der Union. So weit wird es Seehofer nicht mehr bringen. Ihm steht nur noch der zweite Teil der Strauß-Karriere offen: der Abstieg vom Schwergewicht in der Bundespolitik bis zum Münchener Windbeutel. Einen Teil dieses Weges hat er schon hinter sich.

Wer sagt denn, man könne Merkel nicht attackieren? Kein Tag vergeht, an dem CSU-Chef Seehofer Merkels Flüchtlingspolitik nicht benörgelt. Seine Dauerkritik hinterlässt Spuren. Ein Teil der CDU-Anhänger sieht das Treiben der Kanzlerin inzwischen ebenfalls kritisch. Die Union baut in Umfragen ab. Seehofers Attacken sollen Zeichen der Stärke sein, doch offenbaren sie nur seine Schwäche. Er versucht, Merkel zu treiben, weil er selbst ein Getriebener ist.

Der Umgang der Großen Koalition mit Flüchtlingen, Zuwanderern, Neonazis und Schleppern ist bisher erbärmlich. An allen Ecken und Enden reißen Defizite auf. Sie drohen, ins Chaos umzuschlagen. Während Tag für Tag Flüchtlingsquartiere niedergebrannt werden und Flüchtlinge umkommen, konnten sich Merkel und Gabriel nicht einmal darauf verständigen, Seite an Seite der Gewalt entgegenzutreten. Ist die Große Koalition der Zuwanderung gewachsen?

Seit Anfang 2015 steht Angela Merkel unter erhöhtem Druck. Er baute sich bei den Verhandlungen über Griechenland auf und verstärkte sich nun durch die Zuwanderung, die in Deutschland und Europa große Probleme nach sich zieht. Merkel, die mächtigste Politikerin Europas, ist herausgefordert, die Probleme zu lösen. Andernfalls läuft sie Gefahr, von ihnen überrollt zu werden.

Europa sieht sich gerne als Modell für Demokratie, Frieden, Freiheit und Fortschritt. Dieses Selbstverständnis hat sich herumgesprochen. Europa wird beim Wort genommen. Seit vielen Monaten ist eine Wanderungsbewegung in Gang, deren Ziel das vorbildliche Europa ist. Löst dieser große Zuspruch auf dem Kontinent Freude aus? Mitnichten. Plötzlich klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.