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Die Pandemie zeigt viele Nebenwirkungen. Zu den auffälligsten zählt die Sorge, die viele Politiker zum Wohl der Kinder äußern. Sie müssten aus dem Lockdown zurück in die Schule, damit ihre Zukunftschancen und ihre soziale Entwicklung nicht Schaden nehmen, heißt es immer wieder. Diese Besorgnis ist erstaunlich.

Die Pandemie verändert Lebenspläne. Seit 18 Jahren sitzt Jens Spahn für die CDU im Bundestag. Der 40-jährige hat es bis zum Vize-Parteichef und Bundesgesundheitsminister gebracht. In den Sympathie-Rankings rangierte er gleich hinter Merkel. Man sagt, er habe das Zeug, CDU-Chef und Kanzler zu werden. Er selbst glaubt das auch. Er ist es gewohnt, seinem Ehrgeiz freien Lauf zu lassen. Doch  auch ihm setzt die Pandemie Grenzen. Ihm schwimmen die Felle weg.

Zwei Frauen über 90. Beide leben im eigenen Haushalt, eine in Baden-Württemberg, die andere in NRW. Die Frau in Baden-Württemberg erhielt bereits die zweite Corona-Impfung in der Woche vor dem 25. Januar. An jenem Montag begann NRW erst, Impftermine zu vergeben. Die Frau in NRW stand noch Mitte der Woche ohne Termin da. Ihre Kinder versuchten von morgens bis abends vergeblich, einen zu bekommen. Sie waren baff, als NRW-Ministerpräsident Laschet befand: „Der Impfstart ist gelungen.“

NRW-Ministerpräsident Laschet hat viel um die Ohren. Er muss NRW regieren, als CDU-Chef den rechten Parteiflügel hinter sich bringen, 2021 mehrere Landtags- und Kommunalwahlen bewältigen, Kanzlerkandidat werden, den Bundestagswahlkampf bestreiten, in NRW die Nachfolge als Regierungs- und CDU-Landeschef organisieren, eine Koalition im Bund zustande bringen, ein Bundeskabinett bilden und die Corona-Krise in den Griff bekommen. Ist das zu viel für Laschet?

Mit dem Jahreswechsel startet das dritte Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Es beginnt mit einem Hoffnungsfunken. Die Reden zur Jahreswende handeln von der Aussicht, mit Impfstoffen die Pandemie zu besiegen. Neben ihr steht Europa im nächsten Jahrzehnt vor weiteren Problemen. Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Die Grünen) umreißt sie in einem Interview, das der Berliner Korrespondent der NZZ, Christoph Prantner, mit ihm führte – eine andere Art von Neujahrsansprache, die ich als lesenswert empfehle. – Ulrich Horn

Plötzlich ist es den 16 Ministerpräsidenten mulmig geworden. Vor zwei Wochen noch planten sie im Kampf gegen die Pandemie für Weihnachten und die Jahreswende Einschränkungen, die den Bürgern möglichst wenig Beschwernisse bescheren sollten. Tagelang propagierten die Länderchefs ihr Vorhaben, als wäre es der große Wurf. Sie machten die Rechnung ohne das Virus.

Es ist nicht selbstverständlich, dass in Deutschland Probleme zur Kenntnis genommen werden. Im Bundestag und in den 16 Länderparlamenten sitzen 2600 Abgeordnete. Es vergingen Jahre, bis sie bemerkten, dass Straßen und Brücken verfallen, die Ausrüstung der Schulen und der öffentliche Nah- und Fernverkehr mangelhaft sind, das Internet zu langsam arbeitet und sich die Funklöcher nicht von selbst schließen. Noch schwerer, als Probleme wahrzunehmen, fällt es den Abgeordneten in den Parlamenten und Regierungen, Probleme zu beheben.

Der Kampf gegen Covid 19 fördert, was er bekämpfen soll: die Ausbreitung des Virus. Um die Infektionszahlen zu drosseln, werden Einschränkungen verhängt. Nehmen die Infektionsfälle ab, werden die Einschränkungen gelockert. Prompt steigen die Infektionszahlen. Es entsteht die nächste Welle. Wieder werden Schutzmaßnahmen verschärft und bei sinkenden Infektionszahlen wieder gelockert. Es entsteht die nächste Welle. Der Wechsel von Einschränkungen und Lockerungen bremst das Virus nicht.

Die Corona-Pandemie offenbart die Handlungs- und Führungsschwäche der Ministerpräsidenten (MP). Sie sind für den Kampf gegen die Pandemie zuständig. Sie reklamieren diese Verantwortung für sich. Doch sie werden ihr nicht gerecht. Das Gremium der 16 Regional- und Lokalpolitiker, das Deutschland durch die Pandemie steuern müsste, zeigt sich der Krise nicht gewachsen. Es ist dabei, die Schäden für das Land zu vergrößern.

Merz hat viele Gegner. Sein größter heißt Merz. In dieser Rolle ist er sehr erfolgreich. Oft brachte er sich selbst zu Fall. Je ehrgeiziger seine politischen Pläne, desto grandioser lässt er sie scheitern. Seit mindestens 20 Jahren möchte er Kanzler werden. Es will nicht klappen. Der Grund liegt auf der Hand. Merz ist gar kein Politiker. Damit dieser Sachverhalt deutlich wird, muss man Merz nur machen lassen. Er ist der beste Propagandist seiner mangelnden Eignung. Sie gipfelt darin, dass er sie nicht erkennt.