Am Sonntag steht in NRW eine ungewöhnliche Kommunalwahl an. Ihr Wirkung reicht über die lokalen Grenzen hinaus. Ein Jahr vor der Bundestagswahl wird die Wahl nicht nur darüber Auskunft geben, wie es im einwohnerstärksten Bundesland mit der politischen Stimmung und dem Gewicht der Parteien bestellt ist.
Der Kölner Stadtrat hat beschlossen, die Stimmzettel der Kommunalwahl vom 25. Mai 2014 erneut auszuzählen, weil es Zweifel am Wahlergebnis gibt. Sie sollen ausgeräumt werden, entschied die Mehrheit aus CDU, Grünen, FDP und anderen Parteien. Ob der Beschluss umgesetzt wird, steht jedoch dahin. In der viertgrößten Stadt Deutschlands kommt die Politik zum Stillstand. Der Stadtrat hat nicht mehr das Sagen.
Die CDU löst immer wieder Erstaunen aus. Sie gewann die Kommunalwahl in NRW und bleibt mit deutlichem Vorsprung stärkste Kraft. Die SPD schaffte gerade mal ihr zweitschlechtestes Resultat seit dem Krieg. Doch drei Wochen nach der Wahl ließ CDU-Landeschef Laschet zu, dass sich die Deutung vom Wahlergebnis löste und um die Defizite der Partei in den Großstädten drehte. Plötzlich steht die gesamte CDU als Verliererin da. Wie konnte das nur passieren?
(uh) Die CDU fällt in den Großstädten zurück. Das bestätigen die Kommunalwahlen in NRW und Niedersachsen. Wie erklärt sich die Partei die Verluste? Ihr Generalsekretär Tauber meint, sie müsse sich darum bemühen, das urbane Lebensgefühl besser zu treffen. Da kann man nur sagen: Waidmannsheil. Solange die CDU das urbane Lebensgefühl sucht und treffen will, hat sie ihren Tiefpunkt in den Großstädten wohl noch nicht erreicht.
(uh) Die TV-Wahlberichterstattung leidet unter den Auftritten der Politiker. Das war am Sonntag wieder zu beobachten. Da feierten sich Zweitplatzierte als Sieger, und Stimmverluste wurden als Erfolg beschönigt. Die Politiker versuchen, Sichtweisen zu prägen, oft mit der Absicht, unangenehmen Fakten zu verschleiern. Befreit man sich von der Bevormundung, zeigt die Kommunalwahl in NRW einige interessante Trends.
(uh) Der Kommunalwahlkampf der NRW-SPD steht unter keinem guten Stern. Vor der Bundestagswahl war Ministerpräsidentin Kraft der Star ihrer Partei. Sie verkörperte die Zukunft. Sie überstrahlte die Defizite in NRW. Inzwischen hat Krafts Nimbus gelitten. Sie entsagte der Bundespolitik. Sie brüskierte die SPD-Spitze. Nun rücken in NRW die Probleme ins Licht. Sie werfen die Frage auf: Hat Kraft noch die Kraft, sie zu bändigen?
(uh)Die SPD trägt ihre Kontroversen gerne auf dem Marktplatz aus. Auch profilieren sich manche ihrer Führungsfunktionäre gegen die Partei. Die stellvertretende SPD-Chefin Kraft, hauptberuflich Ministerpräsidentin von NRW, bereichert diese Traditionslinien um eine neue Variante. Kraft zieht über ihre Genossen in der Berliner Parteispitze her – und zwar nach Strich und Faden.
(uh) Parteien brauchen klare Hierarchien. Die Wähler wollen wissen, woran sie sind. Bei der CDU ist seit langem klar, wer das Sagen hat: Merkel. Die SPD schaffte erst nach der Wahl Klarheit. Mit der Zustimmung zur großen Koalition gaben die SPD-Mitglieder ihrem Vorsitzenden Gabriel Rückendeckung. Seine Konkurrentin Hannelore Kraft trat brav zurück ins Glied. Das könnte für sie zum Problem werden.
(uh) Ein starker Antrieb der Politik ist die Zeit. Sie ist in der Lage, Politiker und Parteien zu überholen und zu altem Eisen zu machen. Politiker setzen daher alles daran zu verbergen, dass ihre Politik dem Zahn der Zeit ausgesetzt ist oder ihm schon zum Opfer fiel. Dieses Bemühen lässt sich in Deutschland derzeit besonders gut im SPD-geführten NRW studieren. Dort will die SPD ihre Hochburg Ruhrgebiet politisch aufwerten.
(uh) In der NRW-CDU hat sich vier Monate nach dem Rücktritt ihres Vorsitzenden Röttgen die Führungsfrage geklärt: Die Partei will in den nächsten Jahren ohne Führung agieren. Das Loch an der Spitze wird mit Armin Laschet (Parteivorsitz) und Karl-Josef Laumann (Fraktionsvorsitz) nur notdürftig gestopft. Es handelt sich um ein Provisorium.