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Große Koalition

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Vor der Hessenwahl überschlagen sich die Spekulationen über deren Ausgang und dessen Auswirkungen auf die Bundespolitik. Die Medien und die Parteien scheinen im Fieberrausch. Fast alles scheint möglich und auch wieder nicht. In den letzten Tagen vor der Wahl schüren die Parteien die Spekulationen, um die Wähler für sich einzunehmen und die Anhänger der Konkurrenten zu demotivieren.

Seit drei Jahren tragen Merkel (CDU) und Seehofer (CSU) öffentlich einen Machtkampf aus. Er begann auf dem Höhepunkt der Zuwanderung im Herbst 2015. Mit der Bayern- und der Hessenwahl steuert er seinem Ende zu. Seine Folgen werden die Amtszeiten der beiden Politiker überdauern. Ihr Konflikt schwächte die Union, zog auch ihren Koalitionspartner SPD in seinen Sog und überlagerte die Strukturprobleme der Republik. Union und SPD spüren die Konsequenzen. Viele Wähler wenden sich ab.

Wieder einmal wird vorausgesagt, dass Merkels Laufbahn bald ende – zum 216. Mal. Alle Beobachter sind sich einig: Ihre Macht schmilzt. Die Unionsfraktion hat ihren langjährigen Chef Kauder abgewählt und durch den Abgeordneten Brinkhaus ersetzt. Dieser Wechsel gilt als größte Niederlage der Kanzlerin. Sie hat sich für Kauder starkgemacht. Seine Abwahl fällt auf sie zurück.

CSU-Chef Seehofer ist am Ende. Belegen muss man die Feststellung nicht. Man muss nur eine TV-Nachrichtensendung einschalten. Da sieht man, wie er zeitweise neben sich steht. Den schwierigen Aufgaben, die sich ihm als Parteichef, Koalitionspartner und Minister stellen, wird er nicht mehr gerecht. Er hat aus seinem Lebenswerk einen Scherbenhaufen gemacht.

Seit der Bundestagswahl haben die Bürger viele politische Zumutungen erlebt. Sechs Monate hat es gedauert, bis sich die Parteien bequemten, die Konsequenzen aus dem Wahlergebnis zu ziehen und eine mehrheitsfähige Bundesregierung auf die Beine zu stellen.

Deutschland kann aufatmen. Die SPD ist zur Besinnung gekommen. Als ihre Führung vor fünf Monaten in der Wahlnacht die große Koalition aufkündigte, glaubte sie, die Mitglieder stünden hinter ihr. Ein Irrtum. Die Parteispitzen hatten den Bezug zur Basis verloren. Die Mitglieder verschafften mit ihrem Votum für die große Koalition der SPD-Führung Klarheit über die Meinungslage in der Partei. Sie ersparten sich die Neuwahl und ihrer Partei vorerst den Absturz auf den nächsten Tiefpunkt.

Seit Merkel CDU-Chefin ist, wollen die Konservativen den Kurs der Partei bestimmen. Erfolgreich waren sie nicht. Nun versuchten sie, die schwierige Suche nach einer neuen Regierung zum Aufstand gegen Merkel zu nutzen. Es beteiligten sich junge Leute, die nach vorne drängen, Merkels alte Konkurrenten, die ihr nicht gewachsen waren, und Konservative, die sich über die Koalitionskompromisse mit der SPD an den Rand gedrängt fühlen. Weit kamen die Widerständler auch diesmal nicht. Merkel packt sie in Watte.

Für die SPD kommt es knüppeldick. Vor fünf Monaten erzielte sie ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis. Es zeugt vom Niedergang der Partei. Seiher hat sich ihr Verfall noch stärker beschleunigt. Er zeigt sich an vielen Stellen. Er schlägt sich auch in den Umfragen nieder. Sie sind so schlecht wie nie zuvor. Die SPD erlebt sich unsinnig. Sie gewinnt gerade viele Mitglieder und verkümmert doch zur Kleinpartei.

Seit die SPD Martin Schulz einstimmig zu ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten machte, war er für sie eine Belastung. Er schaffte es nicht, sein 100-Prozent-Ergebnis in Wählervertrauen umzumünzen. Er hat die größte Niederlage der Partei verschuldet. Seit der Wahl erwies er sich als strategischer Geisterfahrer: Am Wahlabend führte er die SPD in die Opposition, drei Monate später in Koalitionsverhandlungen.

Die SPD ist auf Rekordjagd. In Baden-Württemberg steht sie gleichauf mit der AfD – bei 12 Prozent. Im Bund ist sie auf 18 Prozent abgerutscht. Dort sind es nur noch vier Punkte bis zur AfD. Seit die SPD nach der Bundestagswahl die große Koalition kündigte, statt sie zu schließen, verlor sie zehn Prozent ihrer Substanz. Hätte sie den Mut, in den Spiegel zu schauen, würde sie erschrecken.