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Zuwanderung

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Die Zuwanderer zwangen Europa, die Augen zu öffnen. Der Kontinent sah entsetzt, dass er von den Kriegen und Krisen in Afrika und im Orient nicht unberührt bleibt. Diese Einsicht führte auch in Deutschland zu zwei gegensätzlichen Reaktionen, die in der Union spektakulär zutage treten. Die CSU bietet an, sich hinter Seehofers Das-ist-nicht-zu-schaffen zu scharen. die CDU, sich hinter Merkels Wir-schaffen-das zu versammeln. Welche Position wird sich durchsetzen?

Seit acht Jahren ist Seehofer CSU-Chef und Ministerpräsident. Sieben Jahre lang hörte man von ihm fast nichts. Die CSU machte Schlagzeilen vor allem, weil einige ihrer Minister unrühmlich das Bundeskabinett verlassen mussten. Doch seit im Sommer 2015 die Flüchtlingszahlen anzogen, hat Seehofer das Rollenfach gewechselt. Der Schweiger erhob sich zum Terminator. Er lässt seinem Zerstörungsdrang freien Lauf. Die Union lässt ihn laufen. In zehn Monaten gelang ihm, was die SPD in zehn Jahren nicht schaffte: Er demolierte die CDU und ihre Vorsitzende, Bundeskanzlerin Merkel.

Je näher die Bundestagswahl rückt, desto labiler wird Große Koalition. Über die Zuwanderung gerieten CDU und CSU aneinander. CSU-Chef Seehofer will das Zentrum der Union nach rechts verschieben. Über den Konflikt mit ihm sank Merkels Ansehen. Die SPD, die von immer schlechteren Umfragewerten gebeutelt ist, wittert die Chance, den Nimbus der Kanzlerin, die lange als unschlagbar galt, weiter zu beschädigen.

Man muss nicht jede Facette im Streit zwischen Seehofer und Merkel über die Flüchtlingspolitik für bare Münze nehmen. Die Schwesterparteien CDU und CSU haben jahrzehntelange Übung darin, ihre Differenzen auch als strategisches Rollenspiel zu inszenieren. Den beiden Parteien bietet die Bundestagswahl 2017 Anlass genug, sich auf diese Erfahrung zu besinnen und sie zu nutzen.

Die administrativen Probleme mit der Zuwanderung sind ein Skandal, die schleppende Lösung ebenso. Auch die Art und Weise, wie Politiker über die Probleme und ihre Lösung diskutieren, ist dazu angetan, die Bürger vor den Kopf zu stoßen. Der jüngsten Versuch, die Leute für dumm zu verkaufen, unternimmt der Grünen-Fraktionschef Hofreiter.

Noch sitzt die AfD nicht im Bundestag, doch längst arbeiten dort Kräfte an deren Ziel, Bundeskanzlerin Merkel zu stürzen. Die CSU nimmt der AfD die Arbeit ab: Führende CSU-Funktionäre haben sich daran gemacht, Merkel aus dem Amt zu mobben. Von Woche zu Woche verstärken sie ihre Angriffe. Doch die Erfolgsaussichten schwinden. Statt Merkel geraten ihre Gegner unter Druck.

Der Wahlerfolg der AfD gilt als überraschend groß. Sie verdankt ihn früheren Wählern anderer Parteien und bisherigen Nichtwählern. Sie alle lehnen die Zuwanderung ab. Sie alle wollten Kanzlerin Merkel, die Bundesregierung und die Große Koalition zum Kurswechsel zwingen. Bei Licht besehen hält sich der AfD-Erfolg in engen Grenzen.

Nach seinem absehbaren Rückzug aus der Politik wird man Horst Seehofer drei Erfolge zuschreiben: Er hat die Kanzlerin geschwächt, die AfD gestärkt und sich selbst demontiert. Die beiden ersten Erfolge hat er längst erreicht. An seiner Demontage arbeitet er noch.