Am vergangenen Wochenende informierten die Zeitungsverleger und der WDR ihre Kunden in NRW zeitgleich mit zwei Umfragen über die politische Lage in diesem Bundesland. Beide Umfragen bezogen sich zu einem großen Teil auf die gleichen Sachverhalte. Beide stimmten in der Tendenz überein. Wäre da nicht eine Umfrage genug? Wer das meint, ist auf dem Holzweg.

Einige Unterschiede

Der WDR wird von Gebühren auch jener Wähler finanziert, die ihn gar nicht nutzen. Die Sendeanstalt, die sich derzeit wieder höhere Gebühren wünscht, beauftragte wie schon öfter das Institut Infratest. Die Verleger bestellten wie mehrfach zuvor ihre Umfrage bei Forsa.

Was die Verleger mit ihrem Geld tun, ist ihre Sache. Sie bezahlen die Umfrage aus ihren Gewinnen. Der WDR bezahlt seine Umfrage aus Gebühren, die den Bürgern unvermeidbar abverlangt werden. Auch wer am Finanzgebaren und an der Programmqualität des WDR keinen Anstoß nimmt, könnte sich fragen: Warum spart sich die Sendeanstalt, die behauptet, klamm zu sein, ihre Umfrage nicht? 

Beim Vergleich der beiden Auftragsprodukte fallen etliche Gemeinsamkeiten auf. Sie sprechen dafür, dass eine Umfrage genügen könnte. Bei einem genaueren Blick auf die Ergebnisse fallen dann doch einige Unterschiede auf, die jeder Umfrage ein eigenes Gewicht verleihen. 

Große Differenzen

In der Umfrage der Verleger schneiden bei der Sonntagsfrage alle Parteien schwächer ab als in der Umfrage des WDR. Es gibt zwei Ausnahmen: die CDU und die Linke. Die Umfrage der Verleger ermittelte für die CDU 37 Prozent. Die WDR-Umfrage sieht die Partei dagegen nur bei 32 Prozent. 

Dass es bei fast zeitgleichen Umfragen zum gleichen Sachverhalt unterschiedliche Ergebnisse gibt, ist nicht ungewöhnlich. Doch dass die Differenz mit 5 Prozentpunkten ziemlich groß ist, verwundert schon. Was soll der Wähler mit dem beträchtlichen Unterschied anfangen? Welcher Umfrage soll er glauben?    

Für die Linke fanden beide Umfragen das gleiche Ergebnis. Die Partei landet mit 3 Prozent deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Alle anderen Parteien werden mit nur geringen Abweichungen von Infratest (WDR) besser bewertet als von Forsa (Verleger). Die SPD wird mit 22:21 bewertet, die Grünen mit 16:14, die FDP mit 6:5 und die AfD mit 15:13.

Verursacher des Wähler-Frusts

Beide Umfragen kommen zu dem Ergebnis: Eine knappe Mehrheit der NRW-Wähler ist mit der schwarz-grünen Landesregierung unzufrieden. Auch bei dieser Frage liegen die Werte dicht beieinander. Die Umfrage der Verleger ermittelte 54 Prozent Unzufriedene, die Umfrage des WDR 55 Prozent. 

Die Verleger-Umfrage wollte sogar wissen, welchen Koalitionspartner die Befragten vorwiegend für die Unzufriedenheit mit der Landesregierung verantwortlich machen. Das Ergebnis: Es sind die Grünen. 65 Prozent bemängeln ihre Arbeit. Die WDR-Umfrage bietet zu diesem Punkt keine Vergleichszahl.

Die WDR-Umfrage teilt auch nicht mit, weshalb die Grünen gegenüber der letzten WDR-Umfrage im Oktober 2022 um 6 Prozentpunkte schwächer geworden sind. Die Umfrage der Sendeanstalt verzichtet auch auf die naheliegende Frage, wie die Befragten das ursprüngliche Heizkonzept des grünen Bundeswirtschaftsministers Habeck beurteilen, das auch im Sendegebiet des WDR viele Menschen auf die Palme brachte.

Ein klares Meinungsbild

Die Verleger-Umfrage wollte dagegen wissen, wie viele Menschen in NRW Habeck mit seinem ursprünglichen Heizungskonzept verärgert hat. Forsa stieß auf ein klares Meinungsbild. Mehr als zwei Drittel, 70 Prozent der Befragten, lehnten Habecks Plan ab. Dass der Politiker die Menschen finanziell überfordere, meinen sogar 85 Prozent.

Beide Umfragen liegen auch weit auseinander, wenn es um die Zufriedenheit mit den Kabinettsmitgliedern geht. Nach der Verleger-Umfrage sind 50 Prozent mit der Arbeit von CDU-Ministerpräsident Wüst zufrieden. Die Umfrage betont, er stehe besser da als die Landesregierung. Nach der WDR-Umfrage sind nur 45 Prozent mit Wüst zufrieden. Diese Umfrage betont, Wüst büße seit einiger Zeit an Zuspruch ein.

Dass beide Umfragen zu Wüst um fünf Prozentpunkte voneinander abweichen, ist bemerkenswert. Noch größter wird die Differenz zwischen den Umfragen, wenn nach der Zufriedenheit mit den einzelnen Ministern gefragt wird. CDU-Innenminister Reul kommt bei der Verleger-Umfrage auf 70 Prozent, bei der Umfrage des WDR nur auf 48. Ähnlich groß ist der Unterschied mit 61:41 bei CDU-Arbeitsminister Laumann.

Keine Interessen

In beiden Umfragen führen die CDU-Politiker Reul und Laumann die Hitliste der Zufriedenheit an. Dagegen zeigen sich die Befragten in beiden Umfragen mit der Arbeit der grünen Kabinettsmitglieder überwiegend unzufrieden. Auch in diesem Punkt gehen die Werte in den Umfragen stark auseinander. In der Verleger-Umfrage sind beispielsweise 62 Prozent mit dem grünen Umweltminister Krischer unzufrieden, in der WDR-Umfrage sind es 18.

Umfragen können Stimmungen einfangen und verstärken. Trends in NRW haben bundesweit Gewicht. Sie können Bundestagswahlen entscheiden, weil dieses Land mehr Wahlberechtigte als 14 der 16 Bundesländer Einwohner hat. 13 Millionen können in NRW zur Wahl gehen. Die große Mehrheit wird die beiden Umfragen wohl kaum wahrgenommen haben. Ihr bleibt erspart, was der Minderheit widerfährt, die sich mit beiden Umfragen befasst.

Sie stehen vor der Frage, sich zu entscheiden, welche Umfrage die Realität in NRW am ehesten trifft oder verfehlt. Wer sich nicht entscheiden mag, könnte auf die Idee kommen, dass sich Klarheit mit einer dritten Umfrage schaffen ließe. Sie wäre vielleicht einen Versuch wert. Doch wo findet sich heutzutage ein Finanzier, der mit einer Umfrage keine Interessen verbindet? – Ulrich Horn

3 Comments

  1. Der letzte Satz insinuiert, daß der Auftraggeber einer Umfrage auch eigene Interessen damit verbinde, hier also der WDR oder „die Verleger“. Damit bezweifeln wir ja die Unabhängigkeit der fragenden Institute.
    Dann vergessen wir besser die Ergebnisse der Umfragen und die Institute gleich mit.
    Oder das Problem liegt in der Statistik: wir kennen nicht die Größe der Stichprobe, den Algorithmus der Auswahl, die geschätzte Streuung oder das Vertrauensintervall der Ergebnisse.
    Eine Abweichung von 62 zu 14 oder 70 zu 48% spricht eher für eine zu kleine Stichprobe oder einen großen Unterschied in der Zusammensetzung der Proben.
    Mein Fazit: Umfragen bilden nicht die Wirklichkeit ab sondern geben uns einen Eindruck von den Möglichkeiten. Mehr nicht.

  2. Jürgen Klute Reply

    Im Blick auf Habecks Gebäudeenergiegesetz (GEG) blenden Sie die Rolle der Medien aus. Habeks Gebäudeenergiegesetz ist im Vergleich zu anderen Ländern sehr zurückhaltend und dürfte nur wenige Menschen finanziell überfordern (unter den Hartz-IV-Berechtigten sind bekanntlich nich viele Häusle-BesitzerInnen). M.E. liegt das Problem nicht in diesem dringend nötigen Gesetz, sondern in der Berichterstattung der Medien. Die deutschen Medien wurden regelrecht geflutet von Berichten, die überwiegend die Lesenden, die über wenig Hintergrundwissen verfügen, verunsichern mussten. Mir sind nur zwei Artikel aufgefallen, die korrekt und sachlich dargestellt haben, was das Gesetzt tatsächlich enthält und vorsieht. Wenn mensch Medien in verschiedenen europäischen Ländern verfolgt, dann fällt schon auf, wie kampagnenhaft die Medien in der Bundesrepublik gegen das Gebäudeenergiegesetz geschrieben haben. Den Medien fällt damit aus meiner Sicht eine große Verantwortung für die Konfusionen über das Gebäudenergiegesetz zu und eben weniger dem zuständigen Minister – der, das muss mensch einräumen, offensichtlich auf eine solche Reaktion nicht vorbereitet war und der vielleicht besser auf die überwiegend trashige mediale Berichterstattung und Debatte hätte reagieren können.

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