Beim Aufstieg zur CDU-Spitze hat Laschet bekannte Parteifreunde hinter sich gelassen. Nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl gehen die Unterlegenen nun daran, ihn auszubooten und sich für den CDU-Vorsitz in Stellung zu bringen. Die vier apokalyptischen Reiter Merz, Röttgen, Söder und Spahn verstärken die Schwäche der Union ausgerechnet in dem Moment, in dem eine Koalition gesucht wird, die Deutschland erneuern soll.

Schon wieder in Stellung

Vorneweg reitet Merz. Fast zwei Jahrzehnte lang hat er darauf gewartet, dass der CDU-Vorsitz vakant wurde. Dann trat er bei jeder Gelegenheit an. Bei jeder Gelegenheit scheiterte er.

Anfang des Jahrhunderts scheiterte sein Aufstieg zum CDU-Gipfel, weil Merkel fixer war als er. Als sie den Vorsitz nach 18 Jahren abgab, machte er sich erneut auf den Weg an Spitze. Diesmal musste er sich Kramp-Karrenbauer geschlagen geben.

Nach deren Rücktritt unterlag er auch Laschet. Der CDU-Chef liegt nach der Wahlniederlage am Boden, ist aber noch im Amt. Doch Merz bringt sich schon wieder in Stellung. Er geht als derjenige in die Geschichte der CDU ein, der am häufigsten nach dem Vorsitz griff und ihn verfehlte.

Immer wieder gescheitert

Merz hat nicht die Kraft, erfolgreich zu sein, wohl aber Lust, seine Bezwinger zu beschädigen. Kramp-Karrenbauer scheiterte an der Ost-CDU. Dort hat sich Merz eine Hausmacht aufgebaut. Auch sie setzt Laschet nun unter Druck.

Dass Merz immer wieder antritt, obwohl er immer wieder scheitert, wird in Teilen der Union als Zeichen von Ausdauer gewertet. Ein großer Teil der Bürger hält ihn eher für begriffsstutzig.

Viele Bürger sehen ihn als Wählerinnen-Schreck, andere als Relikt der 50er. Er kann als CDU-Variante des SPD-Vize Kühnert gelten. Der meint, man müsse eine Partei erst richtig klein machen, damit sie wieder wachsen kann.

Im Gespräch halten

Merz hat anderen manches voraus. Eines aber hat er nicht: das Monopol, sich selbst und die CDU lächerlich zu machen. Auf diesem Gebiet herrscht in der Union derzeit ein knochenharter Konkurrenzkampf.

Einer seiner härtesten Wettbewerber ist sein Parteifreund Röttgen. Er ist Experte darin, sich ins Gespräch zu bringen, sich im Gespräch zu halten und dann doch nichts zu werden. Auch er zeigt Ambitionen auf Laschets Posten.

Bei Merkels Wahlsieg 2005 war Röttgen als Chef des Kanzleramtes im Gespräch. Er wurde es nicht. Danach war er als BDI-Geschäftsführer im Gespräch. Er wurde es nicht.

Misserfolge vorzuweisen

Vier Jahre später wurde er doch noch etwas. 2010 errang er gegen Laschet den Vorsitz der NRW-CDU. 2012 war er ihn wieder los. Er hatte den Landesverband bei der NRW-Wahl in den Abgrund geführt.

Als Qualifikation für den CDU-Vorsitz kann Röttgen nicht nur seinen Misserfolg in NRW vorweisen. Merkel entließ ihn als Umweltminister, weil er auch in dieser Funktion ein Ausfall war.

Zum Nachfolger in NRW baute sie Laschet auf. Ihm unterlag Röttgen 2020 bei der Wahl zum CDU-Vorsitz. Nun macht er Anstalten, Laschet zu beerben. Was dieser Wechsel der CDU bringen könnte, bleibt rätselhaft.

Zum Karrieristen entwickelt

Ähnlich verhält es sich mit Spahn. Er ist erst 41, doch als Abgeordneter alt. Seit zwei Jahrzehnten sitzt er im Bundestag. Die Ambitionen überragen die Fähigkeiten. Er hat sich zum opportunistischen Karrieristen entwickelt.

Bis 2018 hatte er außer Schäubles Protektion kaum etwas vorzuweisen. Dann ließ ihn Schäuble fallen. Dennoch kandidierte Spahn für den CDU-Vorsitz. Er scheiterte erwartungsgemäß. Danach lief er zu Laschet über. Inzwischen geht auf Distanz zu ihm.

Dass die CDU Spahns Bewerbung für den CDU-Vorsitz ernst nahm, trug dazu bei, die Zweifel an der Partei zu verstärken. Als Gesundheitsminister mehrte Spahn sie kräftig: Zu Beginn der Pandemie unterschätzte er das Virus.

Offene Türen eingerannt

Beim Kampf gegen Corona beschaffte er den Impfstoff zu spät und in zu kleinen Mengen. Der Start der Impfaktion missriet ihm. Seine Fahrlässigkeit beunruhigte und erzürnte die Rentner. Sie sind die Kernwähler der Union.

Bei der Bundestagswahl liefen sie in Scharen von ihr fort und zur SPD über. Ihr fiel es nicht schwer, Spahn und seine Pandemiepolitik als chaotisch und ineffizient zu attackieren. Bei den Rentnern lief die SPD offene Türen ein.

Je schneller Spahn zum Feindbild der Impfwilligen und Impfgegner wurde, desto stärker verlegte er sich darauf, mit Presseerklärungen Politik zu machen. Das Management seiner medialen Präsenz dominierte das Management von Sachfragen.

Zum Karrieresprungbrett verkommen

Spahn meint, der CDU wäre geholfen, wenn jüngere Leute an die Parteispitze träten. Er meint sich. Er offenbart ein Kernproblem der CDU. Ihre Wortführer haben den Blick für ihre eigene Lage und die der Wähler verloren.

Das Medikament, das Spahn der CDU empfiehlt, heilt nicht ihr Siechtum, sondern verursacht und verschlimmert es. Der CDU-Nachwuchs ist platt, die Junge Union ist zum Karrieresprungbrett ihrer Funktionäre in die Wirtschaft verkommen.

Der Jungen Union fehlt der Kontakt zu den Problemen der Jugend. Sie verehrt und stützt CDU-Politiker, die ihre Zeit hinter sich haben. Sie wiederum glauben, sie hätten die Jugend hinter sich, wenn ihnen auf JU-Parteitagen Delegierte zujubeln. Die Partei saniert permanent die Steine, mit denen sie sich vor langer Zeit einmauerte.

Die Erneuerung vertreten

Viele politisch interessierte junge Leute in der Republik gehen offenbar davon aus, dass die junge Union inhaltlich ausgelaugt, ideologisch verkrustet, kulturell engstirnig und politisch uninspiriert aufgestellt ist.

JU-Chef Kuban erinnert bei seinen Auftritten eher an den Senior einer schlagenden Verbindung als an den Sprecher einer politischen Jugendorganisation. Während die Jugend mit Corona und gegen den Klimawandel kämpft, kauft Spahn, der dem JU-Alter noch nahe ist und die Parteispitze verjüngen will, in Berlin eine Millionen-Villa und kämpft gegen Berichte über den hohen Kaufpreis.

Bei der Bundestagswahl wählten viele junge Leute FDP und Grüne, gerade jene Parteien, die für sie die inhaltliche und kulturelle Erneuerung des Landes glaubwürdig vertreten und von denen sie annehmen, sie würden die Modernisierung in Gang setzen können.

Die Attacken teuer bezahlt

Abscheulich erscheint der Umgang der Union mit ihren Führungsspitzen. 2018 wollten die CSU-Politiker Söder und Seehofer Merkel stürzen. Sie attackierten die Kanzlerin heftig und scheuten sich nicht, sie niederträchtig anzugehen.

Viele Wähler nahmen es ihnen übel und zahlten es ihnen heim. Sie kehrten der CSU den Rücken, nahmen ihr die absolute Mehrheit, liefen zu den Grünen über und machten sie stark. Söders und Seehofers Attacken, die als unanständig niederträchtig empfunden wurden, kamen die CSU teuer zu stehen.

Dass Laschet viele Fehler gemacht hat, steht außer Frage. Er hat sie eingestanden und sich entschuldigt. Er brauchte für diesen Schritt zwei Tage. Söder brauchte zwei Jahre, ehe er sich bei Merkel entschuldigte.

Die Sitten verdorben

Aus seinem Fehler von 2018 hat Söder nichts gelernt. Im Frühjahr 2021 begann er wieder, niederträchtig zu agieren. Sein Opfer hieß diesmal nicht Merkel, sondern Laschet. Söder brach das Versprechen, das er ihm gab.

Er hatte öffentlich zugesichert, Laschets Kanzlerkandidatur zu akzeptieren und ihn zu unterstützen. Zwei Tage später brach er sein Wort. Diesmal zeigten sich viele Wähler von ihrer miesen Seite. Sie applaudierten Söder.

Söder verdirbt nicht nur die Sitten in der Politik. Er schadet auch dem Umgang der Menschen im politikfernen Alltag. Erziehen diejenigen, die ihm Beifall zollen, ihre Kinder tatsächlich zum Wortbruch?

Kinkerlitzchen aufgeblasen

Beifall bekommt Söder auch aus der christlichen Union. Sie ist drauf und dran, der katholischen Kirche zu folgen. Sie verlor Ansehen und Mitglieder, weil sie zuließ, dass in ihren Reihen Niedertracht um sich griff und der Anstand schwand.

In den Medien spielt kaum eine Rolle, dass der Anstand in der Union auf dem Rückzug ist, obwohl diese Entwicklung nicht zu übersehen ist. Die Medien haben sich an Laschet festgebissen. Aus Mangel an Fakten werden Kinkerlitzchen aufgeblasen. Aus Mangel an Fakten wird spekuliert und fabuliert. Die politische Berichterstattung nähert sich dem Niveau der bunten Blätter.

Die Berichterstattung über Laschet erinnert an die Hetzjagd gegen den früheren Bundespräsidenten Wulff. Um ihn in den Rücktritt zu treiben, nutzten die Medien sogar das Bobby Car seines Kindes. Dem einen oder anderen Treibjäger schlug später das Gewissen. Er entschuldigte sich bei Wulff und den Lesern. Mit einem solchen Verhalten kann man heute wohl  kaum noch rechnen. – Ulrich Horn


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3 Comments

  1. Anderer Max Reply

    Die Auslegung inhaltlicher Differenzen innerhalb einer Partei ist interessant. Es galt mal das Mantra, dass unterschiedliche Meinungen gut seinen für die Willensbildung innerhalb einer Partei. Nur bei der CXU scheint das nicht zu gelten. Dort wird (inhaltlicher ?) Dissenz als Schwäche ausgelegt, gar als Unanständigkeit. Ein Habeck kann sich einfach hinstellen und sagen: „Ja, wir akzeptieren die wissenscahftsfeindlichen „Alternativ“-Irgendwas Strömungen in der Partei, auch wenn ich da nicht hinter stehe“. Man stelle sich mal vor, Laschet stellt sich hin und sagt „Ja, wir akzeptieren den völkisch-nationalen Flügel innerhalb der Partei, auch wenn ich da nicht hinter stehe.“ Nein, in der CXU kann man ohne Gesichtsverlust nicht mal anerkennen, eine Fülle verschiedener Positionen und Strömungen unter einem Schirm zu vereinen.
    Die CXU kommt mit Dissenz schlicht nicht klar. Sie kann die Außenwahrnehmung nicht von der Innenwahrnehmung trennen, sprich keine gute Mine zum bösen Spiel machen. Das interne Gelästere über Laschet war wohl so intensiv, dass man es nach außen nicht mehr ablegen konnte. Die CXU Parteien sind autoritäre Parteien. Angela Merkel hat das mit ihrem Ministerverschleiß bewiesen.
    Ihre Lesart, wie Röttgen ins EU Parlament weggelobt wurde fand ich da auch unzutreffend. Meine wäre: Röttgen war zu beliebt, trotz Niederlage in NRW. Er war eine echte interne Konkurrenz für Merkel. Er ist auch, obwohl es ihm, wie vielen vor un nach ihm nahegelegt wurde, nicht freiwillig zurückgetreten sondern wurde entlassen. Die ganze „Tür nach Berlin offenhalten war falsch“ Lesart war nur das Feigenblatt, mit dem man sein Abgesägt-werden kaschierte.

    An der Stelle noch mal etwas, was ich in vielen Kommentarbereichen schon gepostet habe: Liebe Parteien und Journalisten, mich interessiert nicht, ob etwas wahlkampftaktisch gut oder schlecht ist. Mich interessiert nicht, ob Merz weg soll, weil er gegen Laschet geschossen hat. Mich interessiert nicht, wer aus welchem Kalkül welchen Machtanspruch annimmt oder ablehnt. Ihr überzeugt mich durch eure tatsächliche inhaltliche Ausrichtung, nicht über das Gerede, welche inhaltliche Ausrichtug für die Partei am sinnvollsten ist. Das Wohlergehen eurer Partei geht mir am Hintern vorbei. Lasst die gesamte Meta-Diskussion doch bitte intern und gebt mir einfach nur Argumente, euch zu wählen, oder eben nicht. Danke.

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