Neuer Parteichef, alte Probleme: Laschet will Merkels Kurs fortsetzen. Der rechte Parteiflügel mit Merz und Schäuble an der Spitze will ihn nach rechts verschieben. Auf dem jüngsten Parteitag scheiterten die Rechten erneut. Sie haben keine Aussicht auf Erfolg. Dennoch werden sie Laschet wie schon Merkel und Kramp-Karrenbauer das Leben schwer machen. Eines haben die Rechten immerhin geschafft: Zu Beginn des Superwahljahres machten sie jedem klar: Die CDU bleibt zerrissen. Eine Meisterleistung.
Zwei Machtproben verloren
Mit Laschets Wahl ist die Spaltung der CDU nicht behoben. Es ging auf dem Parteitag nicht nur darum, wer der CDU bei der Bundestagswahl im Herbst die Macht sichern könne. Der Machtkampf um die Parteispitze war die jüngste Blähung eines Richtungskampfes, der seit Langem gärt.
Dass die Rechten sie auf dem Parteitag entluden, war überflüssig. Entschieden wurde der Konflikt schon vor zwei Jahren – mit Kramp-Karrenbauers Wahl zur CDU-Vorsitzenden und der Niederlage von Merz. Doch er, sein Förderer Schäuble und die CDU-Rechten akzeptierten ihre Niederlage nicht. Sie legten es auf eine weitere Machtprobe an. Sie fiel wie die vorangegangene aus.
Auch die neue Niederlage verdanken die Rechten ihrer Weigerung, die Realität zu akzeptieren. Sie möchten ihren Standort rechts der Mitte zum Zentrum der Partei machen. Die Mehrheit der CDU-Funktionäre aber will den Kurs der Mitte fortsetzen. Über ihn wurde die Union zur stärksten Kraft. Er verschafft ihr die Regierungsmacht, viele Mandate und großen Einfluss.
In der Partei opponiert
Seit Jahrzehnten versucht der rechte Flügel, den Kurs der Partei zu ändern. Nach dem Ende der Ära Kohl schien er dem Ziel nahe. Als die Partei 1998 in die Opposition musste, gewannen die Rechten für kurze Zeit die Oberhand. Ihr Hoffnungsträger Schäuble wurde Chef der Bundestagsfraktion und der Partei.
Vorgänger Kohl hatte seine Macht in der CDU über illegale Kassen abgesichert. Schäuble hatte ähnliche Probleme. Die CDU drohte im Sumpf des schmierigen Spendenskandals zu versinken. 2000 musste Schäuble abtreten. Merkel übernahm die Partei, Schäubles Zögling Merz die Unionsfraktion.
Zwei Jahre später ließ ihn die CSU fallen. Wie Schäuble musste auch Merz seinen Platz für Merkel räumen. Sie wurde 2005 Kanzlerin. Das Wahlprogramm, das der rechte Flügel prägte, hätte sie fast den Wahlsieg gekostet. Merkel zog Konsequenzen. Sie steuerte die CDU auf den Kurs der Mitte. Seither tritt die CDU-Rechte in ihrer Partei als Opposition auf.
Bei Wahlen stark eingebüßt
Bei ihrem Antritt als Kanzlerin zollte Merkel dem Gewicht des rechten Flügels durchaus Tribut. Sie rehabilitierte Schäuble, der sich nachhaltig diskreditiert hatte. Sie machte ihn zum Innen- und 2009 zum Finanzminister. Sein Zögling Merz schaute in die Röhre. Er verließ 2009 den Bundestag und machte seine politischen Kontakte im Dienst der Wirtschaft zu Geld.
Die Rechten nahmen Merkels Kurs unter ständig zunehmende Dauerkritik. Sie wurde bedrohlich, als sich die CSU mit dem rechten CDU-Flügel verband und dessen Durchschlagskraft verstärkte. Die Gegensätze in der Union traten offen zutage, als die AfD auftauchte. Die CSU näherte sich deren Themen an, um ihr das Wasser abzugraben. Merkel lehnte es ab, der AfD nachzulaufen, und bestand darauf, sich von ihr abzugrenzen.
Der Richtungskampf verschärfte sich seit der großen Zuwanderung 2015 dramatisch. 2018 wollte die CSU Merkel stürzen. Der Coup scheiterte, weil viele Unionswähler über die Angriffe aus der Union gegen Merkel empört waren und bei der Bayern- und der Hessen-Wahl zu den Grünen überliefen. Sie legten stark zu. Die CDU büßte in Hessen stark ein. Die CSU verlor in Bayern die absolute Mehrheit.
Das eigene Lager gespalten
Trotz aller Angriffe behielt Merkel die Fäden in der Hand. Sie trat zwar als CDU-Chefin zurück, blieb aber im Kanzleramt. Als Nachfolgerin hatte sie Kramp-Karrenbauer aufgebaut. Sie setzte sich bei der Wahl zum CDU-Vorsitz gegen Merz und Spahn durch.
Der Sieg gelang, weil Schäuble ein Regiefehler unterlief. Er hatte Spahn als Exponenten des rechten Flügels aufgebaut, ließ ihn aber fallen, weil er ihm nicht zutraute, die Mehrheit zu gewinnen. Schäuble reaktivierte Merz. Dieser Schachzug erwies sich als Missgriff. Er spaltete das Lager der Konservativen und verhalf Kramp-Karrenbauer zur Mehrheit.
Mit deren Wahl fanden sich Merz und der rechte Flügel nicht ab. Sie wollten Schäubles Fehler korrigieren. Sie ließen Kramp-Karrenbauer in den neuen Ländern auflaufen. Entnervt warf sie das Handtuch. Merz unternahm einen zweiten Anlauf, die Parteispitze zu erklimmen. Auch er scheiterte, diesmal an Laschet.
Zum Sieg verholfen
Die Mehrheit in der Partei hofft, dass er die CDU befrieden, sie auf die Herausforderungen der Zukunft ausrichten und ihr helfen kann, die Wahlen zu gewinnen. Die Mehrheit weiß: Gibt sie den CDU-Rechten nach und den Kurs der Mitte auf, wird die Union wie die SPD schrumpfen – nur viel schneller.
Der Parteitag wies die CDU-Rechten in die Schranken. Laschets Gegenkandidaten Merz und Röttgen stellten sich als Postenjäger bloß. Für beide war die Kandidatur zum Parteivorsitz nur ein Vorwand.
Röttgen konnte nicht damit rechnen, genügend Stimmen zu bekommen, um CDU-Chef zu werden. Er will ins nächste Bundeskabinett. Er sagte Laschet Unterstützung zu. Die meisten Delegierten, die im ersten Wahlgang für Röttgen stimmten, hatten im zweiten für Laschet votiert. Röttgen kann beanspruchen, dass seine Wähler Laschet zum Sieg verhalfen.
In Rage geraten
Merz entzauberte sich mit der zweiten Niederlage im zweiten Anlauf. Wieder erwies er sich als schlechter Verlierer. Er versagte Laschet die Unterstützung. Erst als sich Unmut breitmachte, sagte er sie zu. Obwohl er CDU-Chef werden wollte, lehnte er mehrfach ab, in der Partei mitzuarbeiten. Er wollte den Vorsitz nur dazu nutzen, sich den Weg ins Kanzleramt zu bahnen.
Mit der Kandidatur und seiner Reaktion auf die Niederlage schadete er sich und der CDU. In seiner Bewerbungsrede postulierte er, die Partei sei nicht dazu da, Karrierewünsche zu erfüllen. Kaum hatten die Delegierten seinen ersten Karrierewunsch platzen lassen, präsentierte er der Partei den zweiten: Laschet solle ihn in Merkels Kabinett unterbringen.
Ein Auftritt, der Wähler abschreckt und viele Mitglieder in Rage brachte. Merz ruderte zurück. Er entschuldigte sich für seine Entgleisung. Er betont, er werde weiterhin politisch tätig sein. Angebote zum Parteiwechsel habe er abgelehnt. Reichlich verspätet forderte dazu auf, Laschet zu unterstützen.
Mit weiteren Attacken zu rechnen
Es scheint, als wolle Merz dem neuen CDU-Chef einen Posten abpressen. Merz ist zur Zumutung geworden. Seine Unverfrorenheit erinnert an Trump, das Verhalten der CDU-Rechten an das der Trump-Fans unter den US-Republikanern.
Beim Blick auf Kramp-Karrenbauers Schicksal fragt sich: Wie lange kann sich Laschet an der CDU-Spitze halten? Der Versuch von Merz, den neuen Parteichef gegen Merkel zu schieben, wirkt dreist und plump. Er ist als Kampfansage zu verstehen. Laschet muss mit weiteren Attacken rechnen.
Bleiben sich Merz und die CDU-Rechte treu, werden sie ihre erneute Niederlage wohl wieder nicht hinnehmen. Solange die Konservativen in der Minderheit sind, leben sie davon zu polarisieren. Wächst ihr Einfluss in der Partei, verliert die CDU Wähler. Ob es der Union guttäte, dem ehemaligen deutschen Statthalter des US-Finanzgiganten BlackRock das Wirtschafts- oder das Finanzministerium anzuvertrauen, ist zu bezweifeln.
Wie ein Manager aufgetreten
Mit seinem Verhalten nach der Wahl lieferte Merz jenen Delegierten, die ihm ihre Stimme verweigerten, die Begründung, warum sie gut daran taten, ihn nicht zu wählen. Er will das, was er nicht kann. Er hat nicht das Zeug, eine Partei zu führen.
Seine Bewerbungsrede war wie die von 2018 schwach. Da sprach kein Parteichef, sondern ein Anwalt, Politikberater oder Manager. Merz referiert politische Positionen, als handele es sich um Unternehmensziele. An der Befindlichkeit einer zerstrittenen Partei, die vor schweren Wahlen steht, ging seine Rede vorbei.
Dass er wie ein Manager auftritt, fasziniert seit jeher viele CDU-Funktionäre des rechten CDU-Flügels. Auch sie neigen dazu, Deutschland als Konzern und die Wähler als dessen Belegschaft zu betrachten, die sich mit Anweisungen des Managements steuern ließe.
Rahmenbedingungen verschlechtert
Laschet hilft, dass sich die Rahmenbedingungen für die CDU-Rechte seit 2018 erheblich verschlechtert haben. Die Zuwanderung verlor an Dramatik. Die AfD wurde rechtsextremistisch und bringt sich immer mehr in Verruf.
Der rechte Flügel schwächelt. Die CSU hat den Raum, den sie ihm einräumte, deutlich verkleinert. Söder versucht, seine Partei breiter aufzustellen und sie auf Merkels Kurs der Mitte auszurichten. Die Umfragen bescheinigen Söder und der CSU Erfolg.
Dass Schäuble Spahn fallen ließ und auf den notorischen Verlierer Merz umschwenkte, der immer, wenn es darauf ankommt, versagt, schwächt die CDU-Rechte zusätzlich. Abträglich ist für sie auch, dass sie die Vorsitzende Kramp-Karrenbauer demontierte. Merz hat sich als Führungskraft disqualifiziert. Schäuble half ihm dabei. Ihre Zeit ist abgelaufen. Der rechte Flügel braucht einen neuen Hoffnungsträger.
Flankenschutz verschafft
Ob die Rechten in der CDU begreifen, dass mit Schäuble und Merz kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist? Nach all den Kapriolen des rechten CDU-Flügels ist Skepsis geboten. Laschet muss damit rechnen, dass er keine Ruhe geben wird.
Schon drängt ihm das rechte Lager Merz mit dem lächerlichen Hinweis auf, viele Mitglieder würden die Union verlassen, wenn Merz aus der Politik ausstiege. Wie viele Wähler die CDU verlöre, wenn Merz eine wichtige Rolle übernähme, fragt der rechte Flügel nicht.
Fast zwei Jahrzehnte profitierte die CDU davon, dass Merz keine Rolle spielte. Seit zwei Jahren fordert er die Führungsrolle. Über diesen Anspruch verlor die CDU eine Vorsitzende. Der Verlust lässt sich leicht steigern. Sollte Merz größeren Einfluss in der CDU gewinnen, wird die Union noch mehr Wähler an die Grünen verlieren. Seit sie sich bürgerlich aufführen, fiele vielen der Zukunft zugewandten CDU-Wählern der Abschied von der Union nicht mehr schwer.
Die zweite Geige gespielt
Leichtes Spiel wie mit Kramp-Karrenbauer wird die CDU-Rechte mit Laschet nicht haben. Er hat sich mit Spahn und Söder Flankenschutz verschafft. Söder und Laschet wissen, dass sie sich brauchen, wenn die Union erfolgreich bleiben will.
Söder muss die CSU nahe an die 50 Prozent-Marke bringen. Laschet muss die CDU einen und in NRW stärken. Nur wenn beide gut zusammenarbeiten, kann die Union die Position behaupten, die ihr Merkel trotz aller Querschüsse der CDU-Rechten in zwei Jahrzehnten verschafft hat.
Schäuble blieb all die Jahre nichts anderes übrig, als die zweite Geige zu spielen. Die Misstöne nehmen zu. Trotz seines hohen Alters tritt er noch einmal zur Bundestagswahl an. Er muss es wohl tun. Der CDU-Rechten fehlt für ihn ein jüngerer Ersatz. – Ulrich Horn
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4 Comments
Brilliante Analyse. Chapeau!
Ich muss sagen, dass mich seit einiger Zeit das Gewürge der Parteipolitik in der Zeitung und im Fernsehen nicht mehr tangiert. Alles, was wichtig ist, lese ich kompakt und kompetent hier. Da kann ich mich dem „Chapeau“ von Roland Appel nur anschließen.
In den USA macht man sich darüber lustig, wenn linke Journalisten der Republikanischen Partei erzählen wollen, was gut für sie ist. In der BRD kann man das wohl noch bringen.
Nach allem, was „man“ von „linken“ und „rechten“ Journalisten in den USA so liest, hört und sieht, hat sich die Republikanische Partei dort so sehr lustig gemacht, dass sie sich inzwischen kaputtgelacht hat.