Ein Rechtsextremist steht im Verdacht, den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ermordet zu haben. Das Verbrechen haben Rechtsextremisten seit Langem angedroht. Aufgeklärt ist es noch nicht. Es ist nicht nur der Täter zu ermitteln.
Keine guten Erfahrungen
Untersucht werden muss auch, warum das Verbrechen geschehen konnte, obwohl es angekündigt war, warum Lübcke nicht geschützt wurde, in welchen Umfang Rechtsextremisten Terror verbreiten, ihre Gegner einschüchtern, mundtot machen und sogar umbringen wollen.
Die Hoffnung ist nicht besonders groß, dass die Justiz und die Schutz- und Sicherheitsbehörden umfassenden Aufschluss schaffen, dass sie das Treiben der Rechtsextremisten entschlossen eindämmern und ihm womöglich sogar ein Ende setzen.
Die Erfahrungen mit den Sicherheitsbehörden und ihrer politischen Aufsicht sind nicht besonders gut. Es ist schon nicht gelungen, ihr Versagen bei den Ermittlungen zu den NSU-Verbrechen und zum Amri-Anschlag hinreichend aufzuklären, zu sanktionieren und Konsequenzen aus ihm zu ziehen.
Mangel an Um- und Vorsicht
Erkennbar ist, dass Teile der Sicherheitsbehörden die Rechtsextremisten unterschätzen und verharmlosen. Offenbar ist auch, dass sich in den Sicherheitsbehörden Rechtsradikale, wenn nicht sogar Rechtsextremisten, ziemlich breitgemacht haben. (hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier).
Es mangelt in den Behörden und bei den für sie politisch Verantwortlichen offensichtlich an Vorsicht und Umsicht. Es funktionieren offenbar auch die Aufsicht und die Kontrolle innerhalb der Sicherheitsbehörden nicht ausreichend.
Festzuhalten ist auch: Deutschland hat nicht nur ein Problem mit Rechtsextremisten, sondern auch mit seinen zahlreichen Innenpolitikern im Bund und in den Ländern. Sie treten kaum als deren Kontrolleure, sondern eher als deren Sprachrohr auf. Schon oft zeigte sich, dass die Dinge an ihnen vorbeilaufen.
Lange den Mund gehalten
Sie ließen zu, dass die Integration der DDR in die BRD ein Fehlschlag wurde und selbst 30 Jahre nach der Einheit als solcher zu erkennen ist. Sie ließen zu, dass sich kriminelle Clans und Rockerbanden weitgehend unbehindert ausbreiten konnten und heute ganze Stadtviertel beherrschen. Viele Innenpolitiker schauten nicht einmal zu. Sie schauten weg.
Obwohl seit 2010 immer mehr Zuwanderer kamen, brachten es die Innenpolitiker über viele Jahre nicht fertig, die Behörden auf die zunehmende Zuwanderung vorzubereiten und angemessen auszustatten. Die Folge war das Verwaltungschaos 2015/2016. Es verschaffte den Rechtsextremisten und Rechtsradikalen einen kräftigen Aufschwung.
Der CDU-Politiker Merz hat in den vergangenen Jahren zu all diesen Problemen den Mund gehalten. Nun, da er Bundeskanzler werden will, reißt er ihn auf. Er warnt vor Rechtsradikalen, die dabei seien, die Polizei und die Bundeswehr zu unterwandern.
Nichts gemerkt
Merz nutzt das Thema für seine Karriereplanung. Die Einlassungen des potenziellen CDU-Kanzlerkandidaten ist als eine Ohrfeige für alle Innenpolitiker inner- und außerhalb der Union zu verstehen..
Ihnen droht offenbar auch der Kampf gegen den Rechtsextremismus und die Diskussion über ihn zu entgleiten. Ob ihnen das bewusst ist, kann man bezweifeln. Sollte es ihnen bewusst werden, darf man gespannt sein, wie sie reagieren werden.
Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Bosbach gibt Merz recht. Bosbach war viele Jahre lang führender Innenpolitiker der CDU. Er ist mitverantwortlich für die Missstände, die Merz heute sehr medienwirksam kritisiert. Offenbar hat Bosbach gar nicht gemerkt, dass Merz auch ihn abgewatscht hat. Typisch für Innenpolitiker, kann man da nur sagen. – Ulrich Horn
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4 Comments
Furchtbar wahr.
Seit 2000 haben Rechtsextremisten, als deren parlamentarischer Arm sich die AfD versteht, mindestens 169 politische und rassistische Morde verübt. Im gleichen Zeitraum gab es zwei Morde mit linkem Hintergrund. Auch dies sind zwei zuviel. Aber die sogenannten Sicherheitsbehörden und die Minister, die sich zu ihren Sprachrohren aufschwingen, setzen impertinent Rechts- und Linksextremismus gleich. Sie inszenieren und provozieren Konflikte wie zuletzt bei den G 20 Demonstrationen im Hamburg oder zeichnen Zerrbilder von Terrorismus bei „Ende Gelände“ und „interventionistischen Linken“ in Hambach. Sie übersehen massenhafte Zusammenrottungen bei Rechtskonzerten in Ost- und Westdeutschland, den Handel mit Nazisysmbolen das Zeigen von Hitlergruß, unterlassen die Verfolgung von Volksverhetzungen, stellen Verfahren von Rassisten ein – von den Vertuschungen im NSU-Verfahren ganz zu schweigen. Wenn sich nun Funktionäre der Polizeigewerkschaft über angebliches „Verfolgungsversagen“ mokieren und Merz das instrumentalisiert, ist das billigster Zynismus, Ablenkung und Rechtfertigung rechtsextremer Tendenzen in Polizei und Armee. Dass es in Hessen 38 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte gibt, die eine türkische Anwältin bedrohten, ist nur die Spitze des Eisbergs. Bisher übrigens ohne Ergebnis. Wie hoch muss wohl die Dunkelziffer solcher Delikte sein?
Gerhart Baum war der letzte Innenminister, der die Sicherheitsbehörden auch kontrolliert hat. Danach haben alle anderen – von Ede Zimmermann über Otto Schily bis zu Horst Seehofer rechte Politik gemacht und rechte Ideologie bedient. Und auf dem rechten Auge blind agiert bis hin zur Vernichtung der NSU-Akten beim BfV in Köln. Daraus entspringt die Mitverantwortung der Innenpolitiker für jeden einzelnen der 169 rechtsextremen und rassistischen Morde.
Fragt sich doch aber auch, warum und weshalb rechte Umtriebe überhaupt aufkommen? Vielleicht sollte man nicht, wie in der Politik aber leider meist üblich, lediglich an den Symptomen herumdoktern und nun wieder zum x-ten Male den „Kampf gegen Rechts“ ausrufen – samt aktueller Verteufelung der AfD, was diese nur stärken wird -, sondern sich endlich auf die Suche machen nach den eigentlichen Problemursachen.
Statt sich der Realität zu stellen, wird auch in diesen Fällen gern an den Zahlen herumkritisiert. Ich möchte fast wetten, dass es auch nach den letzten Veröffentlichungen wieder Blogs und andere Medien gibt, die sich daran abarbeiten, die Korrektheit und letztlich den Wahrheitsgehalt der Angaben zu bezweifeln. Im Artikel werden die Gründe für diese Tendenz zwar nicht vollständig deutlich, aber man kann so eine Ahnung bekommen. Denn wichtiger als die Feststellung, dass Innenpolitiker aller Parteien versagen, ist doch die Frage, weshalb das überhaupt so ist. Natürlich glaube ich nicht, dass damit eine politische Absicht verfolgt wird. Oder wenn, nur insofern, als man die eigene Fehlleistung verstecken möchte. Wohin dieses Verhalten aber führt, hat Herr Horn zutreffend beschrieben. Dank auch an Roland Appel, der die Sachlage ebenfalls ausleuchtet.