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Oktober 2017

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Bei der Bundestagswahl wurden Union und SPD gestutzt. Sie schrumpften jeweils um ein Fünftel. Der Verlust vieler Mandate hat Folgen. In beiden Lagern brach Richtungsstreit aus. In der SPD wird der Ruck nach links verlangt, in der Union der Ruck nach rechts. In beiden Gruppierungen wächst der Wunsch, die Mitte zu räumen. Der Richtungsstreit belegt den Vorwurf: Union und SPD sind mehr mit ihren Problemen beschäftigt als mit den Sorgen der Bürger.

Wer sich für eine Aufgabe bewerben will, bereitet sich vor. Anders die SPD. Sie lief zur Bundestagswahl untrainiert auf. Ihren Kanzlerkandidaten Schulz zog sie erst kurz vor dem Wahlkampf aus dem Hut. Bis fünf vor sechs am Wahlabend wollte er Kanzler werden. Fünf Minuten nach sechs wollte er nicht mehr regieren. Er marschierte fröhlich in die Opposition. Die SPD-Funktionäre applaudierten begeistert. Wie viele SPD-Wähler sich an den Kopf fassten, ist nicht bekannt.

Die SPD muss sich nicht mehr einsam fühlen. Seit Jahren demontiert sie immer wieder ihr Führungspersonal und verbraucht dabei ihren Vorrat an Wählervertrauen. Nun machen sich Konservative in der Union auf, diesem Beispiel zu folgen. Mit den Mandatsverlusten bei der Bundestags- und der Niedersachsen-Wahl sind konservative Politiker aus der zweiten und dritten Reihe der Union dazu übergegangen, ihre Kanzlerin Merkel offen zu demontieren. Offenbar sehnen auch sie sich nach dem Koma in der Opposition.

Nach den Wahlen im Bund und in Niedersachsen mühen sich die Parteien, sich auf die neue Lage einzustellen. In Hannover sucht SPD-Landeschef Weil, der die SPD zur stärksten Kraft machte, einen Ersatz für seine abgewählte rot-grüne Koalition. In Berlin formieren sich Union, FDP und Grüne zu Gesprächen über eine Jamaika-Koalition. Der einzige führende Politiker, dem es bisher gelingt, die Gegebenheiten in Bund und Land für sich und seine Partei zu nutzen, ist FDP-Chef Lindner.

Wer im Glashaus sitzt, der sollte … Sieben Jahre lang warfen CDU und FDP der rot-grünen NRW-Regierung vor, das Land unmäßig zu verschulden, und brandmarkten SPD-Ministerpräsidentin Kraft als „Schuldenkönigin“. Seit ein paar Monaten regieren nun CDU und FDP in Düsseldorf. Gerade brachten sie ihren ersten Nachtragsetat durch den Landtag. Die neue Regierung nimmt 1, 55 Milliarden neue Kredite auf. Sie steigert die NRW-Verschuldung auf die Rekordmarke von 178,1 Milliarden.

Die neue SPD-Fraktionschefin Nahles wird es nicht leicht haben – ihre Partei auch nicht. Eine Kostprobe künftiger Schwierigkeiten gab es am Donnerstag bei Illners ZDF-Talkshow zu sehen. Da saß Nahles mit Kubicki (FDP), Trittin (Grüne), Aigner (CSU) und DIW-Präsident Fratzscher in der Runde. „Wie sozial wird Jamaika?“ war das Thema. Es schien Nahles zu amüsieren.

In Katalonien geht’s hoch her. In den Medien auch. Separatisten wollen die Region von Spanien lösen. Sie erzielen weltweit Beachtung. Sie wissen: TV-Sender lieben Äktschn. Sie wurden reichlich beliefert. Manchen Beiträgen merkte man an, dass die Leidenschaft der demonstrierenden Separatisten auf die Berichterstatter übergesprungen war. Was in Kataloniens Parteien und seinem Regionalparlament vor sich geht, welche Kräfte die Trennung anstreben und welche nicht, erfuhr man kaum.

Nach der Bundestagswahl wird aufgeräumt. Linke, Grüne, AfD und FDP können sich gestärkt fühlen. Die beiden Volksparteien, die vier Jahre lang das Land regierten, wurden stark gerupft. Die Union kann sich trösten: Sie wurde wieder stärkste Kraft und behält die Option, die Bundesregierung anzuführen. Verlierer der Wahl ist die SPD. Sie fühlt sich von den Wählern schlecht behandelt. Sie reagiert heftig.