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2017

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Seit drei Monaten teilt die SPD den Bürgern mit, was sie schon länger wissen: Die Partei befindet sich in miserablem Zustand. Ihr jüngster Schwächeanfall geht auf das Konto ihres linken Parteiflügels. Er ließ sich 20 Jahre lang immer wieder von der SPD-Rechten vorführen. Sie machte ihre Gefolgsleute Schröder, Steinmeier und Steinbrück zu Kanzlerkandidaten. Nach den Wahlniederlagen 2005, 2009 und 2013 drehte die SPD-Linke den Spieß um. Zur Wahl 2017 ergriff sie das Ruder. Und was geschah? Die SPD geriet noch tiefer ins Elend.

Der Leser Dr. Pingel schrieb an Post-von-Horn: „Alle Analysen hier und die Kommentare können mir nicht erklären, wieso eine so gebeutelte Partei wie die SPD, selbst, wenn sie sich selbst gebeutelt hat, verpflichtet wird, in eine Groko zu gehen, in der sie doch schon zwei Mal gescheitert ist. Der zweite Punkt, der mich erstaunt, ist, wie schonend man mit Merkel umgeht und sich lieber auf Schulz stürzt.“ – Hier der Versuch einer Erklärung.

Drei Monate nach der Bundestagswahl hat Deutschland noch keine neue Regierung. Das liegt an der SPD. Sie deutete den Denkzettel, den die Wähler ihr und ihren Koalitionspartnern CDU und CSU verpasst hatten, zur Abwahl der großen Koalition um – ein folgenreicher Fehler.

Deutschland hat mit 709 Bundestagsabgeordneten nach China (knapp 3000 Abgeordnete) das zweitgrößte Parlament der Welt. Indien, das mit 1,3169 Milliarden fast so viele Einwohner wie China zählt und zehnmal so viele Wahlberechtigte wie Deutschland Einwohner, bringt es nur auf 543 Parlamentssitze. Ist Indiens Parlament zu klein oder das deutsche zu groß?

Es kommt der Tag, an dem sich Regierungschefs fragen: Wer übernimmt meinen Job, wenn ich ausfalle? Manche installieren Kronprinzen. Werden sie sichtbar, weiß alle Welt: Mit dem Regenten geht’s bergab. Selbst wer keinen Kronprinzen benennt, ist vor dem Niedergang nicht gefeit. Stets findet sich jemand, der sich selbst zum Kronprinzen kürt und den Niedergang forciert.

Die neue Bahnlinie zwischen München und Berlin hat bei der Jungfernfahrt nicht funktioniert. Das ist keine Nachricht. Eine Sensation wäre es gewesen, wenn der Start der Strecke reibungslos gelaufen wäre. Unabhängig von den ideologischen Differenzen zwischen den Parteien müsste den 709 Bundestagsabgeordneten und den 1821 Landtagsabgeordneten in den 16 Ländern erneut bewusst geworden sein, dass Deutschland Probleme mit seiner Infrastruktur hat. Es handelt sich um vier.

Die SPD kommt auf keinen grünen Zweig. In Bayern zerlegt sich seit Monaten die CSU im Machtkampf um Seehofers Erbe. Sie ist auf 37 Prozent abgesackt. Sie wiegt nun gut ein Viertel weniger als nach der Bayern-Wahl 2013. Und die SPD? Sie schafft es nicht, vom CSU-Siechtum zu profitieren. Sie bringt nur 15 Prozentpunkte auf die Waage. Auch sie ist seit 2013 um gut ein Viertel geschrumpft. In Bayern steht sie schon dort, wo sie demnächst wohl auch im Bund landen kann.

Lange beharkten sich Seehofer und Söder. Nun haben sie sich verglichen. Seehofer gibt das Amt des Ministerpräsidenten auf. Söder bekommt es. Wer hat gewonnen? Auf den ersten Blick Söder. Seehofer muss Federn lassen. Er steht gerupft da. Doch wirklich glücklich kann Söder nicht sein.

Im Bundestagswahlkampf machte sich SPD-Chef Schulz lächerlich. Er kämpfte um die Kanzlerschaft, obwohl die SPD viel zu schwach war, den Kanzler zu stellen. Nach der Wahl sollte Schluss sein mit dem Selbstbetrug. Schulz verkündete, er führe die SPD, ihrer Schwäche Rechnung tragend, in die Opposition. Doch auch das schafft er nicht. Er ist gezwungen, die Partei an der Regierung zu beteiligen. Der Eindruck, er mache sich lächerlich, will nicht weichen.