Wie sehr sich Politiker und Parteien von den Bürgern entfernt haben, ist am Beispiel der Griechenland-Krise zu beobachten. SPD, Linke und Grüne regen sich kaum darüber auf, dass Tsipras mit seinem kindlichen Zickzack-Kurs in wenigen Wochen Dutzende Milliarden Euro verbrannte. Für Leute, die dieses seltsame Verhalten der Parteien und Politiker erstaunt, ist deren Aufregung über Schäubles Planspiele nicht nachzuvollziehen. Nicht Schäubles Planspiele sorgen für einen Riss durch Europa. Der Riss ist seit langem schon vorhanden. Er wurde bisher nicht zur Kenntnis genommen. Schäuble macht ihn nur bewusst. Es gibt in Europa etliche Staaten, die wissen, dass sie über ihre Verhältnisse leben, deren Politiker aber nicht die Kraft aufbringen, diesen Zustand zu ändern – mit verhängnisvollen Konsequenzen. Die Probleme dieser Staaten wachsen. Sie könnten dramatische Ausmaße annehmen. Frankreich etwa hält die Regeln nicht ein, die mit der Mitgliedschaft im Euroraum verknüpft sind. Fällt Griechenland aus der Eurozone heraus, bricht Frankreichs Haushalt vollständig zusammen. Hollande müsste das tun, was die Mehrheit der Eurostaaten von Tsipras verlangen: Sein Land reformieren und wettbewerbsfähig machen. Das tut Hollande bisher kaum. Hinter Schäubles Papier sind zwei Zwecke zu erkennen. Es soll sicherstellen, dass die Milliardenhilfen für Griechenland nicht in Korruption, Klientelismus und Desorganisation des Staates versickern. Und es sollte Staaten wie Frankreich, die über ihre Verhältnisse leben und von Griechenlands Ausstieg aus der Eurozone Nachteile befürchten, dazu bewegen, nachhaltige Reformen in Griechenland mitzutragen. Ob dieser Plan aufgeht? – Ulrich Horn
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Sehr geehrter Herr Horn, wohlwollend man kann das Schäuble-Papier so lesen, wie Sie es hier tun. Nur weshalb hat Schäuble gegenüber der Regierung von Samaras, die seiner eigenen Parteienfamilie angehört, jahrelang geschwiegen? Denn bei aller berechtigten Kritik an der aktuellen Regierung hat SYRIZA einen Umbau des griechischen Staates im Zentrum ihres Programms stehen. Doch ein so tiefgreifender Umbau eines Staates und einer Gesellschaft, wie er in Griechenland nötig ist, ist nicht in 6 Monaten möglich, dazu bedarf es einer ganzen Generation – wie lange hat es denn gebraucht, bis sich in Deutschland nach 1945 die Demokratie so durchgesetzt hat, dass sie als gefestigt gelten kann?
Ein solcher gesellschaftlicher Umbau ist immer mit Zumutungen verbunden. Und die treffen nun einmal Wähler und Wählerinnen. Ohne Rücksicht auf Wähler und Wählerinnen kann daher eine demokratisch gewählte Regierung keine Reformen umsetzen. Das ist ja auch der der Sinn einer Demokratie.
Davon abgesehen hat Regling als ESM-Chef kürzlich bestätigt, das Griechenland trotz aller berechtigten Kritik an der Vorgängerregierung bereits enorme Änderungen an Staat und Gesellschaft geleistet hat.
SYRIZA hat sich nie Reformen verweigert. SYRIZA besteht jedoch darauf, dass die nötigen Reformen nicht dadurch zu erreichen sind, die Existenzgrundlage der Bürgerinnen und Bürger Griechenlands weiter zerstört wird. Die deutsche Sparpolitik hat in Griechenland genauso die Wirtschaft zerstört, wie sie es unter Brüning in der Weimarer Republik getan hat.
SYRIZA erinnert daran, dass die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der Nachkriegsbundesrepublik die Ergebnisse der Londoner Schuldenkonferenz von 1953 waren, der auch damals auch Griechenland zugestimmt hat, und der Marschall-Plan.
Nach fünf Jahren deutscher Sparpolitik verlangt SYRIZA nun einen Wechsel zu einer keynsianischen antizyklischen Wachstumspolitik und wird darin von allen namhaften Ökonomen dieser Welt unterstützt – abgesehen von einigen außerhalb der BRD bedeutungslosen deutschen Ökonomen.
Viele Wochen hat Tsipras sich gegen die von der Euro-Gruppe geforderten Kürzungsmaßnahmen gewehrt. Immer hieß es in den Wochen seitens der Euro-Gruppe, dass es eine weitere Unterstützung für Griechen nur gibt, wenn Griechenland den Forderungen zustimmt. Nun hat Griechenland in letzter Minute mit einer breiten parlamentarischen Mehrheit den Forderungen nahezu hundertprozentig zugestimmt. Und gerade in dem Moment halten Schäuble und Merkel der griechischen Regierung plötzlich vor, man könne ihr nicht vertrauen, und Schäuble bringt einen rechtlich haltlosen befristeten Grexit ins Gespräch, ohne Rücksicht auf die politische Nebenwirkungen für die EU.
Und genau deshalb halte ich Ihre Argumentation nicht für schlüssig!
Sehr geehrter Herr Klute, ich hatte erwartet, dass Tsipras nach seinem Amtsantritt Kapitalverkehrskontrollen einrichtet und mit der Schweiz eine Vereinbarung über das dort lagernde griechische Geld trifft. Mit diesen Schritten hätte er den 18 übrigen Eurostaaten signalisieren können, dass er zur Selbsthilfe bereit sei. Er tat es nicht, wohl auch aus Rücksicht auf seinen rechtsradikalen Koalitionspartner. Syriza ist im Grunde regierungsunfähig. Die Partei ist gespalten. Tsipras kann nur mit Hilfe der Opposition agieren. Es braucht nicht große Wirtschaftstheoretiker, um zu begreifen, dass wirtschaftlicher Aufschwung nur möglich ist, wenn investiert wird. Wer aber legt in einem Land Geld an, in dem jede Investition zum Risiko wird? Europa ist keine Transferunion. Dazu fehlen in Europa bisher die Voraussetzungen. Die Linke agiert jedoch so, als gäbe es die Transferunion bereits. Wirtschaftstheoretiker sind keine Natur-, sondern Geisteswissenschaftler. Ihre Erkenntnisse erforschen und entdecken keine Naturgesetze und können auch keine Anleitung für wirtschaftspolitisches Handeln sein. Es sind im besten Falle Erklärungshilfen von mehr oder minder kleinen Ausschnitten der wirtschaftlichen Realität. Die wirtschaftspolitische Realität ist wesentlich komplexer. Die Verhandlungen über Griechenland haben doch zum Beispiel gezeigt, welch starke Rolle die unterschiedlichen nationalen Erfahrungen und Befindlichkeiten der 19 Eurostaaten spielen. Manchem bloggenden amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler ist anzumerken, dass er zur Erfahrungswelt der europäischen Völker nur sehr begrenzten Zugang findet.
Sehr geehrter Herr Horn, in vielen Punkten kann ich Ihnen ja durchaus zustimmen. Ich sehe das Agieren der SYRIZA-Regierung auch keineswegs kritiklos. Und Ihre Anmerkungen zu den Wirtschaftswissenschaften teile ich.
Der Punkt ist aber doch ein anderer, nämlich die Frage der Investitionen. Der Kernkonflikt zwischen der Sicht der Bundesregierung und der Regierung von Tsipras ist m.E. die Frage, ob man Primärüberschüsse durch Sparprogramme erreicht, die zwangsläufig in einer Binnenmarkt orientierten Wirtschaft zu einer Rezession führen, oder durch Investitionen und Wachstum, also ein keynsianisches antizyklisches staatliches Ausgabenprogramm.
Nach fünf Jahren Sparpolitik, die nun mal zu einem enormen wirtschaftlichen Einbruch geführt haben, ist es nachvollziehbar, dass die Regierung von Tsipras der Sparpolitik nicht mehr traut. Und letztlich hat sich doch auf EU-Ebene mit dem Juncker-Plan die Einsicht durchgesetzt, dass Sparpolitik alleine keine Lösung ist. Die EU hat sich zwar nicht radikal von der Sparpolitik abgekehrt, aber sie hat sich mit großer Mehrheit im Europäischen Parlament, im EU-Rat und in der EU-Kommission dafür entschieden, die Sparpolitik zumindest um ein Investitionsprogramm zu ergänzen. Damit nimmt die EU us-amerikanische Erfahrungen der Krisenbearbeitung auf. Wieso die Euro-Gruppe diese Mehrheitsentscheidung der EU nun wieder konterkariert – und das tut sie – ist doch absolut nicht nachvollziehbar. Zumal die Euro-Gruppe nicht einmal eine Rechtsgrundlage in den EU-Verträgen hat und auch keine sonstige demokratische Legitimation.
Sie werden vielleicht einwenden, dass es im Falle Griechenlands vor allem um den dringend nötigen Umbau des Staates geht (dessen verwaltungstechnisches Fundament übrigens im 19. Jahrhundert vom bayrischen Königshaus errichtet wurde). Da würde ich Ihnen im Grundsatz gar nicht widersprechen. Ich würde aber zurückfragen: Weshalb hat man nicht schon die Vorgängerregierung stärker gedrängt, den Staat und die staatliche Verwaltung umzubauen? Weshalb kommt man erst jetzt fünf Jahre nach Beginn der Krise daraus? Das legt doch nahe, dass es hier auch darum geht, die Arbeit einer linkenn Regierung zu torpedieren. Dieser Verdacht liegt zumindest nahe. Und: Wer einen Staat und eine Gesellschaft so tiefgreifend ändern will, wie es in Griechenland nötig ist, dem muss klar sein, dass da eine Aufgabe für mindestens eine Generation ist. Einer Regierung vorzuwerfen, dass sie das nicht in 6 Monaten geschafft hat, ist zynisch! Schauen Sie doch nur ins Ruhrgebiet, das sie als Journalist ja sehr gut kennen: Die nötigen Verwaltungsreformen auf allen Ebenen einschließlich einer Reform des VRR ist seit Jahrzehnten bekannt und in der Diskussion, ohne dass es irgendwelche greifbaren Ergebnisse gäbe!
Meine Kritik an Ihrem Artikel fokussiert sich deshalb darauf, dass Sie der aktuellen griechischen Regierung etwas abfordern, was unrealistisch ist. Statt dessen könnte man die Tsipras-Regierung auch ernst nehmen und sie konditioniert und in kleinen Schritten beim nötigen Umbau von Staat und Gesellschaft unterstützen. Das setzt eben nur voraus, dass man in Deutschland respektiert, dass die griechische Gesellschaft mit diesem Projekt nicht mehr die griechischen Sozialdemokraten und Christdemokraten beauftragt hat, sondern SYRIZA. Aber soviel Demokratie, dass eine Gesellschaft einer linken Regierung diese Umbauprojekt eher zutraut als den bisherigen Parteien, scheint in Deutschland noch immer schwer verkraftbar zu sein. Das ist doch der Punkt, um den es geht!
Sehr geehrter Herr Klute, niemand hat der Regierung Tsipras abgefordert, in sechs Monaten Griechenland zu reformieren. Tsipras hatte aber monatelang die Gelegenheit, einen Plan mit vielen kleinen Schritten vorzulegen. Er hat es unterlassen. Man kann vermuten: Er hat gar keinen Plan. Hätte er ihn, könnte er ihn nicht durchsetzen, weil Teile von Syriza und sein Koalitionspartner Anel ihn nicht mittragen würden. Darum wich er darauf aus, jene Eurostaaten unter Druck zu setzen, die geregelte staatliche Verhältnisse als Voraussetzung dafür ansehen, dass investiert und Wirtschaftswachstum erzeugt werden kann. Man kann Tsipras vorwerfen, dass seine Herangehensweise letztlich dazu geführt hat, dass Europa nun die Souveränität Griechenlands einschränken will, wenn Griechenland im Euro bleiben möchte. Wie Tsipras mit den Geldgebern umgegangen ist, lässt vermuten, dass er gar nicht im Euro bleiben will. Sein Problem ist nur, dass er diese Syriza-Position kurzerhand nicht umsetzen konnte, weil sie im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung der Griechen steht.
Was die Dauer von Reformen angeht: Das Ruhrgebiet zeigt, wo eine Region landet, die sich im Schneckentempo bewegt. Wer investiert in eine Region, die so schlechte schlechte Voraussetzungen bietet? Die Reformfaulheit hat das Ruhrgebiet zu einer Armutsregion gemacht. Selbst riesige Arbeitslosigkeit und gewaltige Schulden bewegen die Politik im Ruhrgebiet nicht, sich in Gang zu setzen, aus Sorge, die politischen Gewichte könnten sich dabei verschieben. Wahrscheinlich wird man im Ruhrgebiet noch von Reformen reden, wenn sich die Städte längst auf ihr früheres Dorfniveau zurückentwickelt haben und alles, was man hätte reformieren können, längst verfallen oder geschlossen ist.
Aber Herr Horn, Sie benennen doch selbst die Spannung, in der eine demokratisch gewählte Regierung sich immer bewegt: eigene Programmatik, die eigenen Abgeordneten, die Partei, die WählerInnen und die Machtkonstellationen im Parlament. Sie müssen doch erst einmal Machtbalance austarieren, um politisch handlungsfähig zu werden.
Hinzu kommt, dass die SYRIZA-Regierung mit Dragasakis nur über ein einziges Mitglied verfügt, dass Regierungserfahrung hat. Alle anderen sind neu und mussten sich in kürzester Zeit einarbeiten und mit einem Verwaltungsapparat zurecht kommen, bei dem man nicht weiß, wie weit man ihm trauen kann.
Die neue Regierung hat sich nach innen hin erst einmal konsolidieren müssen und zeitgleich die Verhandlungen mit der EU aufnehmen müssen angesichts der fälligen Rückzahlungen.
Ich will damit nicht schön reden, was falsch gelaufen ist seitens der Regierung von Tsipras. Aber Wunder können Menschen nun mal nicht vollbringen.
Hinzu kommt, dass Tsipras in Brüssel nicht vernetzt war und die linke Fraktion im Europäischen Parlament hier auch keine Unterstützung leisten konnte und aus ideologischen Gründen dazu auch höchstens bedingt bereit war. Sie ist eben auch nicht sonderlich vernetzt in Brüssel.
Aber genau solch eine Vernetzung seitens der Linken in Brüssel wäre nötig gewesen, um Tsipras in Brüssel zu unterstützen und um Fehler zu minimieren. Immerhin hat Tsipras in Juncker ja einen Verbündeten gehabt. Und Juncker war nicht der einzige Verbündete in der Kommission. Auch im Rat gab es Möglichkeiten, Bündnisse zu organisieren, um eine verantwortbare Schuldenregulierung auf den Weg zu bringen und die Sparpolitik soweit aufzubrechen, dass sie um sinnvolle Investitionen ergänzt werden kann.
Ja, und wer es im eigenen Lande nicht schafft (Ruhrgebiet), nötige Reformen auf den Weg zu bringen, der sollte sich anderen gegenüber nicht als Schulmeister aufspielen. Das trägt nicht zur Lösung von Problemen bei, sondern führt zu einer kontraproduktiven Verhärtung von Konflikten. Vieles in NRW erinnert doch an Griechenland.
Ich fürchte, der politische Preis für die Art, wie Schäuble und Merkel mit Griechenland umgegangen sind und wie vor allem Merkel die Rolle der BRD in der EU ausfüllt, wird hoch sein.
Der Preis war schon bisher sehr hoch. Auch ich befürchte, er wird noch höher werden, und zwar in jeder Hinsicht.
Offensichtlich haben Teile der SPD, die Grünen und die Linken in unserem Land völlig aus den Augen verloren, dass sie auch die Interessen der Wähler und Steuerzahler in Deutschland zu vertreten haben. Aus ihren Parteikassen können sie Syriza in Griechenland so viel Geld geben, wie sie wollen und haben. Vielleicht haben die Linken ja noch aus alten SED-Zeiten etwas auf der hohen Kante.
Jeder kleine Unternehmer, der bei uns Geld von der Sparkasse haben will, muss sich in die Bücher gucken lassen, Auflagen erfüllen und die Fähigkeit zur Rückzahlung nachweisen. Da ist für sozialistische Träumerei und Solidaritätsgefasel kein Platz.
@Roland Mitschke: Ihnen ist aber bewusst, dass ein Grexit unkalkulierbare wirtschaftliche Folgen hat und Griechenland im Falle eines Grexits seine Euro-Schulden nicht zurückzahlen kann. Das wäre weitaus teurer als eine Schuldenregulierung. Ein Grexit wäre gerade NICHT im Sinne der Steuerzahler, sondern würde den Bundeshaushalt weit höher belasten als eine Schuldenregulierung!
Außerdem ist Ihnen hoffentlich bewusst, dass Griechenland bisher reichlich Zinsen gezahlt hat an die Bundesrepublik für das 1. Hilfspaket. Und hoffentlich ist Ihnen bewusst, dass durch die Herabstufung Griechenlands (und der anderen Krisenländer) durch die großen Rating-Agenturen die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen so gestiegen ist, dass die Bundesrepublik kaum noch Zinsen für ihre Kredite zahlen muss. Laut Berechnungen deutscher Wirtschaftsinstitute, die der deutschen Wirtschaft und nicht linken Parteien nahe stehen, seit beginn der Krise mehr als 80 Milliarden Euro, die die Bundesrepublik an Zinsen gespart hat. Diese Summe ergibt sich aus dem Vergleich der Zinsen, die die Bundesrepublik vor Beginn der Krise für Staatsanleihen zahlen musst, und den Zinsen, die seit Beginn der Krise real bezahlt wurden.
Davon abgesehen müssen Sie die politischen Folgen eines Grexits mit in Betracht ziehen. Die lassen sich nicht vollständig in Euro bemessen. Was würde es für die Bürgerinnen und Bürger, was würde es für die Wirtschaft, was würde es für die politische Situation in Europa bedeuten, wenn der Euro zerbricht und die europäische Integration zu scheitern droht? Wie sollen einzelne Staaten, vor allem die kleinen EU-Mitgliedsstaaten globalisierte Finanzmärkte und eine globalisierte Wirtschaft regulieren? Wie sollen Umweltprobleme auf nationalstaatlicher Ebene angegangen werden? Umweltprobleme kennen keine nationalen Grenzen. Und transnationale Konzerne verfügen über mehr Ressourcen als die meisten der kleineren EU-Mitgliedsstaaten. Auch sind deren Märkte so klein, dass auf nationalstaatlicher Ebene Regulierungen wirkungslos bleiben. Das kann man Tag für Tag an den Lobbyaktivitäten großer transnationaler Unternehmen beobachten.
Von all dem würden auch kleine Unternehmer nachteilig betroffen sein.
@J.Klute
Alles richtig.
Weitergehende Zusammenhänge berichtet Peter König, ein ehemaliger Mitarbeiter der Weltbank mit dem Spezialgebiet Wasser, im Gespräch mit Ken Jebsen.
https://www.youtube.com/watch?v=76piYCJAu68
Sehr geehrter Herr Dyroff, Ken Jebsen ist für mich eine absolut unseriöse Person. Wer sich mit ihm einlässt, diskreditiert sich.
@J.Klute
-Wer sich mit ihm einlässt, diskreditiert sich.-
Sehr geehrter Herr Klute,
ich versichere Ihnen, dass ich mich noch niemals mit Herrn Jebsen eingelassen habe. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Interviews des Herrn Jebsen stets zum Nachdenken anregen und sich wohltuend vom Einheitsbrei der Illners, Wills etc. unterscheiden. Kritik könnte man an seiner Art der Gesprächsführung, nicht an den Inhalten üben.
Guten Tag, die Herren, das hört sich ja sehr plausibel an. Aber die neuen 86 Milliarden werden auch zum größten Teil dazu genutzt, den Schuldendienst zu versorgen, und werden Griechenland kein Stück voranbringen. D.h. in ein paar Jahren sind diese 86 Milliarden (und die nächsten Milliarden) auch weg. Griechlands Regierung ist durch und durch korrupt. Da gibt es keine kurzfristige Lösung. Und willkommen in der Transferunion (war mal ausgeschlossen).
Ja, die Transferunion war bzw. ist noch immer ausgeschlossen. Das ist aber einer der Hauptkonsturktionsfehler des Euro. Schauen Sie mal auf die Bundesrepublik. Sie ist in ihrer föderalen Struktur durchaus der EU ähnlich. Der Hauptunterschied zur EU ist, dass es in der Bundesrepublik einen gemeinsame Steuer- und Sozialpolitik und einen Länderfinanzausgleich gibt. Das ist das, was eine Transferunion ausmacht. Ohne diese innerdeutsche Transferunion sähe die Bundesrepublik völlig anders aus. Die wirtschaftlichen Ungleichgewichte zwischen Kleinstaaten wie Hamburg, Bremen und Saarland auf der einen Seite und den reichen wirtschaftsstarken Bundesländern auf der anderen Seite wird nur durch die innerdeutsche Transferunion ausgeglichen. Sie ist Grundlage für die hohe politische Stabilität der BRD. Und das Ruhrgebiet wäre ohne die innerdeutsche Transferunion längst im Elend versunken.
Eine europäische Tranferunion wäre ein Schlüssel zu einem sinnvollen Umgang mit den wirtschaftlichen Ungleichgewichten in der EU. Anders kann man gar nicht mit ihnen umgehen, da die geografischen Bedingungen in den verschiedenen EU-Ländern so unterschiedlich sind, dass man nicht überall gleichmäßig starke Wirtschaften entwickeln kann.
Herr Klute hat nicht Recht, die EU bzw. die Eurozone ist in ihrem Verhältnis zu den EU-Mitgliedsstaaten eben nicht mit der Bundesrepublik bezogen auf die Bundesländer verfassungsrechtlich vergleichbar. Während das Grundgesetz gleiche Lebensverhältnisse in Deutschland fordert, ist in der EU durch völkerrechtliche Verträge die Übernahme von Schulden anderer Staaten ausgeschlossen. Damit ist für eine Solidaritätsautomatik kein Platz. Die Entscheidungen über die Verwendung deutscher Steuergelder liegen in Berlin und nicht in Brüssel.
Jedes Land in der EU hat seine eigene Finanz-, Steuer-, Sozial- und Wirtschaftpolitik, für welche die gewählten eigenen Regierungen und eigenen Parlamente verantwortlich sind. Insofern ist es nicht hinnehmbar, dass die einen über ihre Vehältnisse leben und die anderen zahlen. Wie soll z.B. Ministerpräsident Fico in der Slowakei seinen Steuerzahlern erklären, dass sie mit geringerem Einkommen und Lebensstandard als die Griechen für verfehlte Politik in Griechenland zahlen sollen. Im übrigen würde die EU dann ganz schnell an Akzeptanz verlieren (s. Großbritannien).
Nun, die EU-Verträge sind schon etwas mehr als völkerrechtliche Verträge. Es gibt eine gemeinsame EU-Gesetzgebung, die bindend ist für alle Mitgliedsstaaten. Auch wenn nicht alle Politikbereiche der EU-Gesetzgebung unterliegen. Vor allem die Wirtschaftspolitik und die Außenpolitik sind auf die EU-Ebene übertragen worden.
Man kann auch nicht sagen, dass es so etwas wie die GG-Regelung zur Herstellung gleicher Lebensbedingungen nicht gäbe. Die EU-Verträge formulieren das etwas anders: Sie sprechen vom politischen, sozialen und territorialem Zusammenhalt der EU. Dementsprechend gibt es den Kohäsionsfond und die Regionalfonds, die auf eine Angleichung der Lebensbedingungen innerhalb der EU zielen. Das ist zwar schwächer gefasst als im GG, zielt aber in die gleiche Richtung.
Zum anderen kann eine Währungsunion nur funktionieren, wenn es eine gemeinsame Steuer- und Sozialpolitik gibt. Trotz des formellen Verbotes der gegenseitigen Schuldenfinanzierung innerhalb der EU beinhaltete die Schaffung der Währungsunion das Ziel einer gemeinsamen Steuer- und Sozialpolitik. Entweder kommt sie in den nächsten Jahren – Schritte dahin sind längst auf den Weg gebracht – oder die Währungsunion zerbricht wieder. Wer ein Zerbrechen der Währungsunion nicht will, der muss einer europäischen Transferunion zustimmen. Wer allerdings für ein Zerbrechen der Währungsunion votiert, der muss dann auch Antworten haben auf die daraus resultierenden politischen Folgen. Und den Bürgern und Bürgerinnen in der Slowakei muss man schon erklären, dass die EU weit mehr ist als eine wirtschaftliche Freihandelszone. Im übrigen bekommt auch die Slowakei finanzielle Unterstützung aus den EU-Fonds. Und vielleicht muss man sich dort auch mal die Frage stellen, wie es in der Slowakei ohne EU aussähe.
Den Slowaken ist der Wert der EU-Hilfen im Gegensatz zu den Griechen sehr bewusst. Das kleine und finanzschwache Land ist mit 1,5 Mrd. bei der Griechenland-Hilfe dabei. Wer nationale Autorität betont und sich auf nationale demokratische Meinungsbildung beruft – wie Tsipras und seine Syriza – muss gleiche Rechte anderen, besonders denen, von denen er etwas haben will, zubilligen.
Deutschland hat in einem Maße wie kein anderes Land in der EU Solidarität mit den kleineren und schwächeren Ländern gezeigt – und gezahlt. Das war und bleibt richtig. Angela Merkel hat mit der sozialistischen Syriza eine bewundernswerte Geduld gezeigt. Wolfgang Schäuble, ein ausgewiesener, engagierter Vertreter des Europäischen Projektes, musste eine schier unerträgliche Hetze von Varoufakis und Genossen über sich ergehen lassen. Wo bleibt eigentlich die fällige Entschuldigung?
Schön wäre es ja, wenn wir eine gemeinsame Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik in der Euro-Zone hätten. Dafür fehlen bislang Mehrheiten. Ersatz dafür muss das gemeinsame Verständnis sein, dass Vereinbarungen, dass Regeln eingehalten werden.
Zur vorgetragenen Argumentation zu den Zinsersparnissen beim deutschen Fiskus ist auch die Kehrseite zu betrachten: Der Sparer in unserem Land hat das Nachsehen z.B. Bei der Altersversorgung.
Und Deutschland hat wie kein anderes Land am EU-Binnenmarkt und dem Euro-Raum verdient. Über die Hälfte der deutschen Exporte gehen in den EU-Binnenmarkt. Das hat zu den Handelsbilanzdefiziten der südeuropäischen Euro-Länder maßgeblich beigetragen. 30 Prozent der Industrieproduktion der EU kommen aus Deutschland. 40 Prozent kommen aus den Ländern Frankreich, Italien, Spanien und Großbritannien. Die restlichen 30 Prozent kommen aus den verbleibenden 23 EU-Mitgliedsländern. Wenn die BRD den größten Teil des EU-Haushalts trägt, dann ist das einerseits ein Stück gebotener Umverteilung innerhalb der EU. Zum anderen kommt es der Wirtschaft der BRD zugute, da viele Produkte, die in den Empfängerländern konsumiert werden, aus der BRD kommen. Zu den Sparern: Was haben Sie von einem Zinsatz in Höhe von 2 Prozent (höher waren die Zinsen kaum in den Jahren vor der Krise), wenn Sie eine etwa gleich hohe Inflation haben. Heute haben wir Zinsen teils unter 1 Prozent, aber auch die Inflationsrate ist heute niedriger, so dass die realen Zinsverluste kaum ins Gewicht entfallen. Gleichzeitig sind Kredite und Hypotheken heute auf einem historischen Tiefstand. Die Sparer haben also keinen nennenswerten Verlust. Problematisch sind die niedrigen Zinsen hingegen für Sparkassen und Volksbanken.
Es scheint mir nicht verwunderlich, dass der größte Staat der EU mit der stärksten Industrie den größten Anteil an der Industrieproduktion in der EU stellt. Großbritannien hat seine Industrie unter Thatcher reduziert. Die Industrie vieler anderer EU-Staaten ist nicht sonderlich stark und entwickelt. Was wäre, wenn Deutschland seinen Anteil an der Industrieproduktion in der EU verringern würde? Glauben Sie, die griechische, die lettische oder die finnische Industrie würde die Lücke schließen? Wären es nicht die USA, China, Japan usw., die in die Bresche springen und die Lücke füllen würden?
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Sehr geehrter Herr Horn, eine Reduktion der Produktion in Deutschland wäre sicher keine Lösung. Die Frage ist, wie man mit diesem Ungleichgewicht umgeht. Denn dieses Ungleichgewicht führt zu Handelsbilanzdefiziten in den kleineren EU-Mitgliedsstaaten. Trotz aller Probleme, die z.B. Griechenland intern hat, trägt dieses Ungleichgewicht zur hohen Verschuldung Griechenlands bei. Es ist der EU-Anteil an der griechischen Verschuldung. Deshalb muss dieses Problem auf den Tisch und eine politische Lösung entwickelt werden.
Zum anderen kommen die Krisenländer – eben auch Griechenland – ohne die Entwicklung eines eigenen produktiven Sektors nicht aus ihren Schulden heraus. Gegenwärtig müssen alle Krisenländer den Großteil ihres Energiebedarfs und alle Hightech-Produkte einschließlich Autos, Eisenbahnen, Busse, Flugzeuge, Werkzeug, Maschinen, IT-Technologie, etc. importieren. Diese Produkte lassen sich aber nicht alleine mit Olivenölproduktion und Weinanbau gegen finanzieren.
Die EU-Kommission sieht zudem mittlerweile, dass eine industrielle Produktion in Kombination mit Forschung und Entwicklung für den gesellschaftlichen Wohlstand von zentraler Bedeutung ist und ebenso für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Der Anteil der industriellen Produktion an der Wirtschaftsleistung der EU beträgt derzeit 16% (im Ruhrgebiet sind es noch knapp 25% – der Anteil schwankt also von Land zu Land und Region zu Region). In den nächsten Jahren will die EU diesen Anteil auf 20% erhöhen. Sollte diese Aufstockung gelingen (es gibt dazu durchaus Fragezeichen), dann könnten und sollten davon vor allem die Krisenländer profitieren. Das ist zumindest auch das offizielle Ziel des so genannten Juncker-Plans (im EU-Deutsch: EFSI).