SPD-Chef Gabriel ist ein flexibler Mann. Manches, was er sagt und tut, meint er nicht so. Gerade wurde er bei Pegida-Anhängern gesichtet. Viele in seiner Partei halten diesen Schritt für einen Fehltritt. Pegida wird von Rechtsradikalen organisiert. SPD-Generalsekretärin Fahimi hält Kontakte zu Pegida für unakzeptabel. Diese Auffassung ist in der SPD weit verbreitet. Gabriels Aktion vermittelt sich großen Teilen der Partei nicht so recht. Sein Besuch wird als Aufwertung von Pegida empfunden. Er löst über die SPD hinaus Unbehagen aus. Um aufgebrachte Gemüter zu besänftigen, versucht Gabriel, die Bedeutung seiner Pegida-Visite herunterzuspielen. Er sei ja nur als Privatmann unterwegs gewesen, sagt er. Als sei er im Kino gewesen. Hatte er, wie zum Beweis, nicht Freizeitkleidung angelegt? Man kann nur staunen, wo Gabriel seine Freizeit verbringt. Der Bundeswirtschaftsminister, Vizekanzler und SPD-Chef legt den Bürgern nahe, ihn als Teilzeit-Politiker zu betrachten. Von wann bis wann reicht seine Dienstzeit – werktags von 8 bis 16 Uhr? Die Wähler könnten ins Grübeln kommen, wenn nicht über den Pegida-Besuch, dann über Gabriels Versuch, ihn zu verharmlosen. Kann man einem SPD-Parteichef, der sich als Teilzeitpolitiker versteht, wirklich den Tort antun und ihn zum rund um die Uhr amtierenden Kanzler wählen? – Ulrich Horn

3 Comments

  1. In den letzten Wochen haben ja einige Zeitgenossen versucht, der Öffentlichkeit weiszumachen, dass Pegida ernsthafte Anliegen unverstandener Bürger zugrunde lägen oder gar gesagt, „wenn 17.000 demonstrieren, können die nicht alle rechtsextem sein“. Wer Schilder in die Höhe hält, „Multikulti ist tot, Sachsen bleibt deutsch“, wie gestern wieder in der Tagesschau zu sehen, ist rechtextrem. Die Initiatoren sind es sowieso, die Stoßrichtng ist kleinbürgerlich-nazistisch und egozentrisch. Wer angesichts millionenfacher Flüchtlinge aus Syrien sagt, er wolle nur Menschen aufnehmen, die ökonomisch etwas bringen, bedient Denkweisen, wie sie die Nazis gegenüber Behinderten pflegten, die ihrer Meinung nach dem Gemeinwesen „auf der Tasche“ lagen. Wenn im „Tal der Ahnungslosen“ die offene Gesellschaft noch nicht angekommen ist, dann ist das allerdings ein Demokratisierungsproblem, das aber nicht mit dem Einknicken vor den Forderungen der Pegida gelöst ist. Viele ehemalige DDR-Bürger haben offensichtlich Kiwis, die D-Mark und BMW gewollt, aber nicht das Grundgesetz. Hier ist Nachhilfe angesagt und klare Kante. In Sachsen war noch im letzten Landtag die NPD zweistellig. Das, was dort köchelt, ist nicht neu und auch nicht demokratisch und schon gar nicht legitimiert, die Parole der Freiheitsdemonstrationen gegen das SED-Regime zu missbrauchen.
    Ob Gabriel sich vergriffen hat, ist schwer zu beurteilen. Innerparteilich ist das sicher nicht das richtige Signal, denn Sozis brauchen ja immer Führung. Nach außen signalisiert er so natürlich, dass er sein Amt als Vizekanzler und Wirtschaftsmimister nicht rund um die Uhr ernst nimmt. Er ist halt auch immer noch der Rockbeauftragte der SPD Niedersachsen. Und falls es noch intellektuell Erreichbare unter den Pegida-Mitläufern gegeben haben sollte, hat er die zumindest beeindruckt. Schlimm ist das alles nicht, wenn man von ihm nicht das erwartet, was Willy Brandt und Johannes Rau verkörperten. Aber das verlangt auch keiner von einem Vizekanzlerkandidaten.

    • Düsselbarsch Reply

      Klare Kante ist immer gut, sollte aber nicht auf Kosten der Differenzierung gehen. Als Sozi und damit anthopologischer Optimist glaube ich nicht an 17- oder 25 Tausend Nazis auf den Demos in Dresden. Da sind gewiss auch genügend wirklich Besorgte, Verängstigte und Verstörte dabei. Mit „Knüppel aus dem Sack“-Argumenten treibt man diese Leute den Nazis in die Arme.
      Das Angebot Gabriels richtete sich nicht an PEGIDA, sondern an gesprächsbereite Sympatisanten. Und dies auf einem Forum der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen. Ich sehe hierin wenigstens einen Versuch, einen ersten Keil in die amorphe Masse der PEGIDA-Unterstützer zu treiben.
      p.s.: Als Besucher einfacher „Glas-Bier-Geschäfte“ in Düsselnähe bezweifle ich die These, wir hätten es mit einem Ossi- oder Sachsenproblem zu tun. Die gefühlte Zustimmungsquote geht in diesen Biotopen in Richtung 90%.

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