Die rot-grüne NRW-Koalition hat fast die Hälfte der 16. Wahlperiode hinter sich. Ministerpräsidentin Kraft kündigte an, sie werde 2017 erneut kandidieren. Zwei gute Gründe, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Der Befund fällt nicht schwer. Seit der Landtagswahl 2012 hat die Regierung Kraft kaum etwas Zukunftsweisendes zustande gebracht. Es wird nicht sichtbar, in welche Richtung Kraft das Land führen will.
Rückschritt statt Fortschritt
Hängen blieben negative Botschaften. Trotz hoher Einnahmen verarmen Land und Städte. Die riesigen Schulden steigen. In vielen Vergleichen nimmt NRW hintere Plätze ein. Kraft verstärkt den Eindruck, es gehe rückwärts. Sie thematisiert Verarmung statt Fortschritt: Ihren Gästen bietet sie Leitungswasser an.
Über Monate ließ sie Spekulationen zu, sie sei amtsmüde. Um die Diskussion zu ersticken, musste sie schließlich weit vor der Zeit ankündigen, dass sie in zweieinhalb Jahren erneut kandidieren werde.
Kraft hat politisches Gewicht verloren. Nach der Wahl 2012 war sie Hoffnungsträgerin. Sie ließ sich als Kandidatin für das Kanzleramt und das Amt des Bundespräsidenten handeln. Mit ihr schien NRW in der Bundespolitik neuen Einfluss zu gewinnen.
Schlüsselthemen ohne Markenwert
Davon ist nichts mehr zu spüren. Krafts Ambitionen haben sich verflüchtigt. Sie distanzierte sich von der Berliner Politik. So nährte sie den Eindruck, sie isoliere sich und NRW. Zunehmend verknüpft sie ihre Amtsführung mit ihrem persönlichen Befinden. Das macht sie angreifbar, wie die Funkloch-Affäre zeigt. Mit ihr hat sich Kraft geschadet. Sie wirkt angeschlagen.
Die inhaltliche Schwäche ihrer Politik spiegelt sich im Kabinett wider. Kaum einem Minister gelingt es, in seinem Arbeitsbereich Perspektiven zum Markenzeichen zu entwickeln. Dieses Defizit wird bei den Schlüsselthemen Wirtschaft und Arbeit besonders deutlich, die in NRW stets bedeutsam waren.
Arbeitsminister Schneider und Wirtschaftsminister Duin schaffen es nicht, ihre Politik zu konturieren. Schneider verharrt in der Rolle des Gewerkschaftslobbyisten. Duin beschränkt sich darauf, die Wirtschaftspolitik des rechten SPD-Flügels zu vertreten. Bundesweit spielen beide Minister keine Rolle.
Verwalten statt gestalten
Problematisch ist auch die Rolle von Finanzminister Walter-Borjans. Er erreicht Anerkennung mit der Kampagne gegen Steuerbetrüger. Doch seine Haushaltspolitik droht für das Land und die Koalition zum Desaster zu werden.
Viermal stoppte ihn das Verfassungsgericht. Die Urteile fordern den Vorwurf heraus, die SPD könne nicht mit Geld umgehen. Die Schulden, die Walter-Borjans verantwortet, schränken den Aktionsraum der Regierung zunehmend ein. Sie muss sich immer mehr darauf beschränken zu verwalten, statt zu gestalten.
Den Ruf geschädigt
Wissenschaftsministerin Schulze ist gilt als größter Schwachpunkt des Kabinetts. Zu Beginn ihrer Amtszeit machte sie sich mit der Suche nach radioaktiven Kugeln lächerlich. Die Hochschulreform geriet ihr zum Desaster. Schulze brachte Hochschulspitzen, Wissenschaft und Wirtschaft gegen sich und die Koalition auf.
Zur Belastung für die Regierung entwickelt sich auch Innenminister Jäger. Obwohl er hilflos agiert, galt er als Krafts Kronprinz. Dabei bereiten ihm schon die Kommunal- und die Sicherheitspolitik Probleme. Die Flüchtlingspolitik verlor er aus dem Blick. Er vernachlässigte seine Aufsichtspflicht und ist für die skandalösen Zustände in Flüchtlingsquartieren verantwortlich, die den Ruf von Regierung und SPD schädigen.
Begrenzte Wirkung
Es gibt auch Minister, die nur sehr selten von sich Reden machen. Justizminister Kutschaty und Europa-Ministerin Schwall-Düren entfalten kaum Außenwirkung. Auch um Familienministerin Schäfer ist es in den vergangenen Monaten ruhig geworden.
Bau- und Verkehrsminister Groschek müht sich, Mängel der Verkehrswege und Defizite beim Wohnungsbau zu beheben, die auch seine SPD-Vorgänger zu verantworten haben. Ob sich Groscheks Anstrengungen auszahlen, wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Die grünen Minister galten als Motor der Koalition. Auch ihre Wirkung hält sich in Grenzen. Um Schulministerin Löhrmann wurde es nach starkem Start recht still. Gesundheitsministerin Steffens und Umweltminister Remmel bedienen die grüne Klientel. Spektakuläre Erfolge erreichen sie nicht. Die SPD versucht, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Mut zum Umbau
Zweieinhalb Jahre hat Kraft noch Zeit, den Bürgern zu erklären, wohin sie das Land führen möchte. Will sie wiedergewählt werden, wird es ihr nicht reichen, auf ihre Beliebtheit zu setzen und den einen oder anderen Plan für die Zeit nach 2017 vorzuweisen. Sie muss belegen, dass sie das Land voranbringen kann. Sie braucht ein politisches Konzept und Referenzprojekte, die den Wähler davon überzeugen, dass sie ein solches Konzept auch umsetzen kann.
Bisher ist nicht zu sehen, dass sich ihr Kabinett dieser Aufgabe stellt. Mit ihm wird es ihr schwerfallen, die Wahl zu gewinnen. Es wirkt erschöpft. Kraft müsste es revitalisieren. Doch Personalwechsel sind riskant, Fehler kommen dabei teuer zu stehen, und fähige Kandidaten finden sich in der SPD nicht im Überfluss. Ob Kraft dennoch den Mut findet, das Kabinett umzubauen? – Ulrich Horn
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2 Comments
Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone
Sehr geehrter Herr Horn,
ich stimme Ihrem Kommentar in Gänze zu. Frau Kraft fehlt es an politischem Profil. Ihr Niveau ist allenfalls dazu geeignet, als „Mädels-Figur“ in einer Ruhrpott-Soap mitzuwirken. NRW befindet sich im Sumpf. (…) Ich bin nicht nur beunruhigt, was die Politik in NRW betrifft, sondern ganz besonders auch bezüglich „unserer“ Justiz.
Mit freundlichen Grüßen
E. Klein