Eine Reihe von ruinierten Städten im Ruhrgebiet hat Handlungskraft demonstriert. Sie verbesserten nicht etwa die Lage ihrer Bürger oder senkten gar die kommunalen Gebühren. Nein, sie kauften über ihre Stadtwerke das Energieunternehmen Steag. Die Städte haben riesige Schulden, schlechte Straßen – und über die Jahre viele öffentliche Einrichtungen geschlossen, die das Leben in den Städten lebenswert machen. Sie taten es, weil ihnen das Geld fehlt, diese Einrichtungen zu erhalten und zu betreiben. Dafür gehört den Städten nun aber ein weiteres Unternehmen, für das sie den stolzen Betrag von 1,220 Milliarden Euro zahlten. Man gönnt sich ja sonst nichts. – Ulrich Horn
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Die Misere der Städte ist einer Politik der Ausplünderung der öffentlichen Haushalte geschuldet. Die Umverteilung der Steuereinnahmen zu Lasten der Kommunen, verfehlte Steuersenkungen durch Abschaffung der Vermögenssteuer und Steuergeschenke für Reiche durch Schwarz-Gelb, durch die skandalöse, von Rot-Grün eingeführte Steuerfreiheit von Gewinnen aus Unternehmensverkäufen – all dies hat dazu beigetragen, dass die Städte entweder ihr Tafelsilber verkaufen oder am Hungertuch nagen. Dazu holt die Kommunen heute ein, dass sie in den neunziger Jahren der Monopolisierung der Energieerzeugung in den Händen von den Multis RWE und E-On aus kurzfristiger Geldgier zugestimmt haben. Diese Sünden rächen sich nun. Die RWE-Gewinne sprudeln aufgrund einer rückschrittlichen Energiepolitik, die jahrzehntelang auf Braunkohle und AKW setzte, nicht mehr. Da nutzt keine Werbung mit Greenwashing. Zwar können einzelne Kommunen wie Monheim oder Düsseldorf ihre Finanzen sanieren, aber entweder durch Verkauf des letzten Hemdes wie in Düsseldorf oder im Zuge eines ruinösen Gewerbesteuerwettbewerbs nach unten, der, würden ihn andere Städte Monheim nachmachen, nur zu einer gegenseitigen Kannibalisierung führen würde – weil sich eben selbst mit Ministeuern nicht unbegrenzt Unternehmen klonen lassen.
Warum kaufen Kommunen Energieversorger zurück?
Vielleicht, weil sie dem Märchen des Neokapitalismus der 90er und 2000er, Privatisierung würde alles günstiger und besser machen, nicht mehr glauben?
Oder weil sie hoffen, dass die Bundesregierung mit dem TTIP-Freihandels-Wahnsinn die Gier amerikanischer Multis nach Strom- Wasser- und Grundversorgungunternehmen in Europa wieder mächtig anfachen wird?
Vielleicht spekulieren manche bauernschlaue Kommunalos bereits auf diese Entwicklung und werden dann die Grundversorgung der Menschen, für die sie verantwortlich sind, die sie gewählt haben, ein erneutes Mal versilbern, sich als kurzfristige „Sanierer“ kommunaler Haushalte feiern. Die Last langfristig steigender Energie- und Grundversorgungspreise werden dann wiederum die Bürger tragen – bis die Kommunen nach Jahren marode Kanalnetze, abgewirtschaftete Kraftwerke, verkommene öffentliche Verkehrsmittel zurückkaufen. Dann geht der Kreislauf von vorne los. Es sei denn, irgendeine Partei thematisiert mal solch offensichtliche Zusammenhänge.
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Lieber Ulrich Horn,
Sie berichten, dass sechs Stadtwerke aus dem Ruhrgebiet nun auch die restlichen Anteile an Steag für 570 Mio. Euro erworben haben. Für die erste Tranche wurden 2010/2011 bereits 650 Mio. Euro gezahlt. So könnte man glauben, der Steag-Kauf hat insgesamt nur rund 1,2 Mrd. Euro gekostet. Das ist aber falsch. Denn in Ihrem Bericht wurde leider nicht mitgeteilt, dass die Stadtwerke auch zukünftige Zahlungsverpflichtungen der Steag im Restwert von rund 2,5 Mrd. Euro mitübernommen haben. Das heißt, die Stadtwerke haben für den Kauf von Steag insgesamt rund 3,7 Mrd. Euro aufgewendet. Damit entpuppt sich das Argument, doch „nur“ 1,2 Mrd. Euro für die Steag bezahlt zu haben, schnell als Milchmädchenrechnung.
Dank der Energiewende werden in Zukunft zahlreiche Steag-Steinkohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Das heißt, mit der Steag-Übernahme tragen die Städte ein hohes wirtschaftliches Risiko, und der Deal kann sich bald als ganz große Fehlinvestition herausstellen. Die Kommunalaufsicht täte gut daran, wenn sie der Steag-Übernahme nicht zustimmte.
M.f.G.
Kurt Berlo