(uh) Im jüngsten Wahlkampf griff NRW-Ministerpräsidentin Kraft die SPD-Führung heftig an und zeigte sich überraschend amtsverdrossen. Der Angriff schlug Wellen, die Amtsmüdigkeit nicht. Dabei stellt sich mit Blick auf die nächste Landtagswahl 2017 die Frage: Bleibt Kraft bis dahin im Amt?

Den Ausstieg thematisiert

Die Frage warf sie selber auf. 14 Jahre in Spitzenpositionen hätten Spuren hinterlassen, bekannte sie und fügte hinzu: „Ich bin nicht abhängig von Politik. Ich hab’ was Ordentliches gelernt. Ich könnte auch wieder zurück in die Wirtschaft.“ Es klang so, als wollte sie ihren Ausstieg aus der Politik vorbereiten.

Eine Spitzenpolitikerin, die das Ende ihrer Amtszeit thematisiert, müsste sich der Wirkung ihrer Worte bewusst sein. Seit ihrer Wahl ist Kraft eben nicht mehr Privatperson, sondern Regierungschefin, und zwar rund um die Uhr. Es gehört zu ihrem Amt, beim Wort genommen zu werden. Daraus folgt: Sie thematisiert ihren Ausstieg. Er fiele ihr nicht schwer.

Krafts Äußerung zieht Fragen nach sich. In welcher Branche könnte sie als ehemalige Ministerpräsidentin unterkommen? Welche Funktion könnte sie dort ausfüllen? Wann wäre der geeignete Zeitraum für den Ausstieg aus der Politik? Wann der für den Einstieg in die Wirtschaft?

Mangel oder Mühe

Sollte sie in die Wirtschaft wechseln wollen, müsste sie schon bald gehen, aus zwei Gründen: Ihr Nachfolger braucht Zeit, sich bis zur Wahl 2017 bekannt zu machen. Sie müsste wohl spätestens 2015 gehen, auch um ihre Chancen auf einen attraktiven Job in der Wirtschaft zu wahren.

Morgen wird Kraft 53. Stellt sie sich 2017 zur Wahl, wird sie bis 2018 im Amt bleiben müssen. Dann dürfte es schwerer werden, einen Posten in der Wirtschaft zu finden, zumal die Öffentlichkeit erwartet, dass zwischen dem Ausstieg und dem Einstieg angemessen lange Zeit verstreicht.

Was macht Kraft amtsmüde? Ist es der Mangel an Erfolgen oder die Mühe, die ihr die Erfolge bereiten? Oder beides? Sie sagt von sich, sie sei erfolgreich. Sie schaffte die Studiengebühr und die Gebühr für das dritte Kindergartenjahr ab. Sie verringerte den Rückstand bei den Kita-Plätzen und verhalf den Städten zu mehr Geld.

Enger Handlungsspielraum

Kraft linderte Probleme, behob sie aber nicht. Es fehlt ihr das Geld. Der Plan, in großem Stil soziale Projekte über höhere neue Schulden zu finanzieren, ging bisher nicht auf. Das Verfassungsgericht bremste die Schuldenpolitik.

Die Hoffnung, den Landesetat über Steuererhöhungen zu entlasten, scheiterte an SPD-Chef Gabriel. Die Hoffnung, die verschuldeten Städte rasch durch Bundeshilfen zu entlasten, scheiterte an Bundesfinanzminister Schäuble.

Es zeichnen sich neue Risiken ab, von der Energiewende über die Infrastruktur bis zu den Altlasten der WestLB. Eine Konjunkturkrise und ein Anstieg der Zinsen kann NRW leicht aus dem Gleichgewicht bringen. Sollte das Verfassungsgericht die beiden Tarifkürzungen für Beamte verwerfen, müsste NRW viele Millionen nachzahlen. Krafts Handlungsspielraum würde noch enger.

Tiefer ins Abseits

Das Verhältnis zum Koalitionspartner wird schwieriger. Die Grünen wollen sich von der SPD abnabeln. Die SPD muss an ihnen festhalten, wenn sie in Düsseldorf weiter regieren und sich in Berlin die Option auf das Kanzleramt öffnen will.

Auch die Bundespolitik ist kein Quell der Freude mehr für Kraft, seit sie sich gegen die große Koalition aussprach und dann klein beigab. Ihre Attraktivität für die Bundes-SPD zerstörte sie, als sie schwor, Berlin zu meiden. In der SPD gibt nun Gabriel den Ton an. Mit dem Vorwurf, die SPD-Führung sei intrigant, stellte sich Kraft noch tiefer ins Abseits.

Nachfolge-Kandidaten ausgemacht

Das dürftige SPD-Ergebnis bei der Kommunalwahl kratzt an ihrem Image als Wahlkampfmotor. Dass sie am Wahlabend im Fernsehen lustlos wirkte, bemerkten nicht nur politischen Gegner, sondern auch Parteifreunde.

Kraft vermittelt den Eindruck, sie sei amtsmüde und erwäge den Ausstieg. Soll sich der Eindruck nicht festfressen, muss sie Regierungswillen zeigen. Andernfalls wird sich bald ein Kronprinz bemerkbar machen. Aspiranten sind längst ausgemacht. Den einen gilt Innenminister Jäger als Favorit, anderen Verkehrsminister Groschek.


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6 Comments

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  3. Günter Garbrecht Reply

    Es war doch nur Gewitter und Sturm. Es gab doch keinen Anlass, mit der Stange im Nebel zu stochern.
    Geburtstagsgeschenke gehen anders. Es gab schon mal deutlich bessere Kommentare. Aber so ist das eben im Alter. Nicht immer wird man weiser. Nix für ungut.

    • Martin Böttger Reply

      Können Sie sich auch für andere verständlich ausdrücken? Nehmen Sie sich doch ein Beispiel an Ulrich Horn und schreiben einfach Ihre Meinung.

  4. Dass die Kraft keine Politik aus Idealismus macht, sondern ihre Karriere in der NRW-SPD aus rein materiellen Gesichtspunkten betrieb, wie viele andere Politiker in allen Parteien auch, sollte man als Tatsache akzeptieren. Diese kalkulierte Berufswahl erleichtert dem „Realpolitiker“ so manchem Kompromiss zuzustimmen und dem Parteivolk als Erfolg unterzujubeln. Er hat auch keine Gewissensbisse, dem politischen „Gegner“ Zugeständnisse zu machen, die er vor Wahlen mit Nachdruck ablehnte. Er weiß, dass das unpolitische, treue Mitglied alles akzeptiert – nur keinen Streit. Nicht der skrupellose Wendehals, der Parteitagsbeschlüsse und Wahlprogramme nach seinem Gutdünken umdeutet, wird kritisiert, sondern der „Stänkerer“, der die „eigenen Genossen“ der Lüge und des Verrats bezichtigt.
    Dass die Kraft ihre Fühler nach einem lukrativen Posten in der Wirtschaft schon längst ausgestreckt hat und fündig geworden ist, darauf könnte man wetten.

  5. Wie die SPD mit Frauen umgeht, hat sich ja genügend erwiesen. Warum soll sich Frau aufreiben? Wird es geschätzt und gelohnt in diesem Macho-Verein? Soweit ich das beurteilen kann, NEIN. Also, warum sich aufreiben? Außerdem sind gesundliche Gründe immer relevant, Gesundheit geht immer vor. Und sie sollte sich wirklich aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter aufreiben. Richtig!

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