(uh) Den CDU-Bundestagsabgeordneten Pofalla zieht es zur Bahn. Er hat in der Union und im Kanzleramt lange hart gearbeitet. Nun will er mehr Geld verdienen. Sein Wechsel in die Wirtschaft stößt auf Kritik. Sie ist nachvollziehbar. Den Wechsel nur als Akt privater Begehrlichkeit zu sehen, greift jedoch zu kurz. Es geht vor allem um die Bahn, nicht so sehr um Pofalla.

Schröder setzte Maßstäbe

Sein Wechsel-Plan verstößt nicht gegen Gesetze. Dass Politiker in die Wirtschaft gehen, ist nicht verboten. Dass sie es ohne hinreichende Karenzzeit tun, auch nicht. Pofalla sollte genügend Zeit verstreichen lassen, ehe er zur Bahn geht. Seine Kritiker in den Parteien sollten besser schweigen. Sie erregen sich über einen Missstand, den sie selbst zu verantworten haben. Sie unterließen es, Karenzzeiten durchzusetzen.

Beim Fall Pofalla handelt es sich nicht um einen Skandal, wie man ihn mit den Namen Flick oder Kohl verbindet. Pofalla hat Vorgänger, und er wird Nachfolger haben. Ohne den 631 Bundestagsabgeordneten und 1875 Landtagsabgeordneten zu nahe zu treten: Mancher würde sicher gerne mit ihm tauschen.

Der Weg, den er einschlagen will, ist kein Schleichpfad, sondern eine breite Schneise. Über sie rollte auch der frühere Bundeskanzler Schröder. Der Ex-SPD-Chef setzte Maßstäbe, als er beinahe übergangslos aus dem Kanzleramt ins Gazprom-Imperium wechselte. Viele nutzten wie er ihr Staatsamt als Sprungbrett, ohne oder nur mit kurzer Karenzzeit – Rösler, Clement, Friderichs, Bangemann, Beck, Koch, Altmeier usw, usw. Nicht zu reden von den vielen kleinen, kaum beachteten Transfers in den Ländern.

Armutszeugnis für den Standort Deutschland

Pofallas Wechsel sorgt für Aufsehen, weil er nicht nur eine Frage der politischen Kultur ist, sondern auch eine der politischen Macht. Pofalla soll im Vorstand des vom Bund beherrschten Unternehmens Vorstand für Strategie werden. Damit berühren er und Bahnchef Grube ein dichtes Interessengeflecht.

Die Bahn ist ein Problemfall. Netz und Züge sind unzureichend. Der Streckenausbau schleppt sich hin. Engpässe werden nicht beseitigt. Der Berufsverkehr leidet unter Verspätungen und dem Mangel an Wagen. Der Fernverkehr ist zu langsam und wegen der Verspätungen unberechenbar. Bahnhöfe sind Schmutz- und Schandflecken, für Behinderte und Alte nicht nutzbar. Jeder weiß es: Die Bahn hemmt die Mobilität. Sie ist ein Armutszeugnis für den Standort Deutschland.

Die Mängel wachsen. Sie sind das Resultat von Entscheidungen, die Vorstand, Aufsichtsrat und Verkehrsminister zu verantworten haben. Die letzten Minister kamen aus der SPD der neuen Länder und aus der CSU. Mit dem ehemaligen CDU-Abgeordneten Brunnhuber aus Baden-Württemberg, heute politischer Beauftragter der Bahn, sorgten sie dafür, dass die Bahn in Ostdeutschland, Bayern und Baden-Württemberg kräftig investierte.

Frostige Reaktionen aus dem Interessengeflecht

Gestützt wurde diese Politik von den Küstenländern, die den Ausbau der Bahnverbindungen zur niederländischen und belgischen Küste behindern. Regionale Interessen überlagern seit langem das Bundesinteresse. Der Gipfel: Milliarden fließen in den Stuttgarter Bahnhof, vorwiegend aus Gründen der Stadtentwicklung. Derweil schafft es die Bahn im Rest der Republik nicht mehr, Güter und Personen zügig zu befördern. Soll sie dem wachsenden Transportbedürfnis gerecht werden, muss sie sich ändern.

Der Plan, einen Strategie-Vorstand zu schaffen, deutet darauf hin, dass bei der Bahn die Weichen neu gestellt werden. Das behagt manchen im Interessengeflecht des Unternehmens nicht, wie erste frostige Reaktionen aus dem Aufsichtsrat und der Union zeigen. Die Betroffenen wissen: Pofalla ist nicht der Dünnbrettbohrer, als den ihn mancher Politiker und Journalist hinstellt. Er hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Union seit 2005 die Bundesregierung führt und die SPD auf 25 Prozent schrumpfte.

Baden-Württembergs CDU-Fraktionschefs Hauk rät ihm öffentlich, sein Mandat niederzulegen. Dabei ist Hauks Landesverband alles andere als ein Vorbild. Sein Ex-CDU-Ministerpräsident Mappus wechselte nur dreieinhalb Monate nach seiner Wahlniederlage in die Wirtschaft. Sein Landtagsmandat legte er erst am Tag vor dem Dienstantritt nieder.

Eine Chance für Kraft und NRW

Gelingt Pofalla der Sprung zur Bahn, verliert Baden-Württembergs CDU einen weiteren lukrativen Posten. Mancher dort hat noch Rechnungen mit Merkel offen, nicht zuletzt wegen ihrer Energiewende. Fällt Pofalla auf die Nase, steht Merkel dumm da. Es hieße dann, sie habe nicht mehr die Kraft, einen Vertrauten unterzubringen. Weil viele sie schwächen wollen, arbeiten viele daran, diesen Eindruck zu erzeugen, auch in der Union. Pofallas Scheitern würde als Beginn des Niedergangs der Kanzlerin gewertet.

SPD-Umweltministerin Hendricks signalisiert, sie könne mit Pofallas Wechsel leben. Die Ministerin ist eine Vertraute von NRW-Ministerpräsidentin Kraft. Ihr böte sich die Chance, über einen Kurswechsel bei der Bahn deren Defizite zu beheben, die gerade in NRW große Ausmaße haben und längst auch die Wirtschaft in Süddeutschland behindern. Hat es solche Absprachen in den Koalitionsverhandlungen gegeben, könnten sie ein Grund sein, warum Kraft ihren Widerstand gegen die große Koalition aufgab.


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7 Comments

  1. Johannes Fischer Reply

    Was bei Profalla irritiert, sind die Erklärungen, die unmittelbar nach der Vorstellung des neuen Bundeskabinetts abgegeben wurden und in denen es hieß, er würde aus familiären Gründen den Platz als Kanzleramtsminister räumen und an Altmeier abgeben. Nach den jüngsten Meldungen, Pofalla wechsele zur Bahn auf einen für ihn eigens eingerichteten Posten im Vorstand, der mit weit über einer Millionen Euro pro Jahr dotiert ist, wundert es nicht, dass dieser Wechsel viele Bürger und Journalisten nachdenklich stimmt.

    Über eine Karenzzeit ließe sich sicherlich streiten, im Großen und Ganzen dürften jedoch die wenigsten Menschen ein Problem damit haben, wenn jemand nach seiner politischen Karriere in die Wirtschaft wechselt, um noch einmal „richtig“ Geld zu verdienen, solange er sich auch wirklich aus der aktiven Politik zurückzieht. Aber wieso tischt man dem Wähler das Märchen vom Familienmenschen auf, wenn es in Wahrheit um ganz andere Dinge geht, wie möglicherweise einem Batzen Geld, den man mehr in der Tasche hat? Hält Pofalla das Volk für so blöd, dass es sich nicht vorstellen kann, dass ihn der Job als Bahnvorstand nicht weniger ausfüllt als sein Amt als Kanzleramtsminister? Vermutlich ja, denn sonst würde er nicht den Eindruck erwecken wollen, dass er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen möchte.
    Wer den Bürger für so naiv und blöde verkauft, diese fadenscheinige Story zu glauben, der darf sich nicht wundern, wenn auf einmal alles in Frage gestellt wird.

    Das ist das eine…

    Darüber hinaus möchte ich den ersten Artikel im neuen Jahr nutzen, danke zu sagen für diesen Internetauftritt, der mit seinen strittigen und unstrittigen Beiträgen zum Nachdenken, Diskutieren und hin und wieder auch zum Aufregen animiert. Alles Gute und Gesundheit für 2014 und weiter so.

    • Ulrich Horn Reply

      Vielen Dank für Ihre Wünsche zum neuen Jahr und die vielen interessanten Kommentare der vergangenen Zeit. Ich wünsche Ihnen ebenfalls alles Gute, Gesundheit und Zufriedenheit. Und mir und den Lesern des Blogs, dass Sie ihm die Treue halten und weiterhin kommentieren.

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  3. Ginge es wirklich um die Bahn, hätte die Kanzlerin die Sache anders angehen müssen. Die Bahn läuft nicht, und um dies politisch zu verändern, schickt die Kanzlerin einen ihrer besten Leute ins Bundesunternehmen – das wäre eine Botschaft. Hat sie aber nicht und bei ihrer gewohnten Konsequenz in Personalfragen hätte sie sicher nicht hinter dem Berg gehalten, wenn der Wechsel ihre Idee und politisch motiviert wäre. So ist der fatale Eindruck entstanden, dass es wie bei von Klaeden um eine teure personelle Entsorgung geht, mit dem Unterschied, dass letzterer wirklich in ein privatwirtschaftliches Unternehmen ging. Mögen auch manche spekulieren, er sei der Preis, den Dieter Zetsche dafür zahlen musste, dass er den Klotz der EADS-Anteile vom Daimler-Bein wegbekam.

    Bei Pofalla aber von einem „Wechsel in die Wirtschaft“ zu sprechen, grenzt jedoch beim Staatskonzern Bahn an Aberwitz. Vielen ist doch längst klar geworden, dass eine Bahn, die funktionieren soll, nicht nach den Profitinteressen der Börse geführt werden kann. Sollte es von der Politik aus einen Strategiewechsel in diesem Sinne gegeben haben, den Pofalla durchsetzen soll, wäre die Personalie ein Mißtrauensvotum gegen Bahnchef Grube, der gut arbeitet und es geschafft hat, den Flurschaden seines Vorgängers Mehdorn langsam vergessen zu lassen. Ein Staatskonzern braucht auch keinen „Lobbyisten“, der die Interessen der Bahn gegenüber der Politik durchsetzt. Das käme institutiunalisiertem Wedeln des Schwanzes mit dem Hund gleich.
    Pofalla scheint diesen Wechsel selbst vorbereitet zu haben, sonst ließe ihn die Kanzlerin nicht so im Regen stehen, wie sie es tut. Und damit wird es schlichte Selbstbedienung der Politik und die Schaffung eines Versorgungspostens auf Kosten der Bahnkunden und der Beschäftigten.

  4. Nicht nur in Sachen „Bahn versus Pofalla“ geht es offenbar in 2014 munter genau so weiter, wie es in 2013 schon langjährig geübt worden ist.
    Zum Einen wäre da das System der die „Richtlinien-Kompetenz“ inne habenden Kanzlerin Merkel zu nennen, die erfolgreich eine Art neu-deutsche Paladin-Politik zelebriert, welche doch stark an die Kommissar-Politik des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Honecker in der untergegangenen Ex-DDR erinnert. Auch damals wurden verdiente Weggefährten mit wichtigen Positionen bedacht, um zum Einen die Ideologie der Partei und zum Anderen die Hausmacht des Vorsitzenden zu stärken. Man kann also feststellen: Als ehemalige FDJ-Funktionärin für Agit/Prop hat unsere jetzige – wiederholt ihre Richtlinien aussitzende – Kanzlerin Merkel ihre Hausaufgaben in Sachen „Machterhalt“ sorgfältig gelernt.
    Was nun die Ideologie betrifft, so ist diese Pofalla-Personalie im größeren Zusammenhang des „Hinrichtens“ der deutschen Bahn hin zur Privatisierung und möglichst vollständigen Kapital-Verwertung im Interesse des deutschen Geldadels zu sehen. In dem Zusammenhang die ehemalige Finanzstaatssekretärin der Reste-SPD – also Frau Hendricks, unter dem Ex-Kanzler der Bosse SPD-Schröder – quasi das Amt einer „General-Amnestierenden“ zuzugestehen, das ist nicht nur amüsant, Herr Horn; nein, das ist schon ein journalistisches Hochamt. :-)))
    Machen Sie also weiter so, Herr Horn, im neuen Jahr. Obwohl man schon festhalten sollte, dass Herr Pofalla eher kaum für den gegenwärtigen Zustand der verbliebenen Reste-SPD die Verantwortung trägt. Das war denn doch diese Reste-SPD selbst, mit dem auch von Ihnen erwähnten, neoliberal durchseuchten Personal auf erster Ebene, wie der berühmt berüchtigte Gaz-Gerd. Und auf zweiter und dritter Ebene waren und sind dies die ständig potentiellen Staatssekretäre a la Hendricks oder auch – ebenso dem Seeheimer Kreis zugehörigen – Madame Ministerpräsident Kraft.

  5. Martin Böttger Reply

    Lieber Herr Horn,
    dem Dank und den guten Wünschen von Johannes Fischer möchte ich mich ausdrücklich anschliessen. Auch Ihr Pofalla&Bahn-Text ist das Gescheiteste, was ich zu dem Thema bisher gelesen habe.
    Den Schaden haben beide, Pofalla und die die Bahn. Die Story ist ganz offensichtlich von Gegnern beider durchgestochen worden, denn sie schadet beiden seit Tagen mit immer neuen Details, ohne dass wir bisher wissen, ob sie überhaupt stimmt. Man ahnt ja nur, da muss wohl was dran sein. Und weder der Bahn, noch Grube, noch Pofalla, noch Merkel kann das gefallen. Bei so einem Ärger kann einem schon mal der Langlauf-Ski wegrutschen 😉
    Aber wem nützt es? Dazu geben Sie erste Hinweise, die schlimmsten Feinde sind immer die Parteifreunde, die mir aber den harten Kern der Herkunft noch nicht wirklich offen zu legen scheinen.

    • Ulrich Horn Reply

      Danke für das Kompliment. 🙂 Auch Ihnen alles Gute im neuen Jahr. Ich wünsche mir auch von Ihnen viele Anmerkungen.

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