(uh) SPD-Chef Gabriel freut sich. Die Mehrheit der SPD-Mitglieder hat die große Koalition akzeptiert. Die Befragung nennt er beispielhaft und einen großen Erfolg. Die SPD sei so lebendig wie seit 30 Jahren nicht.  Dass er aufatmet, ist verständlich. Dass er das Mitglieder-Votum überhöht, weniger. Schon seine Vorgänger redeten nach Wahlen die Lage der Partei schön und legten damit das Fundament für die nächste Wahlniederlage.

Mit dem Rücken an der Wand

Mit seiner Lobhudelei ist Gabriel auf dem besten Weg, es seinen Vorgängern nachzumachen. Die große Koalition bewahrt die Partei vor der unangenehmen Aufgabe, Fehler aufzuarbeiten und untaugliches Führungspersonal auszutauschen. Wie nach den Niederlagen 2005 und 2009 schreibt die Partei auch nach der Wahl 2013 ihre Fehler und Versäumnisse fort. Das kann ihr 2017 zum Verhängnis werden.

Nichts kann darüber hinweg täuschen: Der Zustand der SPD ist miserabel. Die Partei ist überaltert, zerrissen und deprimiert. Sie schrumpft stetig. Ihr Führungspersonal ist von Wahlniederlagen gezeichnet. Ihr Verhältnis zur Linken ist nach wie vor desolat.  Die Grünen sind dabei, sich von der SPD zu emanzipieren.

Die Mitglieder-Befragung, die Gabriel nun als Stärke ausgibt, kam aus Schwäche zustande. Die Mitglieder misstrauen dem Vorstand. Der Vorstand hat Angst vor der Basis.  Aus gutem Grund.  Gabriel zwang der SPD den Kanzlerkandidaten auf. Beide verantworten den katastrophalen Wahlkampf und die schlimme Wahlniederlage. Beim Mitglieder-Votum ging es auch um Gabriels Kopf. Er konnte ihn gerade eben noch aus der Schlinge ziehen.

Missmut und Gleichgültigkeit

Das Votum, das er nun bejubelt, bildet das Elend der SPD überdeutlich ab. Die Parteispitze musste alle Register ziehen, um die Mehrheit für die große Koalition zustande zu bringen. Die Mitglieder sahen sich mächtig unter Druck. Dennoch fiel ihr Votum dürftig aus.

Nur 55 Prozent aller SPD-Mitglieder befürworten die große Koalition. Fast ein Viertel lehnt sie ab. Ein knappes weiteres Viertel nahm an der Befragung gar nicht teil. Diese Enthaltungen signalisieren wohl weniger Einverständnis mit der großen Koalition als Distanz, Missmut und Gleichgültigkeit.

Die SPD regiert also demnächst in der großen Koalition gegen den Willen eines beträchtlichen Teils ihrer Mitglieder. Das kann der Partei und der Koalition noch große Probleme bereiten. Sollte es einmal nicht gut laufen, dürfte die Zahl der Mitglieder, die skeptisch auf die Parteiführung und die große Koalition schauen, rasch anwachsen.

Viel Wind in den Medien

Mit der Mitglieder-Befragung hat es Gabriel geschafft, die Partei von der Wahlniederlage abzulenken. Er brachte die SPD mit der Befragung über Wochen in die Schlagzeilen. Das wird ihm in der Partei hoch angerechnet. Die SPD genießt es halt seit jeher, wenn sie die Schlagzeilen beherrscht. Sie hält das für den Beleg ihres politischen Erfolges.

Sie sollte es besser wissen. Der letzte aus ihren Reihen, der viel Wind und Wirbel in den Medien machte, dennoch auf der Stelle trat und auch die Partei kaum einen Schritt weiter voran brachte, war ihr Kanzlerkandidat Steinbrück.

Anders als seinem Vorgänger Steinmeier wird ihm die Genugtuung zu teil, dass die Partei nun trotz ihrer schweren Niederlage wieder regieren kann. Wenn Gabriel und die SPD das als Erfolg betrachten, spricht das Bände.


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11 Comments

  1. sie haben die spd runter gewirtschaftet. früher war spd partei der kleinen leute, durch die bismarck sich bemüßigt sah, die gesetzliche rente einzuführen. –heute parteien so ziemlich gleichgeschaltet, keine ernsthafte opposition. das kann man auch so verkaufen: kein zwist, kein hader, kein streit, wir sind uns einig (wie gute freunde).

  2. Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt der angeblich große Erfolg der SPD, der Mindestlohn, erst 2017. Da kann er ja von der CDU oder von Schwarz-Grün gleich nach der Wahl wieder kassiert werden.

  3. Zunächst einmal darf die SPD sich glaube ich freuen in diesen Tagen. Gabriel hat eine riskante Strategie gefahren, letzten Endes aber keine Fehler gemacht, viele SPD-Inhalte in den KoaV reinverhandelt und damit ein gutes Ergebnis erzielt.

    Im Unterschied zu Ihnen denke ich auch, dass die Beteiligungsraten sehr gut sind: 78% stimmten ab (obwohl die meisten Mitglieder reine Karteileichen sind), über 2.000 Mitglieder sind neu hinzugekommen und 76% stimmten mit Ja. Eine niedrigere Beteiligung um die 50% und eine knappe Zustimmung von 60% wären auch denkbar gewesen – so aber ist dies quasi ein „Traumergebnis“ für Gabriel.

    Allerdings stimmt auch: das positive Mitgliedervotum übertüncht, dass die SPD die Wahl krachend verloren hat und noch keine wirklichen Lehren daraus gezogen hat (siehe auch http://www.danielflorian.de/2013/12/08/cdu2017-cdu-zieht-erste-lehren-aus-der-bundestagswahl-btw13/).

    Auf der anderen Seite wird es in dieser Legislatur auch bei der CDU knirschen, wenn Merkels Nachfolger sich in Stellung bringen. Die Zeit des Abnickens ist erstmal vorbei. Ich halte die Prognose, wie die GroKo am Ende für die SPD ausgeht, deswegen für offen.

  4. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

  5. Drei Fragen, die vermutlich ohne Antwort bleiben werden:

    Welches sind die heutigen theoretischen Grundlagen der SPD in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft?

    Gibt es noch ein sozialdemokratisches politisches Denken?

    Wenn ja, wo kann man das nachlesen?

  6. Der Zug der Reste – SPD – Polit – Lemminge weiter in den neoliberalen Abgrund, die Erste.

    In diesen Tagen ist mir hinsichtlich des Abstimmungsvorganges bei der SPD – und nun dem Ergebnis – und der Berichterstattung darüber in den Massen-Medien oft der Satz durch den Kopf gegangen:

    Madame Merkel in ihrem Lauf zur Macht, halten weder der „SPD-Basis-Polit-Ochs“ und schon gar nicht der ehemalige Patenonkel des Eisbären Knut – also Herr Gabriel – auf.

    Selbst wenn man in der glücklichen Lage ist, nicht darüber entscheiden zu müssen, wer bei der zur Diskussion stehenden Abstimmung in der SPD sich als sozialdemokratischer Polit-Ochs betätigt hat, so bleiben doch die Inhalte dieses Koalitionsvertrages – soweit bekannt – sehr umstritten.

    1. Der gesetzliche Mindestlohn soll also kommen.
    An sich begrüßenswert. Geht es doch dabei nach meinen Recherchen um cirka 6 Millionen Menschen.
    Gegenwärtig müssen diese Zeitgenossen zu Hungerlöhnen malochen.
    Volkswirtschaftlich gesehen wird dies voraussichtlich zu einer Stärkung der Massenkaufkraft um 19 Milliarden Euro führen.
    Der Nachfrage-wirksame Konsum wird aber lediglich um cirka 0,9 Prozent steigen.

    Zu fragen ist also :
    Reicht dies aus, um die Binnennachfrage die nächsten Monate nachhaltig zu steigern?

    Und dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Löhne seit 2000 mindestens um 11 Prozent in der Fläche zu wenig angestiegen sind.
    Wohl gemerkt in der Fläche.
    Als IG Metaller bin ich stolz darauf sagen zu können:
    Nicht die Löhne, für deren Steigerung die IG Metall verantwortlich zeichnet.
    Da sieht es – Gott sei Dank – bedeutend besser aus.

    11 Prozent in der Fläche zu wenig gestiegen sind die anderen Löhne dieses Landes seit dem Jahr 2000 aber, wenn man als Vergleichsmaßstab den jährlich „verteilungsneutralen Spielraum“ in unserer Volkswirtschaft aus „Preis- und Produktivitätssteigerung“ zugrunde legt.

    Und dies alles vor dem Hintergrund, dass die „Endlösung“ des 8,50 Euro-Mindestlohnes erst so gegen 2017 angestrebt
    wird.
    Fazit:
    Obwohl 33 Prozent der im weiteren Sinne „prekär Beschäftigten“ unter einem Tarifvertrag, geschlossen von einer DGB-Gewerkschaft, von solch einer Mindestlohn-Erhöhung betroffen sind, hält sich meine Begeisterung in engen Grenzen.
    Denn kaum einer der für diese Vereinbarung Verantwortlichen käme auch nur eine Woche mit dem dadurch zu erreichenden Verdienst aus.
    Und da ist die Inflation noch gar nicht berücksichtigt.
    Die SPD-Polit-Lemminge sind also seit der Agenda-Politik in 2001 immer noch in Hochform.

  7. (…) Die schaffen sich jetzt selber ab.
    Hat den im Ernst einer geglaubt, dass die nicht in eine große Koalition gehen?
    Die angebliche Mitgliederbefragung war doch nur eine Farce.
    Das Ergebnis (manipuliert) stand doch schon lange fest.

  8. Der Zug der Reste-SPD-Polit-Lemminge in den neoliberalen Abgrund, die Zweite.

    Beim Thema Euro und Europa-Politik und den dazu vorliegenden Vereinbarungen im sog. Koalitionsvertrag sage ich nur kurz:
    Man will ein „Weiter so!“.
    Und zu was dies in Teilen Europas geführt hat, da verweise ich auf das Beispiel Griechenland.
    Einer im Kern noch sozialdemokratischen SPD müsste zumindest ihre Geschichte zu Zeiten der „Endphase Weimarer Republik“ der Begriff „Austeritätspolitik“ von Reichskanzler Brüning und deren Ergebnis – hin zur Hitlerei – ein Begriff sein.
    Dazu nur noch die Ergänzung :
    Eine Fortführung der Merkel`schen Austeritätspolitik mit den Instrumenten Fiskalpakt und „verfassungsmäßige Verankerung der sog. Schulden – Obergrenze“ auf europäischer Ebene, die hat eben auch katastrophale Auswirkungen auf den deutschen Export in die dadurch negativ betroffenen südlichen Länder Europas.
    Und ich bin Betriebsrat in einem Betrieb mit 80 Prozent Export-Quote.
    Wo bleibt die sozialdemokratische Kompetenz in Sachen „volkswirtschaftliche Zusammenhänge und Rahmenbedingungen“ wie zu Zeiten eines Karl Schiller?
    Der Zug der neoliberalen Reste-SPD`ler geht aber weiter – ungebremst – Richtung neoliberalen Abgrund.

  9. Der Zug der Reste-SPD-Polit-Lemminge in den neoliberalen Abgrund, die Dritte:

    Und dann wäre da noch der ultimative – angeblich sozialdemokratische – Hammer des SPD-Erzengels Gabriel :

    Die „abschlagsfreie Rente mit 63 “ bei 45 Beitragsjahren.

    Sollen wir davon absehen, dass aus Versicherungsjahren im SPD-Wahl-Programm die Beitragsjahre im Koalitionsvertrag geworden sind?

    Das ist nämlich keine Kleinigkeit.
    Ausbildungszeiten etwa sind zwar Versicherungs-, aber keine Beitragsjahre.
    Für mich unverständlich, warum die IG Metall-Spitze dem Koalitionsvertrag so zustimmt.
    Denn meines Wissens hat ja die IG Metall zum Ziel ihre Mitgliedschaft auf die – nominell gut – und damit in der Regel länger ausgebildeten Kollegen (Ingenieure) auszudehnen.
    Angesichts der Demographie-Probleme dieses Landes ist es aber schon eine Bemerkung wert, dass von den Kinder-Erziehungszeiten nur drei Jahre als Beitragsjahre gelten.
    Derweil ergehen sich die – nun – Koalitionsparteien CDU/SPD in Wohltaten für die Damen aus deren besseren Kreisen.
    Indem sie sich nämlich für die Frauen-Quote in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen stark machen.
    Nach meinem sozialdemokratischen Verständnis als IG Metaller müssten zumindest tatsächliche Sozialdemokraten fragen, was sie für die allein erziehende Schichtarbeiterin am Band tun könnten.
    Nach dem Willen der willigen Koalitionäre jedenfalls sollen die Zeiten der Arbeitslosigkeit zwar in die 45 Beitragsjahre eingerechnet werden.
    Es bleibt aber völlig unklar, ob auch Zeiten im Sinne des Rechtskreises des SGB II (Hartz IV – Zeiten) berücksichtigt werden sollen.
    Denn nur im Rahmen des Arbeitslosengeldes I werden ja Beiträge in die Rentenversicherung bezahlt.

    Außerdem ist es mit der Rente mit 63 bereits ab dem Jahr 2015 schon wieder „Essig!“

    Denn das früheste mögliche Renteneintrittsalter steigt auch für die langjährig Versicherten (mit 45 Beitragsjahren) parallel zur Rente mit 67.

    D.h.:

    Ab Juli 2014 ist für wenige Betroffene tatsächlich ein abschlagsfreier Renten-Zugang mit 63 bei 45 Beitragsjahren möglich.
    Im Jahr darauf erst mit 63 und einem Monat.
    In den Folge-Jahren immer später.
    Bis so um 2030 für die Berechtigten wieder die schon heute geltenden 65 Jahre Eintrittsalter maßgeblich sind für den frühest möglichen Ausstieg ohne Abzug.
    Das Alles erinnert doch stark an die kommunistische Salami-Taktik.
    Und dies von maßgeblich neoliberalen Verhandlungs-Tätern auf Seiten der neoliberalen Reste-SPD.

  10. Ralf Michalowsky Reply

    Kasimir Sublimer
    SPD-Führer spricht…

    Gottlob, die Wählerei ist vorüber,
    Wir ziehen friedlich ins Meckerhaus,
    das Klassengekämpfe haben wir über,
    Jetzt ruhen wir auf unseren Lorbeeren aus.
    Stimmt an, Genossen, ‚nen milderen Ton…
    Immer rin in die große Koalition!

    Der Jobber und Pfaffe sind Bannerbrüder,
    Denen kann man doch nicht ewig böse sein –
    Haben wir auch geschimpft, jetzt rufen wir wieder:
    Nur herein in den Regierverein!
    Auch Wahlarbeit ist schließlich wert ihren Lohn…
    Immer rin in die große Koalition!

    Und weil wir doch nun mal regieren wollen,
    Im Zeichen der Volksgemeinschaft pp.,
    Da dürfen wir auch Herrn Strese nicht grollen,
    Spezialfabrikant des Locarno-Tee. –
    Was heißt Weihrauch und Börse und Schlotbaron? …
    Immer rin in die große Koalition!

    Zwar haben wir ja den Proleten versprochen,
    Endlich auszumisten den Bürgerstall –
    Tja, Gott, das war in den Wahlkampfwochen…
    Ein sozusagen rein theoretischer Fall!
    In der Praxis, da wissen wir nischt davon…
    Immer rin in die große Koalition!

    1928 (Süddeutsche Arbeiterzeitung, 31.5.1928)

  11. Der Zug der Reste-SPD-Polit-Lemminge in den neoliberalen Abgrund, die Vierte.
    Das eigentliche Problem mit dieser Reste-SPD und ihrem Koalitionsvertrag mit der Merkel-CDU habe ich als IG Metall-Funktionär an der Basis mit der Tatsache, dass die früheren Renten-„Reformen!“ von Rosa-Grün mit der Senkung des Rentenniveaus auf cirka 43 Prozent des letzten Netto beim betroffenen Arbeitnehmer ab Jahrgang 64 mit diesem Koalitionsvertrag weiter festgeschrieben worden ist.
    Kunststück, wird da der eine oder andere geneigte Leser denken: Die damaligen Täter in der SPD unter Ex-Kanzler Schröder, dies sind doch auch weitgehend die aktuellen Verhandlungsführer bei dem zur Diskussion stehenden Koalitionsvertrag. Erwähnt sei hier nur Herr Steinmeier, der frühere Kanzleramtsminister unter dem heutigen Gaz-Gerd Schröder. Stimmt auffallend. Dies ist auch die Parteiführung, welche drei krachende Wahl-Niederlagen zu verantworten hat. Innerparteiliche Diskussion über die Gründe? Fehlanzeige! Dafür wird auf Basis-Demokratie gemacht, und die Basis der Partei darf den Koalitionsvertrag bestätigen.
    Ansonsten wird – analog zur berühmt-berüchtigten Basta-Politik des Genossen der Bosse Schröder – mit bösen Konsequenzen gedroht. Also eine faktisch weiter entwickelte System-konforme Basta-Politik in der ehemaligen Partei von August Bebel. Quasi eine SPD-Placebo-Variante der Merkel`schen „Tina-Politik!“ Es gibt keine Alternative mit dieser sog. SPD-Führung!
    Deshalb, das mit dem Renten-Niveau ein Problem der späteren Jahrgänge ab 1964? Mit Sicherheit.
    Aber auch zunehmend ein Existenz-Problem für diese Reste-SPD des ehemaligen Paten-Onkels von Eisbär Knut, also Herrn Gabriel. Denn mit zunehmend fortschreitender Zeit haben angeblich links ausgerichtete Parteien oder andere Massen-Organisationen – wie z.B. die IG Metall – nur dann noch Glaubwürdigkeit, wenn sie sich rechtzeitig distanzieren. Distanzieren von einer Renten-Systematik und Gesetzgebung, maßgeblich von der Reste-SPD mit zu verantworten, die zu einer flächendeckenden Altersarmut per Gesetz bis weit in Facharbeiter-Kreise hinein führen wird.

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