(uh) Die Überraschung des Wahlkampfes sind die Grünen. Kurz vor dem Wahltag sind sie geschrumpft: In den vergangenen Wochen verloren sie ein Viertel ihres Umfrage-Gewichts. Vor Monaten hofften sie noch, sie könnten die 20 Prozent-Marke erreichen. Heute hocken sie im einstelligen Bereich. Ihren Plan, die schwindsüchtige SPD als Volkspartei zu beerben, können sie – vorerst jedenfalls – zu den Akten legen. Es gibt nun auch grünen Schwund.

Inhaltliches Angebot erweitert

Beide Parteien zeigen sich partnerschaftlich verbunden. Doch der Schein trügt. Sie sind Konkurrenten. Die SPD will Volkspartei bleiben. Sie kämpft gegen die Dominanz der Union und die inhaltliche Hegemonie der Grünen. Sie wiederum haben ihr Programmspektrum erweitert und hoffen, ihren Stimmenanteil zu vergrößern, auch auf Kosten der SPD: Die grüne Zweitstimmen-Kampagne setzt darauf, die schmalbrüstige SPD kräftig anzuzapfen.

In Süddeutschland arbeiten die Grünen seit langem daran, die SPD als zweite Kraft zu bedrängen. Mit der Katastrophe von Fukushima erhielt ihr Bemühen Auftrieb. Bei der Baden-Württemberg-Wahl 2011 überflügelten sie die SPD und degradierten sie in Stuttgart zum kleinen Koalitionspartner.

Das Ziel, grüne Volkspartei zu werden, schien nahe, zumal die SPD inhaltlich und personell ausgelaugt ist. In Ostdeutschland auch von der Linken bedrängt, fiel die SPD bei der Bundestagswahl 2009 auf mickrige 23 Prozent zusammen.  Nachhaltig erholt hat sie sich nicht. Die Grünen versuchen, die SPD-Schwäche zu nutzen. Als wollten sie die SPD beerben, haben sie sich in ihrem Wahlprogramm Themen zu Eigen gemacht, die zum Marken-Kern der SPD gehören.

Bindende Umarmung

Sie rücken soziale und finanzielle Fragen in den Vordergrund. Sie benutzen die Steuerpolitik als Instrument der Sozialpolitik, wie dies die SPD seit jeher praktiziert. Das grüne Wahlprogramm erscheint noch sozialdemokratischer als das Programm der SPD.

Der neue Kurs bleibt bei den Grünen nicht ohne Widerspruch. Die Partei ist gespalten. Der Realo-Flügel hält den Kurs für falsch, beugt sich jedoch der linken Mehrheit. Sie hat die Partei auf eine rot-grüne Koalition festgelegt. Auch das halten die Realos für falsch, nehmen den Lagerwahlkampf jedoch hin.

Die SPD stützt den Kurs des linken Flügels und rückt dabei eng an die Grünen heran. Aus Sorge, sie könnten nach der Bundestagswahl zum Mehrheitsbeschaffer der Union werden, propagiert die SPD ohne Unterlass Rot-Grün. Die Umarmung und die Absage der SPD an eine große Koalition sollen auf die Grünen bindend wirken.

Der Glaubwürdigkeit geschadet

Beides zielt darauf ab, die Differenzen bei den Grünen zu verschärfen, deren linken Flügel zu stärken und den Spielraum der Realos einzuschränken. Je stärker sich die Grünen umarmen lassen, desto schwerer fällt es ihnen, nach der Wahl die Stellung zu wechseln, hofft die SPD. Daher versichert sie wie vom Endlosband, nach der Wahl werde es allen Umfragen zum Trotz Rot-Grün geben. Das klingt wie ein Versprechen und wirkt so, als wolle die SPD die Grünen im rot-grünen Lager einzementieren, damit sie nicht zur Union wechseln können.

Seit sichtbar wird, dass die Grünen in den Armen der SPD liegen, geht es mit ihnen bergab. Trittins Kurs, die Sozial- und Finanzpolitik in den Vordergrund zu rücken, spaltet die grüne Anhängerschaft. Der Kurs findet zwar Widerhall bei Gewerkschaften, schreckt jedoch jene bürgerlichen Wähler ab, die kein Problem mit Schwarz-Grün haben und die Gewerkschaften mit Skepsis betrachten.

Viele dieser Wähler halten die soziale Lage nicht für dramatisch prekär. Sie finden es befremdlich, dass die Grünen die SPD imitieren, statt sich von ihr zu unterscheiden. Viele grüne Stammwähler haben auch registriert, dass Trittins Steuerkonzept anders als behauptet tief in den Mittelstand eingreift und sie selbst betrifft. Das schadet der Glaubwürdigkeit der Grünen, zumal sich die Opferbereitschaft vieler ihrer Anhänger in Grenzen hält.

Als Reclam-Ausgabe beargwöhnt

Den Grünen gelang es stets, ihre Anliegen als Interesse der Allgemeinheit zu stilisieren. Mit dem Rauchverbot übertrugen sie ihre Erziehungserfolge in der Umweltpolitik auf die Gesundheitspolitik. Der Preis war hoch. Er trug ihnen den Vorwurf ein, die Bürger zu bevormunden.

Als im Wahlkampf die Zustimmung schwand, versuchten sie erneut, ein Gesundheitsthema zu setzen, den fleischlosen Kantinen-Tag. Der Veggie-Aktion erweist sich als Rohrkrepierer. Der Bogen ist überspannt, vor allem für die Anhänger, die ohnehin mit der Partei hadern. Sie werfen den Grünen vor, sie wollten in das Privatleben hineinregieren. Union und FDP hauen in die gleiche Kerbe, wohl wissend, dass sie damit auch die SPD treffen.

Der Wahlkampf der Grünen schwächt die Partei. Von der stagnierenden SPD bis zum Ersticken geknuddelt und als deren Reclam-Ausgabe beargwöhnt, schauen die Grünen zu, wie ihre Umfrage-Werte sinken. Unterdessen rührt die SPD weiter Zement an, indem sie unverdrossen ruft, nach der Wahl werde es Rot-Grün geben.


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5 Comments

  1. Der Überfall amerikanischer Geheimdienste auf die Grundrechte der Europäer ist noch maßloser als Guantanamo. Einem Obama, der zum weltpolitischen Noske mutiert, kriechen Merkel und Westerwelle in den Hintern, indem sie es unterlassen, die Bürger dieses Landes gegen die Verletzung von Grundrechten zu schützen.

    Dass dazu auch die Oppositionsparteien schweigen, ist ein Skandal. Die Veggie-Day Trivialitäten der Grünen sind unterirdischer Gipfel einer Entpolitisierung. „Vegatarisches Grillen mit Bärbel Höhn“ angesichts der Übertgriffe von NSA und CIA gegen unsere Grundrechte gleicht einer lächerlichen Sebstenthauptung ehemaliger Politikfähigkeit der Grünen.

    DAS ist die Ursache der rückläufigen Umfrageergebnisse. Und in der Sache sind viele Grüne Stammwähler, die längst maximal ein- oder zweimal in der Woche Fleisch essen und natürlich beim Biometzger einkaufen, angewidert von derart penetranten, sendungsbewußt klischeehaften Verbots- und Verzichtskampagnen und überlegen sich folglich Alternativen zu diesem Rückfall in die Zeit totgeglaubter „Jute und Birkenstock-Missionierungen“.
    Grünwähler sind nämlich selbstbestimmter und emanzipierter, als viele Funktionäre glauben und denken – liberaler, als die FDP heute ist. Nur kann man diese Menschen durch plumpe Staatsgläubigkeit und Bevormundung schnell verlieren. Das Rauchverbot hat damit übrigens nichts zu tun – das ist, wie Umfragen beweisen – nur ein Phänomen von Tabaklobby und FDP.

    Schwerer wiegen die massiven Grünen Kommunikationspannen. Die öffentliche Darstellung eines Steuerkonzepts, das ja in Wirklichkeit 95% der Bürger entlastet als eines, dass 5% mehr belastet, ist ein Desaster.

    Dass niemend kritische Töne gegenüber einer allgemeinen blinden Kriegslust äußert, die sogar von Deutschlandfunk bis TAZ geteilt werden, enttäuscht ebenfalls. Wenn eine altlantische Gemeinschaft statt eines weltlichen, korrupten Despoten lieber Al Khaida in Syrien ans Steuer setzen möchte und dann Grüne dazu schweigen oder rumeiern, ist das doch Grund genug, sich abzuwenden!

    Welche Kompetenz hat eine Partei zu tragen, die wahrscheinlich den Außenminister und Vizekanzler beanspruchen wird, der nichts anderes einfällt, als ähnlich profillos und zögerlich zu agieren, wie die Kanzlerin?

    Das hat übrigens – lieber Ulrich Horn, da verstehen Sie diesmal gar nix davon – überhaupt nichts mit Linken oder Realos zu tun. Es waren immer die „Realos“, die derart unpolitische Kampagnen vorgeschlagen haben, und es ist keineswegs die nicht mehr existente „Linke“, die die Wahlkampfstrategie der Grünen bestimmt. Nein, nein – ihr derzeitiges Tief haben alle Grünen gemeinsam zu verantworten, die sogenannten „Realos“ und ihre evangelische Kirchentagsprinzessin ganz vorne dran, ebenso wie Salonlinke, wie Bärbel Höhn und Claudia Roth, die die Entpolitisierung geduldet oder mitbetrieben haben.

    Ja, es ist Zeit – oder wäre Zeit – jetzt mal wieder Grün auf böse zu schalten und wirkliche Veränderungen wenigstens zu benennen und zu thematisieren! Noch zwölf Tage sind Zeit!

    • Interessanterweise ist das persönliche Erfolgsgeheimnis von Angela „Mutti“ Merkel aber gerade ihre Politiklosigkeit – wenn man ihre sorgsam gepflegte Angepasstheit an die politischen Verhältnisse mal außer acht läßt 😉

  2. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

  3. Dass in dem ganzen Artikel DIE LINKE nicht vorkommt, zeigt das Unvermögen des Schreibers an einer sachlich fundierten Analyse. Die Grünen verlieren an Zustimmung, weil auch sie einem Ausschluss der Linkspartei an einer möglichen rot-rot-grünen Koalition nicht widersprechen. Und diese Ausgrenzung der DIE LINKE, die als einzige die wirkliche Opposition in der vergangenen Legislatur war, macht das ganze Wahlprogramm von SPD und Grüne unglaubwürdig.

    Deshalb: Wer den flächendeckenden Mindestlohn, das Verbot von Leiharbeit und Werksverträgen, weg mit Hartz IV, das absolute Nein für alle Bundeswehreinsätze im Ausland, eine Rückkehr zur Rente mit 65, eine Regulierung der Finanzmärkte, eine Beteiligung der Zocker und Spekulanten an der Finanzierung der Bankenkrise, etc. will, der muss DIE LINKE stark machen.

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