(uh) Die Zeitungsbranche ist im Niedergang. Renommierte Blätter verschwinden vom Markt, oft ein Ausweis verlegerischen Versagens. Die Eigentümer versäumten, ihre Produkte den Bedürfnissen der Kunden und der technischen Entwicklung anzupassen. Obwohl etliche Verlage gutes Geld verdienen, werden sie plötzlich tätig: Sie bauen nicht auf, sie reißen ab.

Von Verlustbringern trennen

Was als freie unternehmerische Entscheidung erscheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als hilflose Reaktion auf den Druck der Banken. Welche Rolle sie beim Strukturwandel der Branche spielen, lässt sich beim Blick auf die WAZ-Gruppe erahnen. Seit sich Petra Grotkamp einen dreistelligen Millionenbetrag von den Banken lieh, um ihren Anteil an der WAZ-Gruppe zu vergrößern, regieren sie dort mit.

Der Kredit wurde unter Auflagen erteilt. Der Konzern muss sie nun einlösen. Er ist zwar noch solvent, leidet jedoch wie andere Verlage unter der Strukturkrise. Bei diesen Bedingungen sind die Geldgeber bestrebt, ihre Einlagen so weit wie möglich abzusichern.

Der Verlag trennt sich von Verlustbringern, um das Heft in der Hand zu behalten und um die Unterstützung der Banken nicht zu verlieren. Das kostet 120 Beschäftigten der Westfälischen Rundschau den Arbeitsplatz. Damit hat die WAZ-Gruppe in NRW längst nicht alle Synergien gehoben. Es gibt noch viele Stellen, an denen sich die Verbreitungsgebiete der Konzern-Zeitungen überlappen, reichlich Material für den kostensenkenden Rückschnitt.

Auch andere Verlage werden sich in nächster Zweit von unrentablen Unternehmensteilen trennen. Wenn sie nicht selbst darauf kommen, werden ihnen die Banken dabei helfen. Man muss damit rechnen, dass sich in nächster Zeit die Verbreitungsgebiete ändern. Manches Blatt wird verschwinden, und vielleicht sogar der eine oder andere Verlag.

Lebensplanungen zerstört

Dieses kühle, sachliche Geldgeschäft, das sich so ähnlich seit jeher auch in anderen Branchen abspielt und der heimliche Motor des Strukturwandels ist, bildet einen scharfen Kontrast zu den aufwühlenden Folgen, die es nach sich zieht. Es greift tief in das Leben vieler Menschen ein, zerstört Lebensplanungen, Hoffnungen und Erwartungen.

Der alter Gemeinplatz „Geld regiert die Welt regiert“ hat mit der Euro- und Bankenkrise ein reales Gewicht bekommen, das viele Menschen be- und erdrückt. Geldgeber wie die Banken, Versicherungen und Fonds, die früher ihr Geschäft eher abseits öffentlicher Aufmerksamkeit betrieben, werden seit einiger Zeit als Mitverursacher und Nutznießer der Krise immer deutlicher sichtbar, zum Schrecken vieler auch in jenen Bereichen, in denen sie lange Zeit kaum wahrgenommen wurden.

Die Armut wächst

Inzwischen ist selbst die öffentliche Hand, die viele Menschen als Schutzschirm gegen die Risiken der privaten Wirtschaft verstehen, unter den Druck der Geldgeber geraten. Auch sie muss sich dem Zwang beugen, den die Regeln des Geldgeschäfts ausüben. Anders als private Unternehmen haben es sich Städte, Bundesländer und Staaten lange Zeit mit immer neuen Schulden erspart, ihre Leistungen an ihren Einnahmen und an ihrer Wirtschaftskraft auszurichten.

Doch inzwischen werden auch sie von den Geldgebern gezwungen, Leistungen einzuschränken, mit tiefgreifenden Folgen für die Menschen. Die Armut wächst. Politiker, die gerade noch Wohltaten verkündeten, müssen nun Belastungen durchsetzen. In Portugal lösen sie sogar ein Viertel aller Gemeinden auf, um Geld zu sparen. Man stelle sich vor, das hoch verschuldete Ruhrgebiet mit seinen 53 Städten sähe sich gezwungen, eine solche Idee umzusetzen.

4 Comments

  1. Roland Appel Reply

    Mit dem Bericht „Global 2000“ Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde klar, dass die Heilsversprechen des Kapitalismus und des „realen Sozialismus“ vom ökonomischen Erfolg der Masse an den ökologischen Grenzen scheitern würden. Dass der Genosse wie der Arbeiter nur geduldig schuften müssten, um auch mal Rolls Royce zu fahren, entpuppte sich als Betrug am Menschen. Kluge Kräfte wollten umsteuern – Erhard Eppler in der SPD und Gerhart Baum in der FDP erfanden den Begriff „qualitatives Wachstum“ als Umschreibung dessen, was später die Grünen „Umbauprogramm“ nannten oder heute „Energiewende“ heißt. Wirtschaftlicher Erfolg durch Gesundung der Umwelt und soziale Gerechtigkeit waren die Triebkräfte.
    Anders dachten und denken die Kaderschulen kapitalistischer Wolfsmentalität: Wo gibt es soziales Eigentum, dass ich mir aneignen, es filetieren und gewinnbringend fressen kann? Reagonomics hämmerte seit 1980 immer neue Märchen in die Hirne der Politik und McKinsey und andere Heuschrecken verbreiteten die Märchen vom „besseren Wirtschaften“ durch Privatisierung öffentlicher Güter und Unternehmen.
    Wohin es uns geführt hat, ist inzwischen klar: Statt der Deutschen Bundespost schuften zahllose Paketdienste, verfahren täglich nicht nur jede Menge Sprit, sondern beschäftigen Tagelöhner in scheinselbständigen Verhältnissen, die spätestens mit 67 in Hartz 4 landen werden, weil sie niemals imstande waren, einen Pfennig privater Altersvorsorge von ihrem Hungerlohn zu erübrigen. Die vor der Privatisierung stehende Deutsche Bahn kommt immer unpünktlicher, ist teuer und der einstmalige Werbspruch „Alle reden vom Wetter – wir nicht“ wird jeden Winter zur Karikatur. Die ganzen privatisierten Institutionen, ob Stadtwerke oder Wasserversorger, Müllunternehmen oder IT-Dienstleister, Museen oder Theater sind pleite oder gehen am Krückstock. Infrastrukturleistungen wie Post und Bahn oder soziale und kulturelle Einrichtungen sind keine Wirtschaftsunternehmen, ebensowenig wie Schulen, Hochschulen oder Krankenhäuser. Das bedeutet nicht, dass diese nicht sparsam und effizient geführt werden sollen, aber eben gerade nicht nach kapitalistischen Grundsätzen, denn sie haben soziale Aufgaben: Es ist systemimmanent und pervers, wenn Chefärzte der Orthopädie Verträge haben, die ihnen Prämien für eine möglichst große Zahl durchgeführter Operationen garantieren, weil diese wiederum den Krankenhausetat durch hohe Erstattungen sanieren. Das System dient nicht mehr den Menschen, die es bezahlen, sondern wird zum Selbstbedienungsladen.
    Wir haben zwar heute viele Handy-Dienstleister auf wenigen Netzen – aber telefonieren ist immer noch Abzocke – nicht mehr durch Gebühren, sondern mit teuren Warteschleifen, hinterhältigen Roaming-Gebühren, künstlicher Trennung von mobilen und stationären Netzen usw.
    Die private Finanzierung von Fernstraßen wird uns als nächste Privatisierungslüge präsentiert und immer geht es darum, jahrzehntelang erwirtschaftetes Gemeineigentum zu privatisieren, profitgängig zu machen und – wie im Falle von Sell-and-lease-Back Geschäften der neunziger Jahre Kommunen über Jahrzehnte zu binden und die Kontrolle über Schlüsselversorgungen wie Wasser, Erdgas, Strom zu erlangen. Die Energieriesen E-On, RWE, Vattenfall und ENBW sind ein gutes Beispiel für Machtkonzentration bei Konzernen, die noch in den 80-er Jahren wie die RWE den Kommunen gehörten und sozial verpflichtet waren. Doch damit nicht genug, zockten einige Banken mit charakterschwachen Kämmerern wie in Hagen äußerst erfolgreich – für die Deutsche Bank.
    Nun sind die Zeitungen dran und einige Verleger, die in den vergangenen Jahren an Renditen um 20% besoffen verdient haben, versuchen nun, diese Profitraten zu verstetigen. Sie verlieren dabei ihre verfassungsmäßige Stellung als „Vierte Gewalt“ in der Demokratie völlig aus den Augen und müssen sich fragen lassen, was sie von der Waschstraße um die Ecke unterscheidet.
    Die Verleger sind seit 10 Jahren nicht in der Lage, ein einfaches, handhabbares Bezahlsystem für ihre Webinhalte zu entwickeln – ich wäre gerne bereit, auf Knopfdruck 5, 10 oder 20 ct pro Artikel zu bezahlen, wenn ich mich nur einmal für alle – für Süddeutsche, Kölner Stadtanzeiger, Spiegel oder WAZ, aber auch das Handelsblatt die „Glocke“ oder „Auto Motor und Sport“ anmelden müsste. Das haben die Verleger verpennt und nun geht der A…auf Grundeis, ist Qualitätsverzicht und asoziale Arbeitgeberpolitik angesagt. Peinlich für eine Zunft, die einstmals in Anspruch nahm, die klügsten Köpfe im Land zu beschäftigen!

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