(uh) SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück erklärt, er werde sich treu bleiben. Das verheißt nichts Gutes, hinterließ er doch in jüngster Zeit den Eindruck, als sei er sich der Tragweite seiner Worte nicht immer bewusst. Das wurde sehr deutlich, als er den Umzug der Bonner Ministerien nach Berlin thematisierte. Die Empörung war groß, nicht nur, weil er ein lokales Tabu verletzte. Er griff in den Konkurrenzkampf der deutschen Metropolen ein.
Das Ruhrgebiet verfällt
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich drei Zentren von nationalem Gewicht herausgebildet: Hamburg im Norden, München im Süden und Berlin im Osten. Im Westen gelang eine solche Zentrierung nicht. Das Ruhrgebiet, der größte deutsche Ballungsraum, schrumpft und verarmt. In der Rheinregion versuchen Bonn, Köln und Düsseldorf, sich gegen den Metropolenanspruch des Bankenzentrums Frankfurt zu behaupten.
Hamburg, Berlin, München und Frankfurt haben große Entwicklungsvorteile. In ihrem Umland gibt es keine Konkurrenz. Berlin und Hamburg sind zugleich Bundesländer. Wer dort regiert, macht die Interessen dieser Städte bundesweit geltend. Ähnlich verhält es sich mit München und Frankfurt. Wer Bayern und Hessen regiert, setzt das Gewicht des Landes ein, um der größten Stadt im Land Vorteile zu verschaffen.
In NRW gelingt das nicht. Das Ruhrgebiet verliert Einwohner und verfällt, während es blühende Landschaften im Osten mit Millionen fördert. Dabei erfordern Rückbau und Sanierung der eigenen Infrastruktur Milliarden, die aus Steuern kaum aufzubringen sind. Die Ruhrindustrie ist verlor viele Arbeitsplätze, während sich die Regionen jenseits der Reviergrenzen zu starken Produktionsstandorten entwickelten.
Handicaps der Rhein-Städte
Bonn, Köln und Düsseldorf liegen nahe beieinander. Sie wachsen zwar, müssen jedoch mit Handicaps kämpfen. Sie konkurrieren nicht nur mit Hamburg, München, Berlin und Frankfurt, sondern auch gegeneinander, und können zudem der rückhaltlosen Förderung der rot-grünen Landesregierung nicht sicher sein. Sie ist zwar dem rot-grün regierten Köln gefällig, will aber dem schwarz-gelb geführten Düsseldorf Entwicklungschancen beschneiden.
Das parteipolitische Lavieren der NRW-Regierung hat Tradition. Auch ihre Vorgänger haben es in den vergangenen beiden Jahrzehnten versäumt, eine Politik zu entwickeln und im Bund durchzusetzen, die zur Stärkung der NRW-Ballungsräume führt. Alle Kräfte und Mittel waren darauf gerichtet, das Tempo des Strukturabbruchs zu bremsen. Für den Ausbau der Infrastruktur fehlten Wille, Kraft, Verbündeten und Geld. Heute hemmen die Engpässe in NRW die wirtschaftliche Entwicklung – auch anderer Länder.
NRW-Interessen außer acht gelassen
Wie sehr eine Stadt profitieren kann, wenn sich die politischen Kräfte konzentrieren, zeigt sich in Hannover. Unter der Ägide von Ministerpräsident und Bundeskanzler Schröder wurde der Hauptbahnhof modernisiert und zum riesigen Einkaufszentrum ausgebaut. Derweil verfielen in NRW die Bahnhöfe weit größerer Städte.
Es ist bezeichnend, dass der frühere NRW-Ministerpräsident Steinbrück die Interessen seiner politischen Heimat NRW und seines Wohnortes Bonn außer acht ließ, als er den Umzug der Bonner Ministerien thematisierte. Der Wechsel würde Bonn und Köln Kaufkraft und Steuereinnahmen kosten. Ein Kanzlerkandidat aus Hessen, Bayern oder Hamburg wäre auf diese Weise sicher nicht entgleist.
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Die Region Köln/Bonn ist in Deutschland Zentrum der Kunstoff verarbeitenden Industrie, nach München der zweitgrößte IT-Standort und Köln ist ein Zentrum der Versicherungswirtschaft. Köln und Bonn sowie die Kreise Rhein-Sieg und Erft wachsen entgegen dem Bundes- und NRW-Trend, brauchen mehr, nicht weniger Kinderbetreuungplätze und sind nach wie vor ökonomisch und kulturell attraktiv. Nichts davon ist Ergebnis von Politik. Klüngel jedweder Couleur hat sich in Korruptionsskandale wie die Kölner U-Bahn oder das Bonner Kongresszentrum WCCB verstrickt. Wirtschafts- und Seilschaftenklüngel wie der Esch-Fonds, der mit Kölner Rathaus und Messe die Steuerzahler abzockt, haben es wie die Politik nicht geschafft, die Attraktivität der Region, die durch die Menschen und ihre Lebensart geprägt wird, zu ruinieren. Dieser Westen braucht keinen Steinbrück, der von diesem Land so viel versteht, wie die Kuh vom Klavier spielen.
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