(uh) Die SPD will die Bundestagswahl offenbar gar nicht gewinnen. Seit Wochen steht ihr Kanzlerkandidat Steinbrück wegen seiner Nebentätigkeiten und der hohen Honorare unter Beschuss. Die Partei lässt ihn im Feuer stehen. Niemand gibt ihm Deckung.
Viele fühlen sich genötigt
Es scheint, als schauten seine Parteifreunde zu, ob er es schaffen könne, sich mit eigener Kraft aus der Schusslinie zu bringen. Man könnte meinen, die Partei stünde auf dem Standpunkt: Er hat sich in den Mist gefahren – nun soll er sehen, wie er da wieder raus kommt.
Das Schweigen der Partei scheint die einzige Gunst zu sein, die sie ihm gewährt. Die Einsamkeit des Kandidaten kommt nicht von Ungefähr. Als Anhänger der Agenda-Politik hat Steinbrück die Mehrheit der SPD gegen sich. Sie ist gerade dabei, die Schäden dieser Politik zu beheben. Die Mehrheit fühlt sich von ihm nicht repräsentiert.
Auch die Umstände seiner Nominierung haben viele verärgert. Es wird scharf kritisiert, dass der vereinbarte Zeitplan nicht eingehalten wurde. Viele wollten sich zunächst über das Wahlprogramm verständigen und dann erst den dazu passenden Kandidaten auswählen. Nun sehen sie sich genötigt, das Programm am Profil des Kandidaten auszurichten.
Jede Menge Frust und Ärger
Auch sein Wahlziel, eine rot-grüne Koalition, wird beargwöhnt. Viele können ihn sich im Bündnis mit den Grünen kaum vorstellen. Es wird bezweifelt, dass SPD und Grüne eine Mehrheit finden. Größere Chancen, Merkel abzulösen, sieht man in einem Dreier-Bündnis. Doch eine Koalition mit der FDP erscheint der SPD-Linken ein Graus. Dass sich Steinbrück auf Rot-Rot-Grün einlassen könnte, gilt als ausgeschlossen. Mancher glaubt, er kandidiere nur, um die große Koalition zu ermöglichen, in der er dann keine Rolle mehr spielen will.
Auch das endlos scheinende Ringen um Kompromisse in inhaltlichen Fragen sorgt für jede Menge Frust und Ärger. Die Suche nach Konsens erleichtert Steinbrück nicht. Seit er der Kanzlerkandidat ist, ist die Partei an ihn gekettet. Sie kommt nicht umhin, sich mit ihren Plänen auf ihn zu orientieren, wenn sie ihn nicht demontieren und sich selbst nicht schaden will.
Frage nach der Glaubwürdigkeit
In dieser labilen Lage voller Unzufriedenheit finden viele in der Partei die Honorar-Diskussion besonders abstoßend. Vor allem verübeln sie ihm die 25.000 Euro, die er von Bochums Stadtwerken kassierte. Dass diese Zahlung mit Vorstandschef Wilmert und Aufsichtsratschefin Scholz ausgerechnet zwei führende SPD-Mitglieder zu verantworten haben, bedrückt und entsetzt viele. Scholz wird es als Oberbürgermeisterin der tief verschuldeten Stadt schwer haben, von den Bürgern weitere Sparopfer zu fordern.
Längst stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit. Das Stadtwerke-Honorar nicht das einzige Entgeld, das die Partei verstört. Für einen Auftritt bei der Gelsenwasser AG, die den Städten Dortmund und Bochum gehört, erhielt Steinbrück 10.000 Euro. Chefin des Gelsenwasser-Aufsichtsrates ist Bochums SPD-Oberbürgermeisterin Scholz. Wilmert sitzt ebenfalls im Gelsenwasser-Aufsichtsrat.
Stets als Solist aufgetreten
Diese Verbindungen, die den alten Filz-Vorwurf gegen die SPD beleben, lassen es selbst jenen, die Steinbrück politisch nahe stehen, angeraten erscheinen, sich mit Solidaritätsbekundungen zurückzuhalten. Aus Sorge, sich selbst zu beschädigen. Niemand will sich dem Verdacht aussetzen, er billige dieses Verhalten.
Erstaunt nimmt man in der Partei wahr, dass ausgerechnet jene Kräfte in der SPD, die Steinbrück verbunden sind, sich nicht scheuen, ihn mit der unbewiesenen Behauptung in Verlegenheit zu bringen, bei den 25.000 Euro handele es sich nicht um Honorar, sondern um Spendengeld. Ein ganz erstaunlicher Versuch von Scholz und Wilmert, sich auf Steinbrücks Kosten von Vorwürfen freizustellen.
Nun wirkt sich nachteilig aus, dass es Steinbrück im Laufe seiner Karriere nicht gelungen ist, fähige Leute mit politischem Gewicht um sich zu scharen und an sich zu binden. Stets gefiel er sich darin, als Solist aufzutreten. Und so findet sich derzeit niemand, der ihm in Notlagen ohne Vorbehalt beispringen mag.
4 Comments
Nicht alle lassen ihn im Regen stehen:
http://www.danielflorian.de/2012/10/31/steinbrueck-nebeneinkuenfte-politik-nach-dem-opportunitaetsprinzip/
Aber im Ernst: die Kür von PS war nicht ideal, die Nebeneinkunftsdebatte unschön (aber nicht kritisch – sie fällt ja auf die Koalitionäre zurück). Bochum hat auf den ersten Blick ein Geschmäckle, aber es schien sich ja wohl eher um ein Missverständnis als eine versuchte Einflussnahme zu handeln. Und bei der Diskussion muss man auch beachten, dass die Stadtwerke ein gewinnorientiertes Unternehmen sind und nicht ohne weiteres mit dem Rathaus gleichzusetzen.
Am Ende läuft es auf die Frage hinaus, ob die Menschen PS vertrauen – deswegen ja auch die Versuche, in implizit mit Korruption in Verbindung zu bringen. Aber mein Eindruck ist, dass das an PS abperlt – er kann sich des Eindrucks von Filz erwehren.
Und was die Partei betrifft: jeder K-Kandidat hatte eine eigene Mobilisierungsstrategie (Gabriel sollte die Basis mobilisieren, Steinmeier die Wähler, die eine Große Koalition wünschen und PS die unzufriedenen von CDU und FDP. Oder vereinfacht ausgedrückt: PS muss nicht von der Partei geliebt werden, sondern von den Wählern.
Sorry, aber der Atrium-Talk wird als Charity Veranstaltung propagiert und das stadtbekannt und offiziell.Die Spenden sind letztlich das einzig wirklich gute an dieser Werbe- und Imageveranstaltung, denn sie werden von gemeinnützigen Einrichtung unbednigt gebraucht.
Es ist also mehr als peinlich, wenn sich Steinbrück damit rausredet, dass es vertraglich dazu keine Verpflichtung gegeben hat. Er ist es, der die Stadtwerke Bochum, bzw. Scholz und Wilmert zu seinem eigenen politischen Vorteil in einem schlechten Licht stehen lässt. Kein Wunder, dass sie ihm das nicht einfach durchgehen lassen.
Herr Steinbrück wird es demnächst den arbeitslosen Opelmitarbeitern erklären müssen, dass er von den Stadtwerken, früstlich entlohnt worden ist.
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