(uh) Eile zahlt sich nicht aus. Diese Erfahrung macht derzeit die SPD. Sie nominierte Steinbrück früher als geplant zum Kanzlerkandidaten, um die ausufernde Diskussion über die Troika zu beenden. Die Partei wollte ihre Energie auf den Kampf gegen Merkel und die Koalition konzentrieren. Dazu schien ihr der Spitzenkandidat erforderlich. Nun hat sie ihn. Und wird mit ihm nicht froh.

Es hilft nur Transparenz

Für einen Moment beflügelte er zwar die SPD. In einer Umfrage legte sie spürbar zu. Ob das von Dauer ist? Inzwischen droht er der Partei eher zur Last zu werden. Statt Merkel zu attackieren, muss er sich nun verteidigen.

Die Vorwürfe sind nicht von Pappe. Sie drehen sich um Frage, ob er sich korrumpieren ließ. Missbrauchte er sein Bundestagsmandat und die Einrichtungen des Bundestages für einträgliche Vorträge? Hätte er Geld von einer Kanzlei nehmen dürfen, die er als Finanzminister mit einem teuren Mandat beauftragte? Wer waren die Kunden, die seine Vorträge bezahlten? Ist er ein Lobbyist der Banken?

In Krisen wie dieser hilft nur eines: Transparenz. Das Schicksal von Ex-Bundespräsident Wulff müsste Steinbrück zu denken geben. Wulff verweigerte die rückhaltlose Aufklärung und musste dann erleben, wie ihn der Mahlstrom der Medien allmählich zerrieb.

Zunehmende Kritik in der eigenen Partei

Ob es der SPD gelingt, Steinbrück zur Offenheit zu bewegen? Was er tut und lässt, betrifft nicht nur ihn selbst, sondern auch die Partei, seit sie ihn zum Kanzlerkandidaten machte. Beide tragen Verantwortung füreinander. Ihre Fehler schaden ihm, seine Fehler ihr.

Die Zukunft der Banken soll tragendes Wahlkampfthema der Partei werden. Irritationen in diesem Bereich, wie sie Steinbrück nun auslöst, schaden dem Anliegen und dem Wahlkampf der SPD. Dass er sein Verhalten untadelig findet, kann nicht der Maßstab sein, mit dem sein Verhalten zu bewerten ist. Er spricht sich selbst frei, unterstellt seinen Kritikern böse Absichten und verfährt nach der Devise: Augen zu und durch. Damit wird er nicht weit kommen.

Das befürchtet man auch in seiner Partei. Auch dort wird zunehmend Kritik an ihm laut. Sie signalisiert, dass seine Schonfrist nicht unbegrenzt ist. Diese Ansicht könnte sich in der Partei und unter den Wählern der Mitte rasch ausbreiten. Dann wären alle Anstrengungen, die Mitglieder zu mobilisieren und die bürgerlichen Wähler zu erreichen, verlorene Liebesmühe.

Die eigene Krise managen

Vielleicht könnte es der SPD helfen, sich an die FDP zu erinnern. Deren Ex-Chef Westerwelle hielt als Oppositionspolitiker gut bezahlte Vorträge vor Hoteliers. Nach der Wahl, in der Regierung, half die FDP dann den Hoteliers, viele Millionen Steuern zu sparen. Die Empörung war damals groß. Die FDP stürzte in den Umfragen ab. Und erholte sich bis heute nicht.

So weit muss es mit Steinbrück und der SPD nicht kommen. Noch ehe beide in die Lage geraten, in der nächsten Bundesregierung die Euro- und die Bankenkrise zu managen, sollten sie vorführen, dass sie ihre eigene Krise in den Griff bekommen. Unterschätzen sollten sie das Problem jedenfalls nicht. Einmal dabei, werden sich die Experten des investigativen und des Boulevard-Journalismus anfeuern, Steinbrücks frühere Aktivitäten in allen Facetten zu durchkämmen.

Bis zur Bundestagswahl ist es zwar noch eine Weile hin. Dennoch müssten der SPD und ihrem Spitzenkandidat daran gelegen sein, den Deckel rasch auf den Topf bekommen. Überkochendes frisst sich schnell dauerhaft fest. Es wäre schon eine bemerkenswerte Fügung, wenn der Kandidat, von dem sich die Partei erhofft, er würde sie aus der Opposition herausführen, nun dazu beitrüge, sie im Umfrageloch einzubetonieren.

1 Comment

  1. Roland Appel Reply

    Sag ich doch! Abgeordnetenwatch hat berechtigte Fragen gestellt. Die sind auch zu beantworten, denn gute Reden dürfen auch gutes Geld bringen. Mit Arroganz und Ignoranz aber ist Ende Gelände!

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