(uh) Der Schein trügt. Zwei Politiker, die es oft verstanden, diesen Umstand zu nutzen, sind Wolfgang Clement und Bodo Hombach. Bis vor kurzen schien es, als seien sie in jener Sackgasse gelandet, in der Prominente den Ruhestand verdösen. Doch der Schein trügt. Die alten Weggefährten haben wieder zueinander gefunden. Und sind höchst aktiv.
Aus dem Abseits herausgetreten
Clement schien nach dem Austritt aus der SPD im Abseits. Zwar half er der FDP im NRW-Wahlkampf. Doch das wurde als Skurrilität abgetan. Die Medien sahen ihn am Ende. Ein Irrtum. Kürzlich wurde er Chef der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).
Sie wird vom mächtigen Unternehmensverband Gesamtmetall und anderen Verbänden getragen und soll wirtschaftsliberalen Positionen Geltung verschaffen. Der 72jährige Clement steht nun an der Spitze jener Denkfabrik, die als wirkungsvollste Lobbykraft der Arbeitgeber gilt.
Viel Erfahrung mit den Medien
Mit der Bankenkrise 2008 wurde es etwas ruhiger um sie. Der wirtschaftsliberale Schlachtruf „Privat vor Staat“ schien von der Realität widerlegt. Der Staat musste die Wirtschaft retten. Die INSM büßte Einfluss ein, wenn auch manchem nicht genug.
Spötter meinen, Clement seien viele Vorhaben misslungen, er werde auch die INSM zugrunde richten. Das könnte sich ebenfalls als Irrtum erweisen. Clement kennt sich mit und in den Medien aus, über die seine Denkfabrik hauptsächlich wirkt. Er versteht es, Anliegen mit viel Energie und Nachdruck zu vertreten.
Nicht auf die faule Haut gelegt
Wer meint, ihm fehle taktisches und strategisches Geschick, um die INSM in Stellung zu bringen, könnte ebenfalls auf dem Holzweg landen. Denn Clement agiert nicht allein. Sollte Not am Mann sein, kann er sich guten Rat holen, vor allem bei seinem alten Freund Bodo Hombach.
Er liegt seit seinem Abschied von der WAZ auch nicht auf der faulen Haut. Er moderiert den Initiativkreises Ruhr, dessen 70 große Unternehmen sich dem Strukturwandel des Ruhrgebiets verschrieben haben. Und er hat seine eigene Denkfabrik gegründet, deren Präsident er nun ist: die „Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik“ (BAPP). Sie soll den Austausch zwischen Politik und Wirtschaft fördern. Eine ideale Ergänzung zur INSM.
Partner aus fast allen Parteien
Finanziert wird BAPP auch durch Spenden aus der Industrie. Im Kuratorium sitzen Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Medien und Sport. Die Chemiebranche ist mit Evonik-Chef Engel und IG BCE-Chef Vassiliadis stark vertreten. Engel ist auch Präsident des einflussreichen Verbandes der Chemieindustrie (VCI), der breit in die Politik hineinwirkt. Die BAPP-Gremien spiegeln diesen Ansatz wider. Sie sind politisch weit gespreizt. Es finden sich dort Inhaber roter, schwarzer, gelber und grüner Parteibücher.
Im BAPP-Kuratorium sitzt auch Wolfgang Clement. Ihn und Hombach verbindet eine lange, enge Kooperation. Hombach galt in dem Gespann als der kreativere, kommunikativere, strategischere Kopf. Er half Clement, NRW-Ministerpräsident, und Schröder, Kanzler zu werden.
Als Ratgeber gefragt
In der Ära Schröder setzten Hombach und Clement alles daran, die SPD an die Wirtschaft zu rücken: Hombach als Mitverfasser des Schröder-Blaire-Papiers, das einen dritten Weg zwischen Sozialdemokratie und Wirtschaftsliberalismus propagierte und später in die Agenda 2010 mündete. Deren Kernstück, die Hartz IV-Gesetze, setzte Clement dann als Superminister um.
Ihr Versuch, aus der SPD heraus deren Distanz zur Wirtschaft zu verringern, wollte nicht recht gelingen. Sie gerieten an den Rand der Partei. Clement verließ sie, als sie seiner Provokationen überdrüssig war. Hombach blieb. Er lässt verlauten, SPD-Chef Gabriel suche seinen Rat und finde ihn.
Ein viel größeres Rad drehen
Mit der BAPP und der INSM können Hombach und Clement großen Einfluss ausüben. Heute geht es nicht mehr nur darum, in einer Partei deren Distanz zur Wirtschaft zu verkürzen. Nun gilt es, ein größeres Rad zu drehen. Die Wirtschaft soll näher an die Politik und an die Bevölkerung heranrücken.
Längst hat Hombach diagnostiziert, die Politik bringe nicht mehr die Kraft auf, die Zustimmung der Bevölkerung für Industrieprojekte einzuwerben und zu gewinnen. Diese Aufgabe müsse die Wirtschaft selbst übernehmen, fordert er. Mit der BAPP und der INSM haben er und Clement nun Instrumente in der Hand, diese große Aufgabe anzugehen.
3 Comments
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Ahl Sozis ahlglatt!
In Abwandlung eines alten BAP-Titels kann man nur den Kopf schütteln, wer hier als ideologische Mittelstreckenraketen vom der Rat- und Kopflosen Teil der möchtegern Arbeitgeberschaft in vorderste Front geschickt wird. Denn beim Blick auf das Kuratorium der INSM fallen ja nicht gerade Vertreter der Zukunftsideen dieser Welt auf, sondern eher die langweilenden Hardliner wie Martin Kannegießer und Arnulf Baring.
Das Problem ist auch nicht, dass ein ewig unzufriedener Wolfgang Clement, der es mit 72 immer noch nicht zu Hause aushält – der Mann soll ruhig mal wieder raus und ein paar Auftritte in der schönen Anscheinpolitik von Maischberger bis Jauch werden für ihn schon dabei rumspringen!
Interessant ist, dass die dahinter stehenden und finanzierenden Kräfte wie Gesamtmetall offensichtlich meinen, Clements von keinerlei Nachhaltigkeit geprägte Vorstellung von industrieller Saurierwirtschaft der 60er und 70er Jahre wären nun reif, dass er damit wieder ein Publikum erreichen könne. Da möchte man doch Wetten abschließen, dass der Atomausstieg demnächst zur unsozialen Sache erklärt wird und ein „soziales Neudenken“ der Kohle und der Atomkraft wieder ins Spiel gebracht wird. Oder welchen Segen doch die Leiharbeit dem Arbeitsmarkt gebracht habe, dass aber Mindestlöhne und andere soziale Verwirrungen und Sozialleistungen der Merkelschen Ära auf den Prüfstand gehören.
Für den Wahlkampf 2013 heisst das, ein Teil der Wirtschaft versucht, eine SPD, die neuerdings schon mal mit dem Mittelstand redet und lernt, dass 99% kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland die Arbeitsplätze schaffen und somit klug geworden ist, durch gesellschaftlichen Rückenwind für die Vizekanzlerkandidaten Steinbrück oder Steinmeier wieder ins industriepolitische Nirwana zurückzuführen.
Damit die SPD gar nicht auf die Idee von gesellschaftlichen Mehrheiten kommt, zu denen eine moderne Mittelstandspolitik gehört, die sich auf die Erfahrung von Hightech-KMU ebenso e dem Handwerk stützt, das übrigens einen ganz großen Teil der Energiewende längst umsetzt, während RWE, E-ON und Co. schwätzen und nur neue Subventionen fordern. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik, die auf die Erfahrungen von Familien- und Kleinunternehmen setzt, die wirtschaftliche Verantwortung übernehmen, ohne dabei auf Subventionen zu schielen und eine SPD-Finanzpolitik, die nicht wie Steinbrück bei der Finanzwirtschaft gegen atronomische Honorare Reden hält, sondern deren finanzielle Luftblasen zerplatzen lässt, – das wäre schon eine Bedrohung dieser Interessenverbände.
Mit Bodo Hombach hat die beschrebene „Achse“ zwar einen bewährten Intriganten als Mitspieler, aber nur, wenn ihn die SPD denn noch spielen lässt, was zu bezeifeln ist. Es mag nämlich sein, dass nach Hannelore Krafts Neuanfang in NRW vielen Mitgliedern und Kommunalpolitikern der SPD die Erkenntnis dämmert, dass es zum erfolgreichen Regieren in Zukunft mehr braucht, als nur als die bessere Alternative zur überflüssigen FDP für Frau Merkel und die CDU als Koalitionspartner bereit zu stehen. Für zumindest zwei Herren mittleren Alters sicher nicht den Karriereerwartungen entsprechend, aber für die SPD vielleicht sogar ein Glücksfall.
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