(uh) Ohne Weihrauch und Nebelkerzen kommt auch die Landespolitik nicht mehr aus. Das zeigte sich an diesem Wochenende eindrucksvoll. Da segneten die Delegierten von SPD und Grünen in NRW auf Parteitagen den jüngsten Koalitionsvertrag ab. Während die Medien das 200 Seiten umfassende Werk mit Skepsis betrachten, lobten die beiden Koalitionspartner ihr Konstrukt über den grünen und roten Klee.

Die NRW-Bürger müssten das peinliche Eigenlob der Parteien schon richtig einschätzen können. Seit 1995 wurden ja bereits fünf Koalitionsverträge abgeschlossen, vier allein von SPD und Grünen. Alle fünf Verträge haben nicht gehalten, was sie versprachen. Die Politik hat die Lebensbedingungen in NRW kaum erleichtert.

Vielmehr wuchsen die Probleme im Laufe der Jahre beträchtlich. Die Politik hat sie wachsen lassen, manche auch selbst verursacht. Politisches Versagen gibt es eben nicht nur in Griechenland, wie die Schlagzeilen der vergangenen Tage belegen.

In Köln und Düsseldorf, so war zu lesen, könnten bis 2017 rund 50.000 Wohnungen fehlen, ermittelte eine Studie. Der absehbare Wohnungsmangel wird zu steigenden Mieten führen. Darunter haben vor allem Bezieher kleiner Einkommen zu leiden. Ist das politisch verursacht? Ist das politisch gewollt?

In Dortmund kann jede vierte Mutter die Erstausstattung für ihr Kind nicht mehr bezahlen. Anträge auf Hilfen bei der zuständigen Bundesstiftung gehen ins Leere, weil deren Mittel aufgebraucht sind. In anderen Städten wird es ähnlich stehen. Wie ist es um die Chancen dieser Kinder bestellt? Wie und wann wird die Politik ihnen gegenüber das Versprechen einlösen, in NRW werde kein Kind zurückgelassen?

Dortmund und auch andere Städte müssen demnächst mit einer Klagewelle rechnen, weil zu wenige Betreuungsplätze für unter Dreijährige bereit stehen. Auch das ist ein Beispiel für politisches Versagen. Und wie konnte die Politik zulassen, dass jeder fünfte Jugendliche trotz staatlicher Hilfen von Armut bedroht ist, wie kürzlich zu lesen war? Warum wird die Politik nicht früher auf die Probleme aufmerksam und gegen sie tätig?

Auch zum Industriestandort NRW gibt es betrübliche Nachrichten. Der Flughafen Dortmund kämpft ums Überleben. Das gleiche gilt für Opel in Bochum. Im Ruhrgebiet sorgen sich Unternehmen um qualifizierbaren Nachwuchs. Die Uni Bochum scheitert im Elite-Wettbewerb. Die Verkehrsprobleme wachsen weiter. Ein Plan für die Energiewende liegt in NRW noch nicht vor. Stromintensive Unternehmen und viele Bürger befürchten, die Stromkosten könnten explodieren. Ein Konzept zur Entwicklung des Ruhrgebiets sucht man bisher vergeblich.

Viele Jahre schaute die Politik zu, wie die Städte in Schulden versanken. Bundestags- und Landtagsabgeordnete aus NRW fassten Beschlüsse, die den Städten immer größere Lasten aufbürdeten. Die Kommunalpolitiker ließen ihre Abgeordneten gewähren. Die Parteibasis kam gar nicht auf die Idee, sie abzustrafen, obwohl sie mit ihren Entscheidungen die Lebensqualität in den Städten einschränkten.

Als Folge dieser Versäumnisse muss nun an allen Ecken und Enden gespart werden. Das trifft vor allem die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen, die auf öffentliche Dienstleistungen angewiesen sind. Die Finanzierungshilfen des Landes reichen bei weiten nicht, um den Absturz der Städte abzufedern. Vor tiefgreifenden Strukturkorrekturen schrecken die Städte noch zurück.

Konzepte zur Steigerung der Wirtschaftkraft bieten die Bundestags- und Landtagsabgeordneten nicht an. Wirtschaftsminister Voigtsberger (SPD) braucht fünf Monate, um in Düsseldorf eine Hochstraße zu begutachten, die unsicher ist. Damit blockierte er ein riesiges Bauprojekt, dem die Hochstraße im Wege steht. So verhält man sich, wenn man nicht auf den Cent schauen muss. Das Bekenntnis zum Industriestandort NRW, das sich im Koalitionsvertrag findet, sorgte jedenfalls nicht dafür, dass sich Voigtsberger beeilte.

Die Städte in NRW können es sich nicht mehr leisten, die Dinge treiben zu lassen. Wenn sich die Kommunalpolitiker nicht endlich auf ihre Stärken besinnen, könnten die Bürger bald dazu übergehen, ihnen Beine zu machen. Es gibt auch in NRW Städte, die erfolgreich wirtschaften und keine Landeshilfen benötigen. Es stellt sich die Frage, warum die Kommunalpolitiker ihre Konzepte nicht längst an diesen Städten ausrichten.

 

 

6 Comments

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    • Ulrich Horn Reply

      Schuldenfrei waren Ende 2009 Issum, Langenfeld, Roetgen, Niederzier, der Rhein-Erft-Kreis, Raesfeld, Reken, Olfen und Breckerfeld. Eine ganze Reihe von Kommunen hatte eine vergleichsweise niedrige Pro-Kopf-Verschuldung, darunter Düsseldorf, Kaarst, Dinslaken, Plettenberg, Attendorn, Olpe, Halle, Brüggen, Hilden und Geldern.

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