(uh) Mit Guido Westerwelle an der Spitze stürzte die FDP in den Abgrund. Mit Philipp Rösler sollte der freie Fall gestoppt werden. Der nette Herr ist das letzte Aufgebot der FDP. Als er das Amt übernahm, traute ihm kaum jemand zu, die orientierungslose Partei aus der Krise zu führen. Heute, vier Monate später, sehen sich die Skeptiker bestätigt.


Westerwelles Sturz versäumt

In panischer Angst vor der nächsten Wahlschlappe geriet Rösler in Panik. Der Vizekanzler stellt die bisherige Euro-Politik seiner Regierung in Frage, erschüttert die schwarz-gelbe Koalition und bringt die Börsenkurse zum Absturz. Noch nie hat ein FDP-Chef mit ein paar Sätzen eine derartige Wirkung entfaltet. Längst macht sich der Eindruck breit: Hier versucht ein Würstchen verzweifelt, den starken Max zu geben. Um sich und seine Partei zu retten, nimmt Rösler größte Kollateralschäden in Kauf.

Er tut nun das, was er bei Antritt seines Amtes sträflich versäumte: Er versucht, sich Autorität zu verschaffen. Damals hätte er seinen Vorgänger Westerwelle aus dem Regierungsamt drängen müssen. Er ist für die inhaltliche und personelle Auszehrung der FDP verantwortlich. Rösler hätte darauf dringen müssen, dass Westerwelle den Preis dafür zahlt, schon um der politischen Hygiene willen. Er personifiziert die Irrungen der Partei. Solange ihn die FDP im Amt hält, fordert sie die Wähler gerade zu heraus, sie abzustrafen.

Um eine Krise zu heilen, muss ihr Verursacher geopfert werden. Diese Binsenweisheit zu missachten, war Röslers erster schwerer Fehler. Wie man eine politische Epoche beendet und einen Neuanfang organisiert, hätte er bei Angela Merkel abschauen können. Sie hat das mit Helmut Kohl vorexerziert. Hätte Rösler Westerwelle entmachtet, hätte er die Integrationskraft entfalten können, die erforderlich ist, um die FDP beisammen zum halten und auf Kurs zu bringen.

Die Partei driftet auseinander

Nun holen ihn die Folgen des Versäumnisses ein. Das Vakuum, das er zugelassen hat, füllen nun andere. In der Partei rühren sich Kräfte, die den gewählten Parteigremien die politische Gestaltung entwinden und die Partei in eine Richtung drängen, die ihrer Tradition widerspricht. Rösler hat nicht die Kraft, dieser Strömung widerstand zu leisten und die Urabstimmung zu verhindern, die der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler anstrebt, um die FDP auf ein Nein zum Euro-Rettungsschirm zu verpflichten.

Die Auseinandersetzung um die Urabstimmung zeigt, dass die FDP auseinander driftet. Schäffler fordert den Ausstieg aus der Griechenland-Hilfe. Ein Konzept, wie man mit den Folgen umgehen soll, hat er nicht. Sein Vorstoß zöge auch den Ausstieg der FDP aus der Koalition, Neuwahlen und dann wohl den Regierungswechsel nach sich. Die Befürworter dieses Kurses sind davon überzeugt, dass sich die FDP nur gegen die bisherige Euro-Rettungspolitik vor der Bedeutungslosigkeit retten kann. Dafür nehmen sie auch den Gang in die Opposition in Kauf.

Diese Kräfte vertreten Positionen, die man aus dem Lager der Rechtspopulisten kennt. Bemühungen, die FDP in dieses Lager zu drücken, sind nicht neu. Schon Jürgen Möllemann steuerte in diese Richtung. Die überzeugten Europäer in der FDP lehnen diesen Kurswechsel ab. Doch sie müssen die Mitgliederbefragung hinnehmen, mit der die „Euro-Rebellen“ den Kurswechsel in der FDP erzwingen wollen. Sie können sich darauf berufen, dass große Teile der Bevölkerung weitere Hilfen für Griechenland ablehnen.

Der Parteichef muss sich verrenken

Wie groß der Druck der „Euro-Rebellen“ ist, zeigt sich am Verhalten des FDP-Vorsitzenden Rösler. Der Vizekanzler hat sich inzwischen ihre Parolen zueigen gemacht, selbst auf die Gefahr, europaweit Angst zu verbreiten und sich wie Westerwelle bei der Libyen-Politik zu isolieren. Die Not ist groß. Die Mitglieder laufen davon. Neben all den selbst verursachten Pannen fühlt sich die FDP seit der Bundestagswahl von ihrem Koalitionspartner permanent gedemütigt. Mit jeder verlorenen Landtagswahl sieht die Partei ihr Ende einen Schritt näher rücken.

Nun also versucht Rösler mit aller Gewalt, sein Image als Weichei abzustreifen und den harten Hund zu spielen. Er widerspricht der Bundeskanzlerin, beschädigt ihre Autorität, stellt die Koalition in Frage und übt Druck auf die CDU aus, die inzwischen selbst über eine Mitgliederbefragung diskutiert. Das alles empfinden die FDP-Mitglieder als Befreiung und Stärkung ihres Selbstwertgefühls. Welche Konsequenzen diese neue Orientierung nach sich zieht, spielt in der Partei derzeit noch eine untergeordnete Rolle.

Rösler jedenfalls hat alle Hände voll zu tun, die Partei zusammen zu halten. Er muss verhindern, dass er zwischen dem anti- und dem pro-europäischen Lager erdrückt wird. Und dass sich beide Lager trennen. Dazu muss sich der Parteichef kräftig verrenken. Mit seiner perspektivlosen anti-europäischen Rhetorik bestärkt er die „Euro-Rebellen“. Gleichzeitig versucht er, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der größte FDP-Landesverband NRW mit seinem Vertrauten Bahr an der Spitze hat sich gegen die Mitgliederbefragung ausgesprochen. Das dürfte aber kaum reichen, Schäffler und seine Helfer auszubremsen.

Aus der Verantwortung stehlen

Die Turbulenzen in der FDP haben ihren Höhepunkt noch längst nicht erreicht. Der Ausgang der Berlin-Wahl wird die Partei nicht beruhigen. Schafft die FDP den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, werden die „Euro-Rebellen“ dies dem europakritischen Kurs zuschreiben und dessen Fortsetzung verlangen. Bleibt die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde, werden die „Euro-Rebellen“ behaupten, der Kurswechsel sei zu spät eingeleitet worden. Er müsse viel konsequenter verfolgt werden.

Bisher ist nicht zu erkennen, dass Rösler die „Euro-Rebellen“ an die Kette legen könnte. Derzeit läuft er ihnen hinterher. Setzt sich diese Bewegung fort, muss man wohl damit rechnen, dass sich die FDP über kurz oder lang aus der Regierungsverantwortung stiehlt. Zurzeit sieht es ganz danach aus, als arbeite sie darauf hin, aus der Regierung geworfen zu werden.

 

 

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