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Um Sigmar Gabriel muss man sich nicht sorgen. Der Ex-Ministerpräsident, Ex-SPD-Chef, Ex-Wirtschafts- und nun auch Ex-Außenminister hat die Rente durch. Zwar fallen nun der Dienstwagen und die Bezüge als Minister fort. Doch auch als schlichter Bundestagsabgeordneter muss er nicht am Hungertusch nagen. Außerdem könnten sich ihm nun neue Berufsperspektiven eröffnen.

Deutschland kann aufatmen. Die SPD ist zur Besinnung gekommen. Als ihre Führung vor fünf Monaten in der Wahlnacht die große Koalition aufkündigte, glaubte sie, die Mitglieder stünden hinter ihr. Ein Irrtum. Die Parteispitzen hatten den Bezug zur Basis verloren. Die Mitglieder verschafften mit ihrem Votum für die große Koalition der SPD-Führung Klarheit über die Meinungslage in der Partei. Sie ersparten sich die Neuwahl und ihrer Partei vorerst den Absturz auf den nächsten Tiefpunkt.

Für die SPD kommt es knüppeldick. Vor fünf Monaten erzielte sie ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis. Es zeugt vom Niedergang der Partei. Seiher hat sich ihr Verfall noch stärker beschleunigt. Er zeigt sich an vielen Stellen. Er schlägt sich auch in den Umfragen nieder. Sie sind so schlecht wie nie zuvor. Die SPD erlebt sich unsinnig. Sie gewinnt gerade viele Mitglieder und verkümmert doch zur Kleinpartei.

Der neue SPD-Generalsekretär Klingbeil ist nicht zu beneiden. Seit er im Amt ist, wird der Dreck in seiner Partei immer tiefer. Um vom SPD-Morast abzulenken, wollte er den Ärger befeuern, der in der Union über die Postenausbeute der Koalitionsverhandlungen ausgebrochen ist – und blamiert dabei seine eigene Innung.

Verdient Schulz für seinen Verzicht auf das Außenamt Respekt? Mitnichten. Er tut doch nur, was selbstverständlich ist: Er hält sein Wort. Er wollte in Merkels Kabinett nicht Minister werden, versicherte er im Wahlkampf. Dass er den Wortbruch in Erwägung zog, war nicht die einzige Zumutung dieses Politikers.

Seit die SPD Martin Schulz einstimmig zu ihrem Vorsitzenden und Kanzlerkandidaten machte, war er für sie eine Belastung. Er schaffte es nicht, sein 100-Prozent-Ergebnis in Wählervertrauen umzumünzen. Er hat die größte Niederlage der Partei verschuldet. Seit der Wahl erwies er sich als strategischer Geisterfahrer: Am Wahlabend führte er die SPD in die Opposition, drei Monate später in Koalitionsverhandlungen.

Die SPD ist auf Rekordjagd. In Baden-Württemberg steht sie gleichauf mit der AfD – bei 12 Prozent. Im Bund ist sie auf 18 Prozent abgerutscht. Dort sind es nur noch vier Punkte bis zur AfD. Seit die SPD nach der Bundestagswahl die große Koalition kündigte, statt sie zu schließen, verlor sie zehn Prozent ihrer Substanz. Hätte sie den Mut, in den Spiegel zu schauen, würde sie erschrecken.

In der SPD spitzt sich der Kampf um den Kurs der Partei zu. Gremien- und Parteitagsbeschlüsse verlieren ihre Bindewirkung. Auf dem Bundesparteitag in Bonn beschlossen 56,4 Prozent der Delegierten, die große Koalition zu akzeptieren, wenn das Sondierungsergebnis nachgebessert wird. SPD-Linke und Jusos tragen den Beschluss nicht mit. Sie wollen erreichen, dass die Mitglieder bei ihrer Befragung die große Koalition unter allen Umständen ablehnen.

Der SPD geht es schlecht. Wie schlecht, zeigte sich auf dem Bonner Bundesparteitag. Bei den Delegierten, die sich dort trafen, handelt es sich vorwiegend Spitzenfunktionäre und Mandatsträger, also die Elite der Partei. Sie steckt in einer tiefen Krise. Sie ist über die Frage zerstritten: Wollen wir regieren oder opponieren? Eine Frage, die sich in einer vitalen Partei gar nicht stellt. Die SPD ist sich selbst zum Opfer gefallen.