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Der NRW-Landtag hat Hendrik Wüst erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. In den beiden Jahrzehnten dieses Jahrhundert ist er bereits der sechste NRW-Regierungschef. Mit seinen fünf Vorgängern hat das Land nicht viel Glück gehabt. Keiner von ihnen schaffte es, sich zwei komplette Legislaturperioden im Amt zu halten. Jeder von ihnen hinterließ im Land Stückwerk.

Kanzler Scholz erfährt derzeit, was einst DDR-Diktator Honecker schmerzlich durchlitt: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Seit die Weltpolitik über den bürokratisch betulichen Scholz hinwegfegte, hat er nicht nur Mühe, ihr hinterher zu laufen. Er quält sich auch damit ab, den Eindruck zu verwischen, seine Spätzündungen seien notorisch.

Mit der Pandemie sind die Defizite des schwarz-roten Bundeskabinetts sichtbar geworden. Sie zeigen sich vor allem in dessen Unionsteil, ausgerechnet im Wahljahr 2021, in der die Union ihren Regierungsanspruch erstmals seit 2005 ohne die Zugkraft ihrer Kanzlerin Merkel behaupten muss. Die Corona-Krise verschaffte der Runde der Ministerpräsidenten Gewicht. Gegen sie wirken die Mitglieder des Bundeskabinetts wie Statisten. Sie tragen auch noch selbst kräftig dazu bei, diesen Eindruck zu verstärken.

Wie gewonnen, so zerronnen? Mit Beginn der Pandemie sprang die Union aus der Versenkung. Seit dem ersten Corona-Tag gaben ihre Politiker Merkel, Söder, Spahn, Altmaier und Laschet den Ton an. Ab dem Frühjahr 2020 stieg sie in drei Monaten von 26 auf fast 40 Prozent. Heute ist sie auf 34 Prozent zurückgerutscht. Ausgerechnet im Wahljahr 2021 kann es noch tiefer gehen.

Zwei Frauen über 90. Beide leben im eigenen Haushalt, eine in Baden-Württemberg, die andere in NRW. Die Frau in Baden-Württemberg erhielt bereits die zweite Corona-Impfung in der Woche vor dem 25. Januar. An jenem Montag begann NRW erst, Impftermine zu vergeben. Die Frau in NRW stand noch Mitte der Woche ohne Termin da. Ihre Kinder versuchten von morgens bis abends vergeblich, einen zu bekommen. Sie waren baff, als NRW-Ministerpräsident Laschet befand: „Der Impfstart ist gelungen.“

NRW-Ministerpräsident Laschet hat viel um die Ohren. Er muss NRW regieren, als CDU-Chef den rechten Parteiflügel hinter sich bringen, 2021 mehrere Landtags- und Kommunalwahlen bewältigen, Kanzlerkandidat werden, den Bundestagswahlkampf bestreiten, in NRW die Nachfolge als Regierungs- und CDU-Landeschef organisieren, eine Koalition im Bund zustande bringen, ein Bundeskabinett bilden und die Corona-Krise in den Griff bekommen. Ist das zu viel für Laschet?

Am liebsten macht die SPD auch in NRW, was sie am besten kann: sich zugrunde richten. Sie tut es mit großer Hingabe und ist dabei äußerst erfolgreich. In den sieben Jahren ihrer Regierungszeit mit Kraft entsaftete sie sich. 2017 schickten die Wähler den kraftlosen Verband in die Opposition. Dort verdorrt er nun. Über 30 Jahre wurde er beinahe mit jeder Wahl schwächer. Jüngst schrumpfte er bei der Kommunalwahl um fast ein Viertel. Dieser Verlust reicht ihm nicht. Er leistet sich nun noch einen Machtkampf um den Vorsitz – mit Kandidaten, deren Führungskraft beschränkt ist.

Reden wir über politisches Niveau: Dass in der Berliner Landespolitik nicht die hellsten Köpfe am Werk sind, weiß jedes Kind. Über diesen Sachverhalt wird in Deutschland so laut geredet, dass ihn sogar der Berliner Senat wahrnehmen müsste. Er tut es aber nicht. Er erspart es sich so, aus Fehlern zu lernen.

Es kam, wie es kommen musste. Zu Beginn der Corona-Krise profilierte sich NRW-Ministerpräsident Laschet (CDU) als Vorreiter für die Öffnung des Lockdown. Als sie einsetzte, war die Erleichterung groß. Dann aber wurden ihre unangenehmen Begleiterscheinungen sichtbar. Vorreiter Laschet befindet sich plötzlich auf dem Rückzug. Seine guten Sympathiewerte sind über die Öffnung rapide gesunken.

Das Jahr 2020 sollte Armin Laschets Glücksjahr werden. Das erste Quartal verlief verheißungsvoll. Knapp drei Jahre im Amt als NRW-Ministerpräsident, macht sich seit einiger Zeit die Ansicht breit, er könnte zu noch Höherem taugen, zum CDU-Chef und sogar zum Bundeskanzler. Die Corona-Krise ging er mit großen Elan an. Auf dem Weg zu den politischen Spitzenplätzen ist er nun vor lauter Eifer ins Stolpern geraten.