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Erstmals seit vielen Jahren hat sich die SPD in einem Wahlkampf geschlossen gezeigt. Am Wahltag wurde sie belohnt. Die Wähler machten sie zur stärksten Kraft. Stark ist die SPD nicht. Sie profitierte von den Fehlern der Union und von deren Schwächen. Behält die SPD einen kühlen Kopf, kann sie demnächst als Regierungspartei vom Niedergang der Union noch stärker profitieren.

Zum Auftakt des Bundestagswahlkampfes wurde am Sonntag in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt. Interessanter als die Ergebnisse waren die Reaktionen auf sie. Wer die Auszählung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen verfolgte, konnte den Eindruck gewinnen, die Republik stünde kurz vor dem Machtwechsel. Für diesen Eindruck sorgte vor allem die SPD. Ihre Politiker, allen voran ihr Kanzlerkandidat Scholz, bemühten sich sehr, den Zuschauern potemkinsche Dörfer zu präsentieren.

Die Hoffnung, der Nachwuchs könnte die Parteien beleben, erwies sich als Trug. Impulse, gute wie schlechte, erhielt das Parteiensystem durch neue Parteien wie die Grünen, die Linke und die AfD. Der Nachwuchs der alten Parteien verwaltet nur deren Niedergang. Seit Brandts Zeiten wirtschaften die Jusos die SPD herunter, sobald in Führungsposten kommen. Es-Jusos reduzierten die SPD auf 15 Prozent. Die aktuelle Juso-Generation will selbst diesen winzigen Rest verkleinern. Der CDU-Nachwuchs Junge Union (JU) eifert den Jusos nach.

Rund ein Viertel der SPD-Mitglieder reichte aus, um Walter-Borjans und Esken Ende 2019 zu SPD-Vorsitzenden zu machen. Dem Votum der Bürgern, die keine Genossen sind, will sich Walter-Borjans aber nicht aussetzen: Zur Bundestagswahl 2021 strebt er kein Mandat an. Er will sich auf sein Parteiamt konzentrieren, sagt er. Was als Verzicht erscheint, ist gar keiner. Hat der SPD-Chef denn eine Wahl?

Die SPD erfüllt alle Erwartungen. Ihre Funktionärskaste zeigte sich auf dem Parteitag gespalten. Der linke Flügel wollte den Koalitionsvertrag neu verhandeln und über diese Prozedur die Koalition platzen lassen. Der Plan schlug vorerst fehl, weil sich der rechte Flügel quer legte. Die SPD ist zu schwach, um den Koalitionskurs zu ändern. Ihr blieb nur übrig, sich selbst zu ändern. Doch auch dieses Vorhaben gelang ihr nicht so recht.

Die monatelange Suche der SPD nach einer neuen Parteispitze ist beendet. Sie bringt die Partei ihrem Ende noch ein Stück weit näher. Die zeitraubende Beschäftigung mit sich selbst sollte sie einen. Stattdessen hat die Suche nach neuem Spitzenpersonal die Risse in der Partei verbreitert. Esken und Walter-Borjans, die knappen Gewinner der Suchprozedur, haben es innerhalb weniger Tage geschafft, die SPD zu polarisieren und zu chaotisieren.

Noch haben die SPD-Mitglieder nicht entschieden, wer die nächste Parteispitze bilden soll. Ein Ergebnis der Suche steht jedoch schon fest: Die Mitgliederbefragung sollte die Mitglieder mobilisieren, die Partei erneuern und sie gegenüber ihren Konkurrenten nach vorne bringen. Alle drei Ziele wurden bisher verfehlt. Die SPD muss sich darauf einstellen, dass sich ihr Niedergang auch unter der neuen Führungsspitze fortsetzen wird.

Die SPD ist auf Rekordjagd. In Baden-Württemberg steht sie gleichauf mit der AfD – bei 12 Prozent. Im Bund ist sie auf 18 Prozent abgerutscht. Dort sind es nur noch vier Punkte bis zur AfD. Seit die SPD nach der Bundestagswahl die große Koalition kündigte, statt sie zu schließen, verlor sie zehn Prozent ihrer Substanz. Hätte sie den Mut, in den Spiegel zu schauen, würde sie erschrecken.

In der SPD spitzt sich der Kampf um den Kurs der Partei zu. Gremien- und Parteitagsbeschlüsse verlieren ihre Bindewirkung. Auf dem Bundesparteitag in Bonn beschlossen 56,4 Prozent der Delegierten, die große Koalition zu akzeptieren, wenn das Sondierungsergebnis nachgebessert wird. SPD-Linke und Jusos tragen den Beschluss nicht mit. Sie wollen erreichen, dass die Mitglieder bei ihrer Befragung die große Koalition unter allen Umständen ablehnen.