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Griechenland

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Tsipras kommt Griechenland und Europa teuer zu stehen. Er brauchte ein halbes Jahr, um zu begreifen, dass die meisten Griechen im Euro bleiben wollen und er das Land reformieren muss, um diesen Wunsch zu erfüllen. Dieser Einsicht hätte er früher nachkommen können. Griechenland und Europa wäre dann vieles erspart geblieben.

Merkel und Tsipras sind Kontrahenten. Sie setzt die bisherige Rettungspolitik in Europa mit Nachdruck durch. Er gilt unter den 19 Staats- und Regierungschefs der Eurozone als der prominenteste Gegner ihrer Politik. Trotz dieses Gegensatzes haben beide Politiker Gemeinsamkeiten. Sie sitzen im selben Boot.

Alexis Tsipras hat das Zeug zum Vorreiter. Europas Linke leidet unter dem Mangel an Führungskräften. Der Grieche könnte das Defizit beheben. Er brachte es zum Regierungschef, und er hat ein Projekt. Er will die Eurozone zur Transferunion umbauen. Sein erster Anlauf ist gescheitert. Die Euro-Staats- und Regierungschefs zwangen ihn unter das Joch. Freuen können sie sich über Tsipras‘ Niederlage nicht. Der Konflikt offenbart: Nicht nur Griechenland, auch Europa ist reformbedürftig. Diesen Umstand macht sich die Linke zunutze, um von ihrer und Tsipras‘ Niederlage abzulenken.

Wie sehr sich Politiker und Parteien von den Bürgern entfernt haben, ist am Beispiel der Griechenland-Krise zu beobachten. SPD, Linke und Grüne regen sich kaum darüber auf, dass Tsipras mit seinem kindlichen Zickzack-Kurs in wenigen Wochen Dutzende Milliarden Euro verbrannte. Für Leute, die dieses seltsame Verhalten der Parteien und Politiker erstaunt, ist deren Aufregung über Schäubles Planspiele nicht nachzuvollziehen.

In wenigen Stunden liegt das Ergebnis der griechischen Volksbefragung vor. Wird Europa dann wissen, in welche Richtung das Land marschieren will? Während alle Welt rätselt, was Tsipras plant, glaubt Wolfgang Michal, Griechenland suche einen Neuanfang. Er sieht ihn in einem Schuldenschnitt – eurozonenweit. Brächte er Griechenland voran? Würde er das Land wettbewerbsfähiger machen?

Vor der Volksabstimmung in Griechenland haben sich die Regierung Tsipras und die Eurostaaten nichts mehr zu sagen. Sie reden nicht miteinander, sondern übereinander. Es macht sich der Eindruck breit: Wie immer die Volksabstimmung auch ausgeht – die Regierung Tsipras wird wohl auf der Strecke bleiben. In Deutschland hat sie nur noch einen engen Verbündeten – die Partei DieLinke. Sie gerät mit Tsipras ins Abseits.

Lange traten die aktuellen griechischen Regierungspolitiker wie Firmstars auf. Die Medien behandelten sie auch so. Inzwischen dürfte den Zuschauern schwanen, dass die Regierung Tsipras nicht Teil einer TV-Serie ist, sondern der bitteren Realität. Nur fünf Monate hat sie gebraucht, um das Land in die Grütze zu fahren und Griechenland zum gescheiterten Staat zu machen.