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Bundestagswahl 2021

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Die künftige Ampelkoalition sieht sich als etwas Neues. Sie begründet ihre Existenz damit, dass Staat und Gesellschaft erneuerungsbedürftig seien und das Gemeinwesen modernisiert werden müsse. Unter der Überschrift: „Mehr Fortschritt planen“ präsentierte die Koalition im Wartestand am Mittwoch ihre Pläne. Noch sind sie nicht in trockenen Tüchern. Eines aber steht schon heute fest. Kommt die Koalition zustande, startet sie mit einer Lebenslüge.

In repräsentativen Demokratien sollen die Abgeordneten und ihr Gewissen die Gemeinschaft vor schwankenden Stimmungen schützen. Dieses Prinzip steht unter Druck. Mit vielen Abgeordneten ist es nicht mehr weit her. Zudem hat sich die Stimmung in der Bevölkerung zu einer mächtigen Kraft entfaltet. Viele Abgeordnete mögen ihr nicht widerstehen. Viele nutzen sie auch, um ihre Interessen durchzusetzen.

Wie immer die Bundestagswahl ausgeht: Ein Verlierer steht schon heute fest: die CSU. Sie befindet sich seit 2014 auf einem steilen Abstieg. Bei der Bundestagswahl 2021 wird sie einen neuen Tiefpunkt erreichen. In der Partei wächst die Einsicht, dass die Partei den Niedergang ihrem Vorsitzenden Söder verdankt.

Die Taliban waren tüchtig. Ruck zuck scheuchten sie den afghanischen Regierungschef ins Exil, führten die NATO vor und legten die Schwäche der westlichen Demokratien offen. Nebenbei sorgten sie auch dafür, dass sich die Bundesregierung zerlegte. Vor aller Welt wurde deutlich: Deutschland, die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt, wird nicht von tatkräftigen Politikern regiert, sondern lediglich von engstirnigen Bürokraten verwaltet.

Was wird aus der SPD? Den meisten Wählern stellt sich diese Frage nicht mehr. 100 Tage vor der Bundestagswahl steht die Partei in den Umfragen zwischen 14 und 17 Prozent. Ihre Aussicht, die Zehn-Prozent-Hürde zu unterlaufen, scheint größer als ihre Chance, die 20-Prozent-Hürde zu überspringen.

Die CDU hat gerade eben noch die Kurve gekriegt. Hätte die Partei ihrem Vorsitzenden Laschet die Kanzlerkandidatur verweigert, wäre die Bundestagswahl für die Union wohl schon heute verloren. Söder hat das, wenn auch ziemlich spät, doch noch begriffen und klein beigegeben. Viele CDU-Mitglieder, die ihn nach wie vor anhimmeln, sind noch nicht so weit wie er.

Die Union scheint von allen guten Geistern verlassen. Die Umfragewerte stürzten ab. Die Sperrminorität bei der Regierungsbildung ging verloren. Die Führung ist zerstritten. Sie schafft es nicht, eine gemeinsame Position zur Pandemie zu finden, leistet sich aber Machtkämpfe um Posten. Viele Anhänger haben das Theater der Hoffnungsträger Laschet und Söder satt und laufen zur Konkurrenz über. Die Union droht bei der Bundestagswahl ihre Führungsrolle im bürgerlichen Lager an die Grünen zu verlieren.