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September 2021

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Die Wähler kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Union zeigt sich enttäuscht von ihrem Wahlergebnis und erzürnt über ihren Kanzlerkandidaten Laschet. Diese Reaktion zeugt von Naivität und Realitätsverlust. Schon Wochen vor der Wahl hatten die Umfragen die Niederlage angekündigt. Wer sich überrascht zeigt, entpuppt sich als Träumer.

Erstmals seit vielen Jahren hat sich die SPD in einem Wahlkampf geschlossen gezeigt. Am Wahltag wurde sie belohnt. Die Wähler machten sie zur stärksten Kraft. Stark ist die SPD nicht. Sie profitierte von den Fehlern der Union und von deren Schwächen. Behält die SPD einen kühlen Kopf, kann sie demnächst als Regierungspartei vom Niedergang der Union noch stärker profitieren.

Die einstigen Volksparteien bieten ein jämmerliches Bild. Die SPD zerfleischte sich über Jahrzehnte. Sie schrumpfte zur Kleinpartei. Rechtzeitig vor der Bundestagswahl stellte sie sich ruhig. Prompt erhielt sie Aufwind. Die Union zerfleischt sich seit 2015. Sie steigerte das Gemetzel im Wahlkampf sogar. Viele Wähler kehrten ihr erzürnt den Rücken.

Der Wahlkampf geht seinem Ende entgegen. Wie viele Bürger mögen es herbeisehnen? Wer viele Wahlkämpfe erlebt hat, dem dürfte es nicht schwerfallen, den aktuellen als den schrecklichsten zu empfinden. Parteien, Kandidaten und Medien überbieten sich darin, die Wähler zu düpieren. Maßstäbe sind entglitten, Schamgrenzen gesunken. Reformbedürftig sind das Gemeinwesen und seine Parlamente, aber auch die politische Kultur.

In der Ära der CDU-Kanzlerin Merkel ist die SPD abgestürzt. Sie fiel von 34,2 Prozent im September 2005 auf 13 Prozent im April 2021. Heute steht sie bei 25 Prozent. Wer glaubt, sie sei erholt, täuscht sich: Aus Mangel an eigener Substanz imitiert sie die Merkel-CDU. Führende SPD-Politiker haben mit kapitalen Fehlern zu kämpfen, vorneweg ihr Kanzlerkandidat Scholz. Ihm hängen drei Skandale an, die Deutschlands Ansehen beschädigt haben.

Wie immer die Bundestagswahl ausgeht: Ein Verlierer steht schon heute fest: die CSU. Sie befindet sich seit 2014 auf einem steilen Abstieg. Bei der Bundestagswahl 2021 wird sie einen neuen Tiefpunkt erreichen. In der Partei wächst die Einsicht, dass die Partei den Niedergang ihrem Vorsitzenden Söder verdankt.

Die Bürger haben schwer zu tragen. Noch ist Corona nicht besiegt, da gilt es, den aktuellen Bundestagswahlkampf zusätzlich zu verkraften. Schon seine Vorgänger 2013 und 2017 gestalteten die Parteien als Zumutung. Im Wahljahr 2021 legen sie es darauf an, die Wähler noch stärker zu strapazieren. Die Parteien machen sich nicht mehr die Mühe, den Wählern Respekt zu erweisen.