Plötzlich ist es den 16 Ministerpräsidenten mulmig geworden. Vor zwei Wochen noch planten sie im Kampf gegen die Pandemie für Weihnachten und die Jahreswende Einschränkungen, die den Bürgern möglichst wenig Beschwernisse bescheren sollten. Tagelang propagierten die Länderchefs ihr Vorhaben, als wäre es der große Wurf. Sie machten die Rechnung ohne das Virus.

Die Zügel aus der Hand genommen

Stark steigende Opferzahlen ließen die Pläne als zu riskant erscheinen. Sie hätten dem Virus die Chance geboten, sich noch stärker zu entfalten. Die Opfer-Statistik der Pandemie legte offen, dass die Regierungschefs weit hinter der Entwicklung herliefen und dem Virus immer noch nicht gerecht wurden.

Seit der Shutdown im Frühjahr das Virus eindämmte, verlangt die Bundeskanzlerin strikte Maßnahmen. Die Länderchefs stemmten sich gegen Merkels Forderung. Sie pochten darauf, dass sie für den Kampf gegen die Seuche zuständig sind, und nahmen Merkel die Zügel aus der Hand.

Im Unterschied zur Kanzlerin machten sie die Lockerung der Maßnahmen zu ihrem Thema, vorneweg NRW-Landeschef Laschet (CDU). Nur dessen CSU-Kollege Söder forderte wie Merkel, strenger vorzugehen. Die Mehrheit der Bürger wäre einverstanden gewesen. Sie stützt Merkel und Söder mit hohen Sympathiewerten.

Die Bürger verwirrt

Die meisten Länderchefs zeigten sich von der Mehrheit der Bürger unbeeindruckt. Wie gewohnt entwickelten sie für ihr Länder vermeintlich passgenaue Konzepte. Sie wichen mehr oder minder stark voneinander ab. Viele Bürger verwirrten diese Differenzen. Die Länderchefs verteidigten sie als Ausdruck föderaler Vielfalt.

Sie weben mit ihrer Politik seit jeher an Flickenteppichen. Sie lassen nicht davon ab, obwohl die Vielfalt teuer ist, zur Innovationsbremse wurde, Stagnation und Reformträgheit begünstigt, bürokratische Umstandskrämerei und regionale Ehrpussligkeit fördert.

Selbst in einer weltweiten Krise wie der Pandemie schafften es die Ministerpräsidenten nicht, über ihren regionalen Schatten zu springen. Sie wollten auch der Seuche mit ihrer altertümlichen Patchwork-Methode beikommen. Das Ergebnis ist bestürzend.

Die zweite Welle begünstig

Seit neuen Monaten grassiert das Virus. Es kostete große Opfer, seit den Lockerungen im Sommer stetig immer mehr. Viele Menschen hat es umgebracht, viele ärmer gemacht, viele ruiniert, vielen die Perspektiven geraubt, die Republik tief verschuldet.

Es hat auch den 16 Ministerpräsidenten geschadet. Es entlarvte sie als kurzsichtig und brachte manche um ihr Renommee. Sie spielten ihm in die Hand. Ihre Mittel, es einzuhegen, waren unzureichend. Sie ließen nach dem Shutdown im Frühjahr schnelle Lockerungen zu und begünstigten die zweite Welle.

Der Versuch, das Virus mit lokalen Maßnahmen zu bändigen, schlug fehl. Die Länderchefs ließen außer Acht: Im Umgang mit dem Virus verbieten sich Experimente. Es bestraft jeden Fehler gnadenlos. Es bekam in den vergangenen Monaten viel zu tun.

Autorität geschmolzen

Infektionen und Todesfälle nahmen zu. Das Gesundheitssystem droht zu kollabieren. Die Corona-Statistik bescheinigt den Länderchefs Tag für Tag recht präzise das Ausmaß ihres Versagens. Mit jedem neuen Opfer-Höchststand schmilzt ihre Autorität.

Mit dem Virus breitete sich die Ansicht aus, dass die Länderchefs zu langsam agierten, zu wenig kontrollierten und zu feige waren, den Bürgern Belastungen zuzumuten, die eine große Mehrheit zu tragen durchaus bereit war.

Dem Kampf gegen die Pandemie war es abträglich, dass sich die Regierungschefs immer wieder uneins zeigten. Länder wie Sachsen und Thüringen lehnten schärfere Maßnahmen lange ab, weil es auf ihrem Territorium nur wenige Fälle gab. Die Weigerung half dem Virus, sich auszubreiten. Heute sind auch diese Länder Hotspots.

Versagen der Führungskräfte

Länderchefs, die im Frühjahr Lockerungen durchsetzten, finden heute Einschränkungen gar nicht hart genug. Das Virus zwang sie, zurückzurudern. Sie bemänteln ihr Scheitern als Kurswechsel, warnen davor, zurückzublicken, und raten dazu, nach vorne zu schauen – für die Angehörigen der Opfer und alle Geschädigten eine Zumutung. In ihrer Not suchen die Landeschefs erneut Hilfe bei Merkel.

Politische Führungskräfte entzaubern sich, wenn sie zu lange an Fehlern festhalten. 2018 versuchten die CSU-Chefs kurz vor der Bayern-Wahl, Merkel zu stürzen. Sie hörten erst auf, sie zu demontieren, als CDU-Anhänger kurz vor der Wahl scharenweise zu den Grünen überliefen.

Heute zwingen die steigenden Opferzahlen die Länderchefs, umzusteuern. Ihre bisherige Pandemie-Politik manövrierte das Gesundheitssystem auf die Katastrophe zu. Sie haben nicht nur mit dem Virus zu kämpfen. In der Pandemie werden auch viele Versäumnisse in anderen Bereichen ihrer Ländern spürbar.

Verantwortung abgewälzt

Den Vorwurf, sie hätten das Virus durch Zaudern und Milde begünstigt, weisen sie zurück. Die Schuld an der Expansion der Pandemie schieben sie den Bürgern zu. Sie hätten sich nicht diszipliniert an die Empfehlungen gehalten. Die Regenten wollen den schwarzen Peter loswerden. Sie stecken ihn den Regierten zu.

Der Versuch, Verantwortung abzuwälzen, wirkt hilflos. Es gelingt den Länderchefs nicht einmal, kollisionsfrei aus der Sackgasse zu fahren, in die sie sich manövriert haben. Während die Opferzahl Tag für Tag steigt, brauchten die Länderchefs eine Woche, um sich auf den Termin für ein Krisentreffen zu verständigen, eine weitere Szene dieses Trauerspiels.

Die Länderchefs konnten es nur aufführen, weil die Medien mitspielten. Sie befassten sich ausgiebig mit der Frage, welcher Politiker bei welcher Maßnahme Prestige gewann oder verlor. Die Pandemiepolitik der Länderchefs stieß lange Zeit kaum auf Kritik.

Fachleute diskreditiert

Dass sich die Länderchefs von Merkels Kurs distanzieren, wurde als Machtverlust der Kanzlerin gedeutet. Die Folgen dieser Aktion für den Kampf gegen das Virus wurden kaum thematisiert. Dafür wurden die strategischen Differenzen zwischen Laschet und Söder zum Dauerthema. Die Medien walzten zu ihm jeden Nebensatz breit aus.

Die Frage, welchen Sinn welche Strategie machte, blieb im Hintergrund. Vor- und Nachteile einzelner Maßnahmen ertranken in einer Flut von Sondersendungen und Artikeln. Dass die Maßnahmen nicht wirkten, warum sie ihr Ziel verfehlten und wer dafür verantwortlich war, kam kaum zur Sprache. Dabei waren die zweite Welle und ihr Ausmaß absehbar.

Schon beim Shutdown im Frühjahr warnten Fachleute vor der Krise in diesem Winter. Sie wurden diskreditiert, der Charité-Virologe Drosten von der Bild-Zeitung. Der SPD-Abgeordnete und Mediziner Lauterbach, der ebenfalls früh vor der zweiten Welle und schnellen Lockerungen warnte, wurde oft durch den Kakao gezogen. Heute wissen wir: Beide erwiesen sich als weitsichtig, ihre Kritiker als kleine Lichter. – Ulrich Horn


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30 Comments

  1. grafiksammler Reply

    Fürwahr ein schlimmes Bild, dass die eitlen, lokalen Fürsten da abgaben. Jedem einzelnen ist Versagen zu bescheinigen. In diesem Jahr war nicht die Landesmutter und der Landesvater gefragt (welch‘ politische Verkleinerung schon dieses Wort beinhaltet, hat sich wohl noch niemand dieser Damen und Herren gefragt), sondern Führung und Entscheidungsfähigkeit.
    Nicht der Bürger war verwirrt, der wollte zu jeder Zeit in der absoluten Mehrheit ernsthafte und auch schmerzhafte Einschnitte der persönlichen Freiheiten akzeptieren. Es war bisher eine (laute) Minderheit, die egoistisch ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen wollte und das Gemeinwohl hintenanstellte. Jetzt von politischer Seite sich dahinter verstecken zu wollen, ist nicht. Besonders Herr Laschet hat gezeigt, dass er die Stufe der Inkompetenz längst erreicht hat. NRW hat mit ihm und seiner Vorgängerin 2 unterdurchschnittliche „Spitzen“ zu ertragen. Das haben weder NRW noch Deutschland verdient. Es fehlt überall an fähigen Nachwuchspolitikern. Einziger Hoffnungsschimmer ist Söder von der CSU. Das ist für Deutschland viel zu wenig, nein es ist sogar ziemlich erbärmlich.

    • Werner Theisen Reply

      Niemand will, dass die „lokalen Fürsten“ in seinem Leben rumfummeln. Wieso soll das bei COVID-19 anders sein. Jeder weiß, was er zu seinem Schutz und dem Schutz seiner Mitmenschen zu tun hat. Der Ruf nach dem starken Führer ist doch ein Anachronismus!

      • grafiksammler Reply

        Die lokalen Fürsten hätten ganz andere Aufgaben wahrzunehmen. Kulturhoheit, aber 16 verschiedene Abiture. Als ob noch NRW gegen Sachsen und SH gegen Bayern anträte. Da werden Tablets heute in Massen bestellt, aber die Grundschüler können daddeln, jedoch nicht mit Teams umgehen.
        Da werden Daten noch mit Bleistift aufgenommen und mit dem Taschenrechner komprimiert, mit inkompatiblen Programmen von A nach B übermittelt oder gar per FAX auf Papier verschickt, um dann von der nächsten Behörde wieder handisch eingelesen zu werden zur Weiterverarbeitung. Kennen Sie ein Bundesland, das in den letzten 15 Jahren diese Probleme durchgehend gelöst hätte? Wir sind verwaltet worden. Früher hat sogar die F.D.P. mal gefordert, dass einer auf der Brücke des Dampfers die Verantwortung übernimmt. – Was ist in Deutschland nach Schröder geschehen?

      • Ulrich Horn Reply

        Es geht doch nicht um „starke Führer“. Es geht darum, dass unsere demokratisch gewählten Repräsentanten ihr Arbeit endlich ordentlich machen sollen. Sie haben in einer Krise Regeln aufstellten, sie dann fast vollständig gelockert und über Monate zugeschaut, wie sich die Krise wieder verschärfte, dann neue Regeln aufgestellt, die ihr Ziel verfehlten und dann wieder neue Regeln aufgestellt und diese dann, weil sie keinen Erfolg versprachen, wieder einkassiert, noch ehe sie in Kraft getreten waren, und dann am Ende dieser chaotischen Veranstaltung den zweiten Shutdown verhängt. Wer Regeln setzt, muss sie durchsetzen. Wer in Pandemien auf den guten Willen setzt, landet im Lockdown. Wer schon zulässt dass mit der Straßenverkehrsordnung lässig umgegangen wird, ist in Pandemien verloren. Was meinen Sie wohl, warum Merkel und Söder für schärfere Maßnahmen eintreten? Beide haben anders als Laschet nicht die FDP im Nacken, die in der NRW-Regierung strenge Maßnahmen mittragen soll und im Bundestag gegen Merkels Politik opponiert. Würde Laschet wie Söder agieren, wäre die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf wohl bald am Ende.

        • grafiksammler Reply

          „Beide haben anders als Laschet nicht die FDP im Nacken, die in der NRW-Regierung strenge Maßnahmen mittragen soll und im Bundestag gegen Merkels Politik opponiert. Würde Laschet wie Söder agieren, wäre die schwarz-gelbe Koalition in Düsseldorf wohl bald am Ende.“

          Pardon, wenn ich zur F.D.P. ja sage, dann muß ich mit diesen Problemen leben. Das war vorher bekannt. Aber es war bequem. Und da sind wir wieder beim Thema „Verantwortung“, „Eitelkeit“ und „Schlendrian“

  2. Lieber Ulrich Horn,

    hier den MP‘s die Schuld zu geben, ist billiger Journalismus. Wir sind doch keine Kinder, die jemanden brauchen, der ihnen jeden Schritt vorschreibt. In allen anderen Lebenslagen wollen wir das doch auch nicht.

    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Theisen

    • grafiksammler Reply

      Ihr Kommentar enthält einen entscheidenden Fehler: In jedem Unternehmen, in jedem Land und in unserem Staat steht jemand als Executive an der Spitze. Der übernimmt nicht nur das Kommando und gibt die Richtung vor, sondern auch die VERANTWORTUNG. Wen der Landesfürsten haben Sie in Erinnerung, der die Richtung vorgegeben hat und Verantwortung übernommen hat? Sie und ich tragen in unserem perönlichen Bereich Verantwortung. Leider gibt es viele Menschen die EGO statt Verantwortung leben. Das sind auch keine Kinder!

    • Ulrich Horn Reply

      Lieber Werner Theisen,

      vielen Menschen erschließt sich nicht, wie das Virus funktioniert. Man erkennt sie unter anderem daran, wie sie mit ihren Masken umgehen. Viele Menschen sind verängstigt. Viele suchen nach Orientierung. Viele schauen in ihrer Not auf Autoritäten, auch auf die in der Politik. Es sind mehr Menschen, als die Politiker meinen. Dass mit Merkel und Söder ausgerechnet zwei Politiker, die für strenges Vorgehen stehen, so hohe Sympathiewerte genießen, kommt nicht von ungefähr. Viele Menschen erhoffen sich in dieser gefährlichen Zeit von ihnen Schutz und erwarten von ihnen Fürsorge. So, wie sich die Ministerpräsidenten in den vergangenen Monaten und Wochen aufgeführt haben, scheint ihnen das nicht immer bewusst gewesen zu sein.

      Mit freundliche Grüßen
      Ulrich Horn

      • Hubertus Bruch Reply

        Wovor haben die Menschen Angst? Eine Maske zu tragen, Abstand zu halten, sich die Hände zu waschen, umsichtig zu handeln? Dafür brauchen diese Menschen starke Führungspersönlichkeiten?

        • grafiksammler Reply

          „Die Menschen“ sind eine heterogene Masse. Da reicht es durchaus, wenn nicht einmal 10% sich nicht verantwortungsvoll an die AHA-Regeln halten, um für einen R-Wert > 1,0 zu sorgen. Genau diese Leute sind beratungsresistent und benötigen klare Vorgaben und keine Lila-Lau Tätscheleien.
          Und unser verkrusteter öffentlicher Apparat braucht genau so dringend Führung. Man kann zu Frau Merkel geteilter Meinung sein. Rückblickend wird jedenfalls niemand ihr Führungsstärke lobend ins Zeugnis schreiben. Sie hat moderiert. Das hat unserem Land wenig genutzt.

          • Hubertus Bruch

            @grafiksammler:
            Im og Artikel geht es doch nicht um Verantwortung, es geht um Schuld! Die Schuld an der derzeitigen Situation aber nur bei den MPs abzuladen, ist doch viel zu kurz gesprungen. Gleiches gilt hinsichtlich Frau Merkel. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik konnte eine Kanzlerin wie jetzt ohne Rücksicht auf ihre politische Zukunft agieren. Es war schon immer die große Kunst von Frau Merkel, sich gut und andere als die Verlierer darzustellen, noch dazu, wenn man das Portemonnaie in der Hand hält.

          • Benno Lensdorf

            Hallo? Noch immer nicht begriffen? Die Bundeskanzlerin kann auf Grund ihrer Befugnisse die MP´s nicht vergattern. Und wenn diese – wie geschehen – kein Einsehen haben, dann ist das halt so. Um es zu ändern, muss das Gesetz dazu geändert werden. Und das ist bekanntlich jetzt geschehen.
            Also, wer – wie zu diesem Thema – keine Handlungsmacht hat, kann eben „nur“ moderieren. Und das hat Merkel gemacht. Die Medien aber haben diese Rolle nie richtig dargestellt. Mal wieder..

        • Ulrich Horn Reply

          Nicht alle Menschen sind so gut informiert wie Sie. Nicht allen Menschen fällt es so selbstverständlich leicht wie Ihnen, diszipliniert zu sein, Regeln zu befolgen, 1,50 Meter Abstand zu halten. Nicht alle, denen das misslingt, sind boshaft. Vielen fehlt die Übung, vielen fehlt die Anweisung, viele sind vergesslich. Dass Sie solche Menschen nicht auf der Rechnung haben, kann ich verstehen. Dass solche Menschen solche wie Sie nicht auf der Rechnung haben, ebenfalls. Der Mensch neigt dazu, unter seinesgleichen zu leben. Politiker sollten alle Gruppen im Blick haben. Vielen Menschen wäre es ein Graus, so staatsfern zu leben, wie es sich deutsche Liberale wünschen oder die Menschen in den USA tun. Übrigens: Selbst Laschet schaffte es nicht auf Anhieb, sich die Maske vorschriftsmäßig aufzusetzen. Sind nicht auch Sie schon ohne Maske unterwegs gewesen oder näher als 1,50 Meter an jemandem vorbeigegangen? Der Mensch braucht Regeln und Hilfe, um sie einzuhalten. Wohin es führt, wenn freie Bürger ihre Gestaltungsspielräume eigenverantwortlich wahrnehmen, sehen Sie im Straßenverkehr. Kaum jemand hält sich an die Regeln, weil sie nicht durchgesetzt werden.

        • In Schweden werden keine Masken getragen! Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen reichen aus. In Deutschland hingegen hat die staatliche Bevormundung der Menschen aber leider eine lange Tradition.

          Zudem werden in dem allgemeinen Alarmismus kritische Fachleute nicht gehört, sondern Scharfmacher wie Lauterbeach bestimmen das mediale Geschehen. So plädiert etwa Matthias Schrappe für einen Strategiewechsel, der weg von der 7-Tage-Inzidenz führt und die Risikogruppen mehr in den Fokus rückt. Auch ist das Gerede von einer zweiten Welle irreführend. Man sollte von einem kontinuierliches Ansteigen der Zahlen sprechen.

          • grafiksammler

            @Markus: richtig ist: in Schweden wurden keine Masken getragen – bis vor ein paar Wochen. Da ist die Freiwilligkeit komplett gegen die Wand gefahren, die Fallzahlen nach oben abgegangen. Inzwischen hat Schweden die Strategie gewechselt.
            @Hubertus Bruch: es ist Schuld entstanden, weil keine Verantwortung gelebt worden ist.

  3. Werner Theisen Reply

    Niemand will, dass die „lokalen Fürsten“ in seinem Leben rumfummeln. Wieso soll das bei COVID-19 anders sein. Jeder weiß, was er zu seinem Schutz und dem Schutz seiner Mitmenschen zu tun hat. Der Ruf nach dem starken Führer ist doch ein Anachronismus!

  4. Hubertus Bruch Reply

    Gibt es nicht – vollkommen unabhängig von Bildung und Intellekt, was erwiesenermaßen bei Corona überhaupt keine Rolle spielt – einen meilenweiten Unterschied zwischen Menschen, die zumindest ihr Möglichstes versuchen und solchen, denen einfach alles egal ist? Für letztgenannte wollen Sie eine Lanze brechen und deren Verschulden in den letzten Monaten einfach exkulpieren? Riesige Hochzeiten, heimliche Parties, Aluhüte, tausende von Jugendlichen am Rhein und in der Altstadt, alle eng an eng ohne Maske aber dafür voll wie die Haubitzen und das, weil doch auch der Laschet mit der Maske unter dem Kinn erwischt wurde?

    Die Anweisung Maske, Abstand, Waschen ist so einfach und es gibt Abertausende von Mitbürgern, die einem zeigen, wie es geht, da gibt es mAn keine Entschuldigung für, auch wenn Sie großes Verständnis für diejenigen zeigen, die das bewusst nicht wollen oder können und die die wahren Verursacher des Lockdowns sind.

    • Ulrich Horn Reply

      Ihre Behauptung, ich hätte Verständnis für die Böswilligen und wolle sie exkulpieren, weise ich zurück. Es ist eine üble Unterstellung.

      Ich wiederhole, was eigentlich gar nicht misszuverstehen ist: Ich kritisiere, dass die Maßnahmen der Ministerpräsidenten inadäquat waren und dass sie auf diese Weise zur Verbreitung des Virus beigetragen haben. Ich kritisiere, dass ihre Maßnahmen an der Lebenswirklichkeit vorbeigingen. Ich kritisiere, dass sie die böswilligen Verstöße nicht auf der Rechnung hatten, dass sie den ersten Shutdown fast ohne Regeln lockerten und den Restbestand ihrer Regelungen nicht hart genug durchsetzten. Es sind auch nicht nur Böswillige, die das Virus verbreiten. Es sind auch Unbeholfene, die es in großer Zahl gibt. Auch sie hatten die Ministerpräsidenten nicht im Blick. Sie begegneten den Verstößen gegen die Pandemieregeln wie den Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Sie haben die Menschen über Jahrzehnte daran gewöhnt, dass es nicht so genau darauf ankommt. Das ist schon im Straßenverkehr eine Katastrophe. In der Pandemie erst recht.

      • Hubertus Bruch Reply

        Wenn ich Sie richtig verstehe, wurden die Regelungen also zu schnell wieder runtergefahren bzw. nicht konsequent durchgesetzt und jetzt wieder zu spät eingesetzt?

        Dazu ein Beispiel aus Düsseldorf: Hier hat man versucht, den Mund-Nasen-Schutz per Allgemeinverfügung stadtweit durchzusetzen. Ergebnis: Da kommt ein passionierter Architekt um die Ecke und kippt das aus reinem Egoismus und weil das Gesetz es hergibt. Und diese Urteil ist eines von vielen!

        Es ist einfach, auf die MPs einzuhauen aber in Deutschland ist der nächste Kläger mit verständnisvollem Richter nicht weit.

        Bei Ihrem Artikel hätte ich mir gewünscht, dass der Blick breiter und tiefer ist. Politiker-Schelte betreibt die Blöd schon in unerträglicher Weise, die Lieblinge Söder und Merkel wie immer natürlich ausgenommen.

        Bei Herrn Söder, dem selbsternannten Corona-Bekämpfer Nr. 1 kann man übrigens sehr schön sehen, was passiert wäre, wenn man die Corona-Vorgaben langsamer runter gefahren hätte und in allem knallhart bei der Umsetzung ist: Nichts! Die Zahlen in Bayern sind ein Desaster.

        Ich bleibe dabei: Die derzeitige Situation haben wir Deutsche uns mit unserer Überheblichkeit aus der ersten Welle alle (!) selbst zuzuschreiben.

        • Ulrich Horn Reply

          Herr Bruch, wenn jeder Mensch vier Wochen lang für sich bliebe, bräuchten wir keinen Shutdown in Deutschland und Europa. Das Virus wäre platt.

          Es bleiben aber leider nicht alle zu Hause, und es steht auch fest, dass sich nicht alle so schlau, umsichtig und verantwortungsvoll verhalten wie wir beide. Dass sollten auch die Ministerpräsidenten wissen.

          Vor diesem Hintergrund der gerade angedeuteten Lebenswirklichkeit sind es die Länderchefs, neben jedem einzelnen Bürger, die es in der Hand haben, bei einer Pandemie die Rahmenbedingungen festzulegen, unter denen das öffentliche und private Leben stattfinden soll.

          Dass sie dabei die Gesetze beachten müssen, versteht sich doch von selbst. Wenn sie mit ihren Vorschriften an Gesetzen und vor Gerichten scheitern, liegt die Schuld nicht beim Gericht, beim Kläger oder beim einzelnen Bürger, sondern beim Gesetzgeber. Da wären wir dann wieder bei den Ministerpräsidenten. Ich verkneife mir zu schreiben: Sie müssen endlich ihre Arbeit machen.

          Es reicht eben nicht, zuständig zu sein. Man muss auch die Bedingungen dafür schaffen, dass die Zuständigkeit realisiert werden kann. Das können die Bürger nicht. Das ist Aufgabe der Abgeordneten, der Regierungen und der zuständigen Ministerpräsidenten.

          Nicht die einzelnen Bürger, sondern die Ministerpräsidenten tragen Mitschuld daran, dass das Pandemie-Gutachten des Bundestages von 2013 nicht umgesetzt wurde und die Republik über Wochen ohne Masken dastand.

          Als Verantwortliche für den Kampf gegen die Pandemie wäre es Pflicht der Länderchefs gewesen, die Umsetzung zu erzwingen. Stattdessen ließen sie zu, dass zu Beginn der Pandemie die Masken als wirkungslos bezeichnet wurden. Bei diesem katastrophalen Einstieg in die Pandemie ist es doch ein Wunder, dass heute so viele Leute glauben, Maske zu tragen, Hände zu waschen und Abstand zu halten, helfe gegen das Virus.

          • Hubertus Bruch

            Herr Horn,
            Sie haben vollkommen recht: Wenn die Menschen schon bei den konkreten Gefahren im Straßenverkehr keine Regeln befolgen, dann werden sie auch keine Regeln zu der abstrakten Corona-Gefahr befolgen. Die derzeitigen Ansteckungen geben das auch wieder.

            In der Konsequenz kann es nur eine Lösung geben und das ist eben genau das, was Sie ebenfalls geschrieben haben, aber selbst ablehnen: Die komplette Einstellung des öffentlichen Lebens, so wie wir es in Spanien und Italien erlebt haben und offensichtlich hier bald erleben werden.

            Alles, was dazwischen ist, also ein Soft-Lock-Down und hierbei egal welche Stufe, bringt allerhöchstens eine Verlangsamung, aber keinen Erfolg, da diese Regeln nicht konsequent befolgt und auch nicht kontrolliert werden können. Die aktuelle Entwicklung gibt genau das wieder.

            Was bleibt somit für die Politik? Eigentlich nur der harte Lockdown, sobald die Zahlen steigen. Können wir das wirtschaftlich überleben? Nein, also Kamikaze für jeden Politiker. Dieses Szenario wurde übrigens schon zur ersten Welle beschrieben, aber es wollte keiner wahrhaben, so wie das von Ihnen zitierte Gutachten.

  5. grafiksammler Reply

    @Benno Lensdorf, bitte richtig lesen,
    Zu Frau Merkel hatte ich geschrieben: Rückblickend wird jedenfalls niemand ihr Führungsstärke lobend ins Zeugnis schreiben. Sie hat moderiert. Das hat unserem Land wenig genutzt.
    Das bezieht sich auf die bisherigen 15 Amtsjahre, die Kompetenzverteilung bzgl. Corona geht aus meinen Beiträgen klar hervor. Die betrifft die Landesfürsten.

  6. Benno Lensdorf Reply

    Bad News – are good News. Das konnten wir in den letzten Monaten ständig im TV und den Medien verfolgen. Da wurde nicht unterschieden, wer die gesetzlichen Zügel in der Hand hatte. Es war publikumswirksamer, Merkel und Lauterbach & Co falsch darzustellen.
    Wer mit „Verwaltungen“ zu tun hat weiß, wie schwer sich diese tun, auf neue Gegebenheiten einzustellen. Das ist in der der Großindustrie etc. nicht viel anders. Es gibt immer noch viele Mitarbeiter, die den Weg in die IT nur bedingt mitgehen, weil sie die Pensionierung schon im Blick haben… Wie soll dann in der Pandemiezeit sich gerade dort ad hoc was ändern? Sichtbar wird das dann am ehesten an Schulen. Ich kenne viele Lehrer, die noch heute nicht in der Lage sind, eine SMS zu versenden.. Die brauchen dringend Schulungen durch ihre Schüler. Verkehrte Welt. Und das macht die Lage so dramatisch.

  7. Schon wieder bin ich der Meinung, dass Sie die Situation zutreffend beschrieben haben. Ein trauriges Bild der Zerrissenheit, das allerdings durch einen Tatbestand zu ergänzen wäre. Es sieht im Ausland fast nirgends viel anders aus als bei uns. Das Virus tobt. Selbst Südkorea steht vor der Entscheidung, deshalb die 1. Warnstufe auszurufen. Heute Morgen las ich den Kommentar eines österreichischen Journalisten, der in Berlin ansässig ist und für die Neue Zürcher Zeitung schreibt. Auch dort werden die schwerwiegenden Fehler der politischen Führung in Deutschland ausführlich beschrieben. Aber was ist mit Österreich, was mit der Schweiz? Dort grassiert das Virus nicht weniger dramatisch. Und doch, die Kritik in Deutschland ist – jedenfalls aus meiner Sicht – besonders hart. Ich empfinde sie angesichts der Unwissenheit, die uns fast alle im Hinblick auf das „Wirken“ des Virus auszeichnet, als überzogen und – ja – ungerecht. Schließlich wurden die getroffenen Maßnahmen nicht von der Politik missachtet, sondern von ganz vielen Bürgern (vor allem eben in Sachsen und Thüringen). Seltsam, dass der eigenverantwortlich auch in diesem Fall wieder mal kaum Bedeutung beigemessen wurde.

    Ich hörte den Leiter eines Seniorenheims im TV sagen: Ich kann höchstens für 3 Tage eine/n Angestellte/n für Tests abstellen. Ebenso zeigen Lehrer einen Grad von Eigeninitiative, der aus meiner Sicht durchaus ausbaufähig wäre. An manchen Schulen könnten sich einige bestimmt ein Beispiel nehmen. Aber so sind wir Deutsche. Wir denken, der Staat müsse alles für uns richten.

  8. grafiksammler Reply

    „Aber so sind wir Deutsche. Wir denken, der Staat müsse alles für uns richten.“

    Nein, das würde ich nicht (mehr) unterschreiben. Aber der Staat hat lange Jahre seine Aufgaben nicht gemacht. Nachdem die CDU 2005 das Ruder übernommen hatte, wurde ihr landauf landab bescheinigt, die Früchte zu ernten, die Herr Schröder gesät hatte. Herr Schröder wurde dafür gescholten, weil sein Land, dass durch die Untätigkeitsphase unter Kohl der kranke Mann Europas geworden war, wieder fit gemacht hat. Diese Roßkur hat weh getan. Sehr weh. Heute sind wir wieder so weit, dass wir eine Roßkur brauchen, um wieder fit für die Zukunft zu werden. Nur: heute wird es dramatischer werden als vor mehr als 20 Jahren. Kleines Beispiel: als im September 2020 der 1. Entwurf für 2021 vorgelegt worden ist, sprach dieser von ca 90 Mrd. Neuverschuldung. Letzte Woche ist der Bundeshaushalt mit der doppelten Neuverschuldung von 180 Mrd. Euro beschlossen worden. Ton des Finanzministers: wir können uns das leisten.

    • Die Art von Schröders „Eigenverantwortung“ hatte ich nicht im Auge. Auch nicht die, die die FDP favorisieren würde. Mir geht es nur ein wenig auf den Keks, dass auf der einen Seite immer die staatliche Fürsorge (für fast alles) reklamiert wird, die Eigenverantwortung insbesondere an der Ausbreitung des Virus gern bestritten oder abgelehnt wird. Es ist nicht alles Sache des Staates. Wir sind auch für uns selbst verantwortlich. Um mehr gehts mir gar nicht.

      • Ulrich Horn Reply

        Das kann ich unterschreiben. Ich sehe aber auch, dass politische Institutionen und Personen ihren Teil der Verantwortung nicht hinreichend wahrnehmen.

  9. (…) Was wir Bürger jetzt brauchen, sind Impfungen – nicht mehr und nicht weniger.
    Es ist schon sehr eigenartig, dass andere früher impfen als das Land, aus dem der Impfstoff kommt.

    • grafiksammler Reply

      Naja, so eigenartig ist das auch nicht. Unsere Politiker und zuständigen Behörden hatten es in der Hand, eine nationale Zulassung oder eine EU-Zulassung zu wählen. Sie haben sich vielleicht auch für die EU-Zulassung entschieden, um jedem Verdacht, „pro-domo“ zu entscheiden, von vorneherein die Grundlage zu entziehen. Wir haben uns für das länger dauernde Verfahren entschieden, daher starten wir später mit dem Impfen. Das war eine politische Entscheidung, die es zu respektieren gilt. Einfluß darauf hatte kein Bürger.

      • Wenn die EMA – Entscheidung erst am 29.12. getroffen wird, dann wird es bis dahin garantiert noch einige Kontroversen geben. Ich sehe es wie du. Wer die Sicherheit vorzieht, müsste diese etwas länger dauernde Prüfung anerkennen. Aber das hängt sehr von den Medien ab. Je mehr Zeit vergeht, desto kritischer und lauter werden die ewigen Besserwisser.

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