Anfang April war in der Türkei von US-Präsident Trump und „America First“ nichts zu sehen und zu hören. Damals trafen sich Kreml-Chef Putin, Irans Präsident Rohani und der türkische Staatschef Erdogan in Ankara, um über die Zukunft Syriens zu beraten. Sie traten als Gestaltungskräfte des Nahen Ostens auf. Jeder von ihnen macht dort Interessen geltend. Sie zu verwirklichen, gelingt ihnen bisher jedoch kaum. Einer, der in Ankara nicht dabei war, setzt ihnen Grenzen: Donald Trump.

Schutzmacht Iaraels

Der US-Präsident macht heute im Nahen Osten Einfluss geltend, auf den sein Vorgänger verzichtet hatte. Während Obama die USA aus dem Krieg in Syrien weitgehend heraushielt, bauten dort Russland, Iran und die Türkei ihre Positionen aus.

Trump hält nun dagegen. Im Machtkampf zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien rüstete er die Saudis auf. Zu ihnen ist der US-Kontakt seit jeher eng. Sie erkennen das Existenzrecht Israels an. Der Iran dagegen stellt es infrage.

Putin agiert als Schutzpatron des syrischen Diktators Assad. Dagegen bringt Trump die USA als Schutzmacht Israels ins Spiel. Er unterstrich den Anspruch, als er entschied, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. Um den Interessen der USA Geltung zu verschaffen, bedient er sich ihrer Wirtschaftsmacht. Mit ihr setzt er Russland, Iran, die Türkei und den Rest der Welt unter Druck.

Zum Kurswechsel zwingen

Besonders heftig trifft er den Iran. Trump kündigte das Atomabkommen auf und verhängte einen Boykott gegen das Land. Die Sanktionen sollen es isolieren. Sie werden seiner Wirtschaft schaden und die Versorgung der Bevölkerung verschlechtern.

Trump will den Geltungsbereich des Atomabkommens ausdehnen. Der Iran soll auch die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah sowie den Aufstand der Huthi im Jemen nicht länger fördern und finanzieren. Von diesen Aktivitäten sehen sich die US-Partner Israel und Saudi-Arabien bedroht.

Trumps Boykott gegen den Iran zielt darauf ab, die Unzufriedenheit der iranischen Bevölkerung mit dem Mullah-Regime zu schüren, es zum Kurswechsel zu zwingen, es zu destabilisieren und womöglich sogar die Voraussetzungen für einen Regimewechsel zu schaffen.

Ein Exempel statuieren

Den NATO-Partner Türkei belegte Trump mit höheren Zöllen. Erdogan hat den türkischen Aufschwung über Auslandskredite finanziert und in jüngster Zeit mit seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik Investoren irritiert. Mit den höheren Zöllen beschleunigte Trump den Niedergang der türkischen Lira und die Inflation. Der Währungsverfall verteuert die Kredite. Die türkische Wirtschaft droht zu kollabieren.

Der Konflikt entzündete sich vordergründig an zwei Geistlichen. Trump will einen US-Pastor befreien, der in der Türkei unter Hausarrest steht. Im Gegenzug verlangt Erdogan von den USA, seinen Erzfeind Gülen auszuliefern, den er für den Putschversuch von 2016 verantwortlich macht.

Den Schaden, den Trump der Türkei zufügt, steht in keinem Verhältnis zu seinem Auslöser, dem Streit um den US-Pastor. Dieser Konflikt ist wohl nur vorgeschoben. Trump will ein Exempel statuieren. Er setzt der Türkei zu, weil sich Erdogan zunehmend dem Iran und Russland verbunden zeigt. Statt bei den NATO-Partnern kaufte er in Russland Waffen. Dieser Schritt lässt vermuten, er wolle die Verbindung zur NATO lockern und stärker Russland kooperieren.

Russland schwächen

In dieser Woche will Trump auch weitere Sanktionen gegen Russland verhängen. Er begründete sie mit dem Nowitschok-Anschlag in England. Prompt fiel der Rubel. Er leidet zusätzlich unter dem Absturz der Lira. Russlands ohnehin schwache Wirtschaft wird weiter geschwächt. Sie erreicht nicht einmal die Leistungskraft der Beneluxstaaten und Dänemarks.

Putins Machtanspruch basiert auf Russlands Militärapparat. Die Wirtschaftsschwäche begrenzt dessen Wirkung. Hinter der Kooperation mit dem Iran und der Türkei steht auch Putins Bemühen, Gegengewichte zur EU und zur Nato zu schaffen und den Öl- und Gaskonkurrenzen Saudi-Arabien einzugrenzen.

Russland begründete sein Engagement im Nahen Osten mit der Sorge, die Konflikte dort könnten auf die Muslime in Russland überspringen. Russland grenzt im Süden an muslimische Staaten. Der Anteil der Muslime in Russland wird auf 15 bis 20 Prozent geschätzt. Er wächst, während die übrige Bevölkerung abnimmt.

Abwehr formiert sich

Trump dreht auch an der Rüstungsspirale. Er will die US-Streitkräfte modernisieren und eine Weltraumarmee aufstellen. Dieser Plan erinnert an das SDI-Projekt, mit dem US-Präsident Reagan vor 35 Jahren das nukleare Abschreckungssystem infrage stellte und der Sowjetunion ihren wirtschaftlichen und technologischen Rückstand aufzeigte. Sie sah sich damals zur Reformpolitik gezwungen, die zum Ende der Sowjetunion führte.

Russland, die Türkei und der Iran wollen sich Trumps Druck nicht beugen. Sie haben Widerstand angekündigt. Sie wirkten mit, Syrien in Schutt und Asche zu legen. Es fehlen ihnen die Mittel, das Land wieder aufzubauen. Seit Trump sie mit Sanktionen fesselt, wird dieses Defizit immer deutlicher. Unterstützung suchen sie in Europa, das befürchtet, Ziel weiterer Flüchtlinge aus Syrien zu werden. Europa hat sich am Kampf gegen den IS kaum beteiligt. Es soll nun den Wiederaufbau bezahlen.

Und das, obwohl Russland und Assad in Syrien Kriegsverbrechen begingen, der Iran Terroristen unterstützt und Erdogan unter fadenscheinigen Gründen Zehntausende inhaftiert hat, darunter auch deutsche Staatsbürger. Iran, Russland und die Türkei machen sich Europas Angst vor weiteren Flüchtlingen zunutze. Erdogan hat einen Syriengipfel ins Gespräch gebracht, an dem er selbst, Frankreichs Präsident Macron, Merkel und Putin teilnehmen sollen. Am Wochenende war Putin bei Merkel. Ende September wird Erdogan in Berlin erwartet. Trump bleibt erneut außen vor. Gegen ihn baut sich offenbar eine Front auf.

Widerstand wächst

Seine Sanktionspolitik trifft nicht nur Russland, die Türkei, Iran und China. Allein über die Sanktionen in der Pastorenkrise und den Absturz der türkischen Lira gerieten auch die Währungen anderer Schwellenländer wie Brasilien, Argentinien, Indien, Indonesien und Südafrika unter Druck. Trumps Sanktionspolitik schadet auch der europäischen Wirtschaft und vielen deutschen Unternehmen.

Trumps Slogan „Make America Great again“ erweist sich für viele Staaten als Kampfansage und handfeste Bedrohung ihrer ohnehin schon schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Mit seinen Angriffen gegen die EU und die NATO brüskierte er die Bündnispartner der USA. Mit den Nachbarn Kanada und Mexiko liegt er über Kreuz. Sein Slogan „Amerika First“ verwandelt sich mehr und mehr zu „America – Home Alone“.

Selbst bei seinen Helfern in den USA stößt er auf Widerstand. Republikanische Senatoren distanzieren sich von seinen Hasstiraden gegen Journalisten. Viele Zeitungen wollen seinen Unflat nicht länger hinnehmen. Die US-Wirtschaft sieht seinen Zollkrieg skeptisch. Sie fürchtet, in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Den Unmut der US-Bauern versucht er, mit Subventionen zu mildern. Er verliert finanzstarke Helfer: Die Koch-Brüder attackieren ihn öffentlich. Umfragen weisen ihn als den unbeliebtesten Präsidenten seit dem 2. Weltkrieg aus. Sollten die Republikaner die Kongresswahlen am 6. November verlieren, kann es für ihn eng werden. – Ulrich Horn


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4 Comments

  1. Danke, lieber Herr Horn, daß sie das einmal anmerken: Saudi-Arabien ist auf dem Weg zur Demokratie und erkennt entgegen islamischen Gesetzes das Existenzrecht Israels an. Ein mutiger Schritt!

    Wladimir Putin hingegen umgibt sich mit Diktatoren, versinkt immer mehr in seiner „Demokratur“.

    Derweil tut Donald Trump, was Israel will, vor allem gegen den Iran. Jeder weiß aber, daß dessen Aktivitäten auf dem Nuklearsektor allein friedlichen Zwecken dienen, und daß im Iran niemals jemand Israel auslöschen, sondern nur berechtigterweise das rechtsextreme Regime der Zionisten beseitigt haben wollte.

    Und wie Donald Trump jetzt gegen die Türkei vorgeht! Dabei hat Recep Tayyip Erdogan alles getan, den USA zu helfen, gemeinsam mit den demokratischen syrischen Kräften gegen den Diktator Bashar al-Assad zu kämpfen!

    Der US-Pastor steht zu recht unter Hausarrest; denn er ist ein US-Agent. Fethullah Gülen, ein noch schlimmerer Agent und Muslim wie sein Feind, der Büyük Lider, sollte umgehend an die Türkei ausgeliefert werden. Wenn das nämlich mit den Sanktionen so weitergeht, leiden darunter vor allem deutsche Kreditinstitute, die auf den Lider gesetzt haben und nun um ihr Geld bangen.

    Kurz, Donald Trump treibt ein übles Spiel gegen den Rest der Welt!

    Und dabei war von seinen an McCarthy-Zeiten erinnernden Handlungen noch nicht die Rede, Stichwort John Brennan. Ihm unterstellt er anti-amerikanische Aktivitäten! Zum Glück haben die Republikaner in ihren Reihen aufrechte Parteifreunde wie John McCain, Paul Ryan und Lyndsey Graham.

    Ich hoffe mit Ihnen, daß es am 6. November für Donald Trump eng wird.

    • Ulrich Horn Reply

      Frau Eussner, ich verwahre mich gegen Ihre Unterstellung, ich hätte angemerkt, Saudi-Arabien befände sich auf dem Weg zur Demokratie.

      Fast alle anderen ihrer Ansichten, die Sie in Ihrem Kommentar vertreten, finde ich abwegig. Mit zwei Ausnahmen: 1. Donald Trump treibe ein übles Spiel. 2. Brennans Aktivitäten erinnerten an die McCarthy-Zeit. Ich füge hinzu: nicht nur Brennens Aktivitäten.

      Dass Sie hoffen, es möge am 6. November für Trump eng werden, erstaunt mich. In meiner Vorstellung sehe ich Sie seit Langem heftig Daumen drückend seinem Erfolg entgegenfiebern.

  2. Günter Buchholz Reply

    Ich würde gern mal erfahren, weshalb die angeblich so fabelhafte globalistische Kapitalfraktion in irgendeiner Hinsicht etwas Besseres sein sollte als die nicht-globalistische Kapitalfraktion? Vielleicht verhält es sich bei konkreter Betrachtung ja auch umgekehrt, zumindest derzeit?

    • Die Globalisierung ist „alternativlos“, weil die Kapitalwirtschaft es genau so haben will. Punkt. (Denn so etwas wie Demokratie ist in deren Augen völlig überflüssig.) Und wenn einer wie Trump dieses Dogma auch nur im geringsten anzweifelt, wird gegen alles, was er tut und macht, medial zu Felde gezogen, wie jetzt auch wieder mit dem Gejammere der mächtigen US-Presse gegenüber Trumps wiederholter Medienschelte.

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