Die Größe der NRW-SPD ist zur Last geworden. Sie zählt ein Viertel aller SPD-Mitglieder. Geht es ihr schlecht, liegt die ganze Partei am Boden. Heute geht es ihr miserabel. Der Niedergang ist seit 2005 sichtbar. Dennoch reagierte sie  nicht. Seit der NRW-Wahl im Mai 2017 kann sie ihren schlechten Zustand nicht mehr verdrängen. Sich zu erneuern, ist zur Existenzfrage geworden. Die NRW-SPD beantwortet sie auf ihre Art: Sie lässt sich von jenen sanieren, die sie klein gemacht haben.

Ein schwerer Sanierungsfall

Bis zu den Wahlen 2017 wollte die SPD aller Welt weismachen, sie wäre auf der Höhe der Zeit. Die große Mehrheit der Wähler ließ sich keinen Bären mehr aufbinden. Sie schickten die NRW-SPD in die Opposition und schoben die Bundespartei ganz dicht an 20-Prozent-Merke heran.

Die SPD ist den Wählern, die ihr die Stimme verweigerten, zu großem Dank verpflichtet. Ohne sie wüsste die Partei heute immer noch nicht, dass sie ein schwerer Sanierungsfall ist und jede Menge Ballast abwerfen muss.

NRW-Landeschefin Kraft trat noch am Wahlabend ab. Ihre langjährigen Stützen Groschek und Römer werden ihr mit einjährigem Verzug demnächst folgen. Auch andere SPD-Spitzen in NRW wollen ihre Sachen packen. Die alte Garde markiert den vorläufigen Tiefpunkt eines langen Niedergangs. Ob es je wiederaufwärts gehen wird, ist ungewiss.

Keine Fehleranalyse

Bis heute hat es die Partei nicht über sich gebracht, sich das Ausmaß ihres Verfalls klar zu machen. Es gibt immer noch keine Sachstands-, Fehler- und Versäumnisanalyse. Trägheit, Ignoranz und Arroganz haben über viele Jahre hinweg eine ehrliche Bilanz verhindert, auch aus Sorge, sie könnte die Machtstrukturen in der Partei verändern. Immer wieder hat sich die SPD über ihren Zustand hinweggetäuscht. Fremd- und Selbstwahrnehmung drifteten von Wahl zu Wahl immer weiter auseinander.

Der Absturz der NRW-SPD begann 1990. Damals errang sie zum dritten Mal die absolute Mehrheit. Sie schaffte es jedoch nicht, die Grünen aus dem Landtag zu halten. Mit der Wahl 1995 waren sie vollends etabliert. Sie setzten der SPD-Alleinherrschaft in NRW ein Ende. Um sich in NRW über Wasser zu halten, war die SPD gezwungen, mit den Grünen zu koalieren. Die Aversion gegen sie war leichter zu überwinden als die gegen die CDU.

Konsequenzen aus dem Machtverlust und aus den Veränderungen, die in der Gesellschaft und im Parteienspektrum abliefen, zog die NRW-SPD nicht. Statt die Ursachen für ihre Schwäche zu suchen, konservierte sie ihr Selbstverständnis aus den Zeiten der absoluten Mehrheit. Dieser gravierende Fehler wirkt nachhaltig. Noch heute hält die NRW-SPD das Land für ihre Hochburg.

Zäsur ohne Folgen

Mit ihrem Bezug zur Realität schrumpfte ihre Attraktivität. Bei den Wahlen 2000 und 2005 baute sie weiter ab. Ihre Ministerpräsidenten Clement und Steinbrück beschleunigten den Niedergang. Sie sorgten für Getöse in den Medien, brachten im Land aber kaum etwas zustande. Auch dass sie Schröders Agenda-Politik verteidigten, kam die NRW-SPD teuer zu stehen. Sie verlor viele Mitglieder und 2005 auch die Landtagswahl.

Mit ihr beendeten die Wähler die 39-jährige SPD-Regierungszeit in NRW. CDU und FDP übernahmen die Macht. CDU-Landeschef Rüttgers wurde Ministerpräsident. Kurz darauf verlor die SPD auch die Bundestagswahl. CDU-Chefin Merkel löste SPD-Kanzler Schröder ab. Die Bundes-SPD konnte sich als kleiner Regierungspartner in die große Koalition retten. Die NRW-SPD aber landete in der Opposition.

Trotz dieser scharfen Zäsur erneuerte sich die Partei auch diesmal nicht. Jene ihrer Politiker, die den Absturz im Bund verursacht hatten, regierten munter weiter, als wäre nichts geschehen. Nach der Wahl 2005 verloren sie auch noch die Wahlen 2009, 2013 und 2017. Die SPD fiel tief unter die 30-Prozent-Marke. Der Realitätsverlust beschleunigte sich von Wahl zu Wahl bis zu der Halluzination, mit Schulz wären Wahlen zu gewinnen.

Sammelbecken externer Interessen

Auch die NRW-SPD blieb nach ihrem Absturz von 2005, wie sie war. Die den Machtverlust verschuldet hatten, organisierten damals den Übergang in die Opposition. Verlierer Steinbrück wurde Bundesfinanzminister. Nur Landeschef Schartau übernahm Verantwortung und trat ab. Die übrigen SPD-Spitzen riefen Ex-Wissenschaftsministerin Kraft zur Fraktions- und später auch zur Parteichefin aus und behaupteten, die NRW-SPD wäre nun erneuert.

Sich zu erneuern, fällt der Partei schwer, weil sie seit jeher stark fremd bestimmt ist. Sie wirkt oft wie ein Sammelbecken externer Kräfte. IG BCE, Verdi und IG Metall mit ihren oft gegenläufigen Interessen üben großen Einfluss aus, der sich bei der SPD in Flügelkämpfen und regionalen Rivalitäten niederschlägt und immer wieder den Eindruck erzeugt, die Partei sei uneins und zerrissen.

Besonders stark prägt die IG BCE die Politik und die Personalauswahl der SPD. IG Chemie-Chef Rappe brachte in den 90ern Schröder als Kanzlerkandidaten ins Spiel. Die IG BCE unterstützte dessen Agenda-Politik. Schröders Wirtschafts-, Finanz- und Außenpolitik waren stark beeinflusst vom Verband der Chemischen Industrie (VCI). Besonders massiv bekommt die SPD die Präsens der IG BCE im Bergbau-, Chemie- und Energieland NRW zu spüren.

Als Schutzpatronin ausgespielt

Mit dem Niedergang der Partei 2005 verlor die IG BCE Einfluss. Dass Schröder abgewählt wurde, konnte sie verschmerzen, weil die SPD im Bund weiterhin mitregierte. Anders in NRW. Dort hatte die IG BCE Clement und Steinbrück zur Macht verholfen. Sie sollten den Bergbau und die Chemie- und Energieindustrie gegen die Grünen verteidigen. Die SPD verfolgte diese Aufgabe mit Nachdruck. Zwischen 1995 und 2005 lieferten sich die Koalitionspartner zahllose schwere Konflikte.

Sie sollten auch dem Zweck dienen, die SPD geschlossen zu halten und vom Einfluss der Grünen abzuschotten. Über diesen Weg wollte die SPD Gewicht zurückgewinnen. Er stellte sich als Irrweg heraus. 2005 wurde Rot-Grün abgewählt. Die SPD musste zur Kenntnis nehmen, dass sich für sie ihr Dauerkampf mit den Grünen nicht ausgezahlt hatte. Sie war über die Konflikte mit ihnen zerschlissen.

In der Opposition musste die SPD obendrein erleben, wie dem Bergbau der Garaus gemacht wurde. Die schwarz-gelbe Regierung Rüttgers läutete den Ausstieg aus der Steinkohleförderung ein: Sie beendete die Subventionen. Die Grünen taten das Ihre, um der CDU aus der Opposition heraus zu helfen. Ein schwerer Schlag für die SPD. Sie verlor einen Teil ihres Daseinszwecks. Als Schutzpatronin der Bergleute hatte sie ausgespielt.

Ein Geschenk der Linken

Statt sich zu modernisieren, restaurierte sich die Partei. Während Rüttgers mit dem Bergbau eine Machtbasis der SPD zerschlug, versuchte die IG BCE, die NRW-SPD zu stabilisieren. Die Gewerkschaft gestaltete den Ausstieg aus der Kohle mit. Gleichzeitig stützten IG BCE-Mitglied Groschek als SPD-Generalsekretär und der frühere IG BCE-Funktionär Römer als Chef der SPD-Region Westliches Westfalen die neue Führungsfrau Kraft. Auch sie ist seit 2015 Mitglied der IG BCE und sitzt heute im Aufsichtsrat der Ruhrkohle AG.

Inhaltliche Impulse vermittelte dieses Trio der NRW-SPD nicht. Es ging ihnen weniger darum, die Partei zu erneuern, sondern Rüttgers bei der Wahl 2010 aus dem Amt zu drängen. Dass ihnen dieser Coup gelang, war nicht die Folge des souveränen Auftritts einer starken Partei und einer starken Spitzenkandidatin, sondern einer Intrige in der Regierungspartei CDU und einer strategischen Fehlkalkulation der Partei Die Linke.

Ein CDU-Überläufer beschädigte Rüttgers’ Ruf und perforierte den Wahlkampf der NRW-CDU. Trotz dieser subversiven Hilfe reichte es für die SPD bei der Wahl nur zu Platz 2. Um Ministerpräsidentin zu werden, brauchte Kraft auch noch die Hilfe der Linken, die 2010 in den Landtag eingezogen war.

In die Karten gespielt

Sie hatte sich gegen die SPD formiert und bekämpfte deren Agenda-Politik. Trotz aller Differenzen half sie der SPD und tolerierte die rot-grüne Minderheitsregierung Kraft. Dieses Geschenk zahlte sich für die Linke nicht aus. Die SPD drängte sie 2012 per Neuwahl aus dem Landtag. Rot-Grün errang die ersehnte Mehrheit. Ohne Groscheks und Römers Know-how wären die Winkelzüge um die Wahlen 2010 und 2012 kaum möglich gewesen.

Im Jubel über die Regierungsmehrheit verdrängte die NRW-SPD 2012 erneut jeden Gedanken an Erneuerung. Die Partei schrieb den Wahlsieg ihrer eigenen Leistung zu. Dabei war sie in ihrer vermeintlichen Hochburg NRW nicht einmal über die 40-Prozent-Marke gesprungen, und das, obwohl ihr auch bei dieser Wahl die NRW-CDU in die Karten spielte, und zwar so stark selten zuvor.

CDU-Spitzenkandidat Röttgen, der Bundestagsabgeordneter und Bundesumweltminister war, signalisierte den Wählern im Wahlkampf, dass er gar nicht gewinnen wollte. Er zog mit der Zusage durch das Land, er werde in Berlin bleiben, sollte er die Wahl verlieren. Ein größeres Wahlgeschenk hätte er der SPD nicht machen können. Die Wähler straften ihn und die CDU ab. Die SPD und Kraft konnten ohne große Anstrengung abstauben.

Aversion gegen die Bundespolitik

Dass die NRW-SPD 2010 und 2012 Regierungen bilden konnte, war das Ergebnis kühl kalkulierter Machtklempnerei. Der Wahlerfolg 2012, den die CDU gesponsert hatte, versperrte der NRW-SPD den Blick auf sich selbst. Über viele Jahre hat sie sich antrainiert, sich selbst zu verklären. Nun schlug diese Neigung in Selbstbetrug um. Der Realitätsverlust gipfelte in der Behauptung, Kraft wäre die neue Hoffnung der Partei, geeignet für das Kanzler- und das Bundespräsidialamt.

Die Fata Morgana löste sich bald auf. Wie hilflos Kraft war, zeigte sich bei den Verhandlungen über die große Koalition nach der Bundestagswahl 2013. An Krafts Auftritt in Berlin hatte die NRW-SPD große Hoffnungen geknüpft. Doch die Regierungschefin kam mit leeren Händen heim. Viele SPD-Politiker waren enttäuscht, andere über Krafts unprofessionelles Verhalten und ihre Beratungsresistenz auch verärgert. Die Hoffnungsträgerin hatte sich als Ausfall entpuppt.

Kraft wusste um ihre Schwächen. Sie wusste aber auch, dass sie in der NRW-SPD unentbehrlich war. Gefährdet sah sie sich durch die Bundespartei. Kraft sprach diese Befürchtung 2014 öffentlich an und bekannte auch ihre Aversion gegen die Bundespolitik. Immer häufiger wurde sichtbar, wie viel Mühe es sie kostete zu regieren. Entscheider und Multiplikatoren in NRW gewannen den Eindruck, sie habe kein Konzept und tue kaum das Unumgängliche.

Die Fäden in der Hand

Ab 2014 wirkte Kraft amtsmüde. In einer intakten Partei hätte die Stunde der Nachfolger geschlagen. In der NRW-SPD gab es keinen Kronprinzen. Diejenigen, die diese Rolle spielen konnten, hielten sich zurück. Innenminister Jäger, der die Rolle gerne gespielt hätte, kam nicht infrage. Er diskreditierte sich mit Skandalen. Seine verheerende Amtsführung war einer der Gründe, warum die NRW-SPD 2017 erneut abgewählt wurde.

Krafts Stützen Römer und Groschek waren für den Posten des Regierungschefs nicht zu gebrauchen. Sie sind Machtklempner mit dicker Ruhrgebietspatina. Für Wähler jenseits der SPD-Sphäre sind sie nicht attraktiv genug. Groschek fehlte zudem die Voraussetzung für den Chefsessel. Er hatte kein Landtagsmandat.

Er und Römer ließen die Dinge laufen. Je schwächer Kraft wurde, desto wichtiger wurde Römer. Kein Vorhaben von Belang ging an ihm vorbei. Dass er die Fäden in der Hand hielt, fand kaum Beachtung, weil die Aufmerksamkeit der Medien durch die vielen Skandale in Jägers Amtsbereich beansprucht wurde. Die NRW-SPD schaute weg.

Zum Bremsklotz entwickelt

Andernorts hätten Jägers Skandale zum Rücktritt geführt. Die NRW-SPD ließ ihn machen. Ihn schützte die Freundschaft mit Kraft. Sie beließ die innere Sicherheit in den Händen ihres Freundes, den die Aufgabe überforderte. Römer und Groschek ließen Kraft und Jäger gewähren. Die Fraktion verteidigte ihn. Es wurde immer offenkundiger, dass die Maßstäbe für solide Arbeit in der NRW-SPD zerbrochen waren.

Seit 2014 war nicht mehr zu verbergen, dass Kraft und Teile ihrer Regierung unprofessionell arbeiteten. Die SPD nahm hin, dass ihre Regierung immer wieder gegen die Verfassung verstieß und vom Verfassungsgericht korrigiert wurde, dass NRW auf vielen Gebieten zurückfiel oder stagnierte. Einst Motor der Republik, hatte sich NRW zum Bremsklotz entwickelt, der in der Ära Kraft mächtig wirkte.

Die SPD nahm diese Entwicklung kaum zur Kenntnis. Kraft, die Fraktion und die Partei schotteten sich gegen Kritik ab. Schwer fiel es ihnen nicht, in der Wagenburg zu leben. Die SPD ist es gewohnt, unangenehme Sachverhalte klein- und schönzureden, umzudeuten und zu verdrängen. Es erspart die Mühe, sie zu verändern.

Stumm geblieben

Die Neigung, die Wirtlichkeit zurechtzubiegen, nahm in der NRW-SPD seit 1990 zu. Zwischen 1995 und 2005 pries die Partei den Medien Clement und Steinbrück als Macher an, obwohl beide offensichtlich erfolglos waren. Dass die Wähler die NRW-SPD 2005 in die Opposition schickten, schien nur folgerichtig. Auch in der Ära Kraft löste sich die Partei von der Alltagserfahrung vieler Bürger. Auch die Abwahl 2017 erschien zwangsläufig.

Der größte SPD-Landesverband ist ausgetrocknet. Seine Führung hat keine Idee von der Zukunft des Landes. Die SPD-Spitzen schaffen es nicht, Fehlentwicklungen in den eigenen Reihen zu stoppen und zu korrigieren. Diskussionen über Trends und Perspektiven finden nicht statt. Dieser Mangel beunruhigt sie offenbar nicht.

Kraft und ihre Mitstreiter schafften es nicht, den Diskurs mit kreativen Kräften in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zu organisieren und zu moderieren. Sie zeigten kein Interesse an den Sichtweisen Außenstehender. Sie bot nichts, was Anhänger hätte beflügeln und Außenstehende hätte anziehen können. Die Partei wollte in Ruhe gelassen werden. Sie nahm hin, dass sich Pannen in der Regierung häuften und NRW in den Ländervergleichen immer weiter zurückfiel.

Dem Verfall zugeschaut

Die Grünen und die Linke hatten der SPD schwer zugesetzt. Nun geht auch noch die AfD daran, die SPD zu schwächen. Mit der Zuwanderung 2015 zeichnete sich ab, dass die AfD in SPD-dominierten Kommunen Zulauf zulasten der SPD erhalten würde. Auch diese Herausforderung überforderte die Partei. Ihr Innenminister lieferte mit Pannen und Skandalen der AfD jede Menge Wahlkampfmunition. Die Rechtsradikalen wurden im Ruhrgebiet überdurchschnittlich stark. 2017 zogen sie in den Landtag ein.

Wie festgefahren die NRW-SPD ist, zeigte sich nach der Wahl 2017. Groschek wurde zum Landeschef gewählt. Der Versuch des Essener SPD-Chef Kutschaty, die Fraktionsspitze zu erneuern und den damals 70-jährigen Fraktionschef Römer abzulösen, scheiterte. Römer wurde für ein Jahr wiedergewählt.

Er und Groschek sicherten sich die Chance, den Generationswechsel nach ihrer Interessenlage zu steuern. Beide haben dem Verfall der Koalition zugeschaut. Beide stützten die Fassade, hinter der die Regierung Kraft zerbröselte. Jahrelang schützten sie Kraft in Kenntnis ihrer Schwäche. Sie verbargen sie, so gut es ging. Es ging nicht gut.

In schönster Bürokratenmanier

Dass die NRW-SPD auf Grund lief, geht zum großen Teil auf Groscheks und Römers Konto. Dass die Partei ausgerechnet ihnen die Aufgabe anvertraute, die Vorbereitungen zur Erneuerung zu treffen, zeigt, wie groß der Bedarf an Erneuerung ist und wie gering die Aussicht, dass er gestillt wird.

In Bayern machte sich Söder zum Kronprinzen. Er schuf sich in der Partei eine Machtbasis. Er nahm die Landtagsfraktion und den CSU-Nachwuchs für sich ein. Er trotzte Seehofer das Amt des Ministerpräsidenten ab, schob seinen Vorgänger nach Berlin und richtete weite Teile der Partei auf sich aus.

In der NRW-SPD wird nicht offen um die Macht gekämpft. Um den Landesverband personell zu erneuern, bildet die NRW-SPD in schönster Bürokratenmanier eine Kommission, in der mit Groschek und Römer an der Spitze Politiker sitzen, die am Niedergang der SPD mitgewirkt haben. Diese Gescheiterten kungeln ihre Nachfolger aus.

Kontinuität gewahrt

Noch hat die Findungskommission nicht getagt. Doch schon wurde ein erstes Kungelergebnis bekannt, mit dem die alte Garde Pflöcke einschlägt. SPD-Landeschef soll der Bundestagsabgeordnete Hartmann aus der SPD-Region Mittelrhein werden. Damit dürfte das zweite wichtige SPD-Amt, das des Fraktionschefs, an die größte SPD-Region Westliches Westfalen und deren Kandidaten Herter fallen.

Seine Konkurrenten Börschel (SPD-Mittelrhein) und Kutschaty (SPD-Niederrhein) haben schlechte Karten, da die SPD-Mittelrhein schon den SPD-Landeschef stellen und die SPD-Niederrhein mit Sarah Philipp eine Frau in Stellung bringen soll. Sie wird als Generalsekretärin oder als Geschäftsführerin der Fraktion gehandelt. Mit diesem Personaltableau bliebe in der NRW-SPD die Kontinuität gewahrt. Lehmann, Herter und Philipp sind Mitglieder der IG BCE.

Kann bei diesem Vorgehen etwas Tragfähiges und Erträgliches herauskommen, das in der Lage wäre, das Land voranzubringen? Fehlt nur noch, dass jemand in der Partei aufsteht und verlangt, es müsse geprüft werden, ob die NRW-SPD ihre Spitzenämter nicht doch europaweit ausschreiben müsse. – Ulrich Horn


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5 Comments

  1. Diese interessante, Einblicke gewährende Philippika läßt allerdings offen, wie sich die NRW-SPD denn nun wohl am besten erneuern sollte!

    Vielleicht gibt diese Passage aber einen Fingerzeig: die Schröderei und die Agenda-Politik. Warum wird denn nicht Bodo Hombach erwähnt?

    „Mit ihrem Bezug zur Realität schrumpfte ihre Attraktivität. Bei den Wahlen 2000 und 2005 baute sie weiter ab. Ihre Ministerpräsidenten Clement und Steinbrück beschleunigten den Niedergang. Sie sorgten für Getöse in den Medien, brachten im Land aber kaum etwas zustande. Auch dass sie Schröders Agenda-Politik verteidigten, kam die NRW-SPD teuer zu stehen. Sie verlor viele Mitglieder und 2005 auch die Landtagswahl.“

  2. Emscher-Lippizianer Reply

    Vielleicht sollte es die SPD mit Friedhelm Farthmann versuchen. Der ist erst 87 und erheblich klarer im Kopf als diese vermeintlichen Erneuerer. Er hat es früh vorausgesehen, dass es der SPD nicht gut tut, sich von einer Arbeiterpartei zur Partei der Oberstudienräte zu wandeln und mit den Grünen herumzumachen. Grüne Politik für überversorgte Zahnarztfrauen hat der SPD auch entsprechend geschadet.

    P.S.: Pannen im Innenministerium hat es früher schon gegeben. Das Gladbecker Geiseldrama ist auch ein Drama der unsäglichen politischen Akteure Rau und Schnoor. Konsequenzen: keine.

  3. Als an Lebens- und Mitgliedsjahren alter SPD-Genosse: Im wesentlichen einverstanden mit der Analyse des Zustandes meiner Partei in NRW.
    Neben der Dauerwirkung all der ungelösten Problemen bezüglich der mittel- und langfristiger Zielsetzungen der SPD hat die SPD einen langandauernden Schaden erlitten durch das m.E. für die Führung der Landes SPD und für die Führung der Landesregierung und der Landtagsfraktion bestenfalls „mittelmäßig“ geeignete Trio „Kraft, Groschek, Römer“ – von Jäger ganz zu schweigen.
    Und solange Groscheck und Römer (nebst Jäger) und die IG BCE, Verdi, die IG Metall weiterhin in der SPD fähig und willens sind, über deren wichtigste Personalien zu entscheiden, kann es weder eine inhaltliche noch eine personelle Erneuerung der Partei in NRW und im Bund geben.
    Letztendlich ist auch Martin Schulz daran gescheitert, dass er als Person und in seiner grundsätzlichen sozialdemokratichen Positionierung nicht dem entsprach, was u.a. Groscheck, Römer, was die IGBEC, was Verdi, was die IG Metall von einem SPD-Parteivorsitzenden erwarten.
    Und wie wird es weitergehen?
    Personell sieht es so aus, dass es nicht den notwendigen und von mir gewünschten radikalen Neuanfang geben (wird).
    Inhaltlich kann ich derzeit ebenfalls nicht erkennen, dass die NRW-SPD fähig und willens wäre, sich auf einen tabulosen und insofern auch radikalen Prozess des Nachdenkens über sich selbst, über ihre existentielle Notwendigkeit jetzt und hier und morgen/übermorgen einzulassen.
    Es scheint – leider – in NRW (und im Bund) im Wesentlichen personell und inhaltlich bei einem „Weiter so“ zu bleiben.

  4. An dieser Analyse gibt es nichts auszusetzen. Ich möchte nur erwähnen, dass ein bedeutender Faktor der Niederlage bei den letzten NRW-Wahlen die katastrophale Schulpolitik der Grünen war (den Namen der Ministerin verkneife ich mir). Ich kenne eine Vielzahl von Lehrern, die diesen Job besser gemacht hätte.

  5. Ein Europäer Reply

    Kompliment Herr Horn: Inzwischen wurde Ihre kluge und kenntnisreiche Analyse durch den weiteren Gang der Ereignisse bestätigt. Ich selbst habe gut 3 Jahrzehnte SPD-Mitgliedschaft „auf dem Buckel“. Vor 5 Jahren war damit Schluss für mich. Ich habe das Agieren der wechselnden Protagonisten dieser altehrwürdigen Partei auf die Dauer schlicht nicht mehr ertragen. Andererseits halte ich eine starke Sozialdemokratie, die diesen Namen auch verdient, für außerordentlich wichtig – sowohl aus nationaler als auch aus europäischer Perspektive. Darum verfolge ich die Entwicklung meiner ehemaligen Partei weiterhin intensiv. Leider machen die aktuellen Vorgänge in NRW keinerlei Hoffnung auf Besserung. Die alten Netzwerke und Seilschaften haben die Partei fest im Griff. Eine offene Aufarbeitung der jahrzehntelangen Fehlentwicklungen findet nicht statt. Es muss offensichtlich immer noch schlimmer werden, ehe es besser werden kann.

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