Glaubt jemand, die Kölner Silvester-Ereignisse würden aufgeklärt? Die Untersuchung der Duisburger Love-Parade-Katastrophe bietet allen Grund, pessimistisch zu sein. Deren Aufklärung missriet der Politik und den Behörden gründlich: Schon tags darauf wurde Verantwortung verschleiert und das Unglück politisch missbraucht. Die Opfer warten bis heute, dass dem Recht Genüge getan wird. Im Kölner Fall sind die Akteure emsig dabei, dem Duisburger Beispiel zu folgen.

Zur Aufklärung kaum beigetragen

Seit mehr als einer Woche wird über die Kölner Silvester-Ereignisse geredet und geschrieben. Der Skandal erzeugt Tag für Tag weitere Skandale. Sie bringen neue Ungeheuerlichkeiten ans Licht. Sie vergrößern die vorangegangenen und stellen sie in den Schatten.

Ihr ganzes Ausmaß ist immer noch nicht zu überblicken. Über die Täter gibt es nur unzureichende Erkenntnisse, obwohl sie sich nicht versteckten und ihre Verbrechen öffentlich begingen. Die Zahl der Opfer, die sich zu erkennen geben, wächst von Tag zu Tag. Wie groß mag die Zahl der Opfer sein, die unerkannt bleiben wollen? Köln war nicht der einzige Schauplatz. Auch andernorts in NRW und über NRW hinaus wurden ähnliche Verbrechen verübt.

Bis heute haben diejenigen, die in NRW für Schutz und Sicherheit verantwortlich sind, zur Aufklärung der Vorgänge kaum etwas beigetragen. Aus Trägheit oder mit Absicht? Die Erfahrung lehrt: In Krisen setzen Politiker und Behörden gerne auf Zeit. Sie hoffen, dass die Aufmerksamkeit erlahmt, die Ereignisse verblassen und das Interesse schwindet, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Schleppendes Ermittlungstempo

Was ist in Köln passiert? In der Silvesternacht wurden rund um Dom und Hauptbahnhof viele schwere Verbrechen begangen. Sie geschahen unter den Augen der Polizei. Die Opfer wurden nicht geschützt, die Täter nicht festgesetzt und nicht verfolgt. Die Polizei konnte ihre Arbeit nicht tun. Man wüsste gerne, warum nicht.

Die Polizeiführung verschwieg zunächst die Verbrechen. Dann manipulierte sie Sachverhalte und sorgte für Desinformation. Polizisten dementierten ihre Vorgesetzten und stellten sie bloß, ein Indiz dafür, dass bei der Kölner Polizei vieles schief läuft.

Fest steht: Nach zehn Tagen liegt immer noch kein Sachstandsbericht der Polizei und des NRW-Innenministeriums vor. Dieses schleppende Ermittlungstempo ist atemberaubend. Die Kommunikation der Kölner Behörde und des Innenministeriums ist ein Desaster. Dass Erklärungen unterblieben, sich als falsch erwiesen oder widersprüchlich waren, muss auf die Opfer, ihre Angehörigen und Freunde wie Hohn wirken.

Großer Erklärungsbedarf

Seit Jahren rauben in NRW Banden auf offener Straße und bei helllichtem Tag Passanten aus, mit zunehmender Frequenz. NRW ist offenbar zum Zentrum dieser Verbrechen geworden, wie sich an Silvester zeigte. Seit Monaten ist bekannt, dass Kölns Polizei Probleme hat, sich auf Großveranstaltungen angemessen vorzubereiten und wirkungsvoll zu agieren. Im Herbst 2014 zogen 4000 Hooligans und Rechtsradikale bei einer angemeldeten Kundgebung marodierend durch die Stadt und schlugen die Polizei in die Flucht.

Solche Vorgänge schaden dem Ansehen der Polizei. Sie verunsichern die Bevölkerung und unterminieren das Vertrauen in den Staat. Weit vor der Silvesternacht entstand der Eindruck, in Köln und in anderen Städten könne man folgenlos die Sau rauslassen, wenn sie nur groß genug ist. 2014 zeigten sich die Polizeibeamten ähnlich hilflos wie nun in der Silvesternacht.

An diesem Montag muss NRW-Innenminister Jäger (SPD), der für die Polizei und die Sicherheit der Bürger verantwortlich ist, dem Landtag über die Ereignisse zur Jahreswende berichten. Der Erklärungsbedarf ist groß. Es fragt sich unter anderem: Was tat Jäger, um die Defizite bei der Kölner Polizei abzustellen und die NRW-Polizei auf die Herausforderungen einzustellen, die sich aus der Zuwanderung ergeben? Und : Wie will er verhindern, dass sich solche Ereignisse wie an Silvester wiederholen?

Ohne jede Deckung

Die NRW-Regierung reagierte auf die Verbrechen und die Falschmeldungen der Polizei zunächst recht eigenwillig, nämlich so gut wie gar nicht. Kanzlerin Merkel kündigte härtere Gesetze an. SPD-Chef Gabriel verurteilte die Vorgänge sogar auf einer Dienstreise von Kuba aus. Von Ministerpräsidentin Kraft und Innenminister Jäger war tagelang nichts zu hören. Schließlich äußerte sich Kraft doch noch knapp, am Rande einer Veranstaltung. Fragen ließ sie nicht zu. Sie und ihr Minister wirken hilflos.

Am Freitag, eine Woche nach den Gewaltausbrüchen, änderte Jäger seinen Kurs. Er schickte den Kölner Polizeipräsidenten Albers, an dem er bis zuletzt festgehalten hatte, schließlich doch noch in den vorzeitigen Ruhestand. Jäger beugte sich dem öffentlichen Druck. So wurde seine Aktion nicht zum Neuanfang. Sie machte Albers zum Bauernopfer, das von Jägers Verantwortung ablenken soll.

Ob der Plan aufgeht? Von nun an steht Jäger, den mancher schon als künftigen Ministerpräsidenten sieht, ohne Deckung da. An Stelle von Albers muss er nun erklären, wie es passieren konnte, dass in Köln das staatliche Gewaltmonopol verloren ging, der Rechtsstaat vorgeführt wurde, die innere Sicherheit verschwand und Menschenrechte verletzt wurden. Eine falsche Bewegung oder ein falsches Wort können Jäger das Ministeramt kosten – und die SPD vielleicht sogar die nächste Landtagswahl. – Ulrich Horn


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9 Comments

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  2. Christian G. Reply

    Hallo lieber Herr Horn,

    in Ihrem Kommentar über Straftaten während der Silvesternacht in Köln schreiben Sie: „Die Polizei konnte ihre Arbeit nicht tun. Man wüsste gerne, warum nicht.“ Die Gründe dafür, weshalb die Polizei in Köln ihre Arbeit nicht tun konnte, sind zu einem guten Teil bekannt: Es waren zu wenige Polizeibeamte vor Ort.

    Für den gesamten Bereich der Kölner Innenstadt, immerhin eine Fläche von rund siebeneinhalb Quadratkilometer, gab es nur 143 Beamte, die im Verlauf der Nacht um den Bahnhof zusammengezogen wurden. Mit anderen Worten: Weitere Bereiche der Kölner Innenstadt waren in der Silvesternacht sogar ohne jede Polizeipräsenz!

    Verantwortlich für den seit Jahren so offenkundigen Personalmangel der Polizei in NRW sind die Politikerinnen und Politiker, die seit etlichen Jahren Stellen im Öffentlichen Dienst abbauen. Ich erinnere mich gut an viele öffentliche Diskussionen und Proteste, als die SPD/FDP-Regierung unter Steinbrück sogar die letzten beiden Reiterstaffeln der NRW-Polizei streichen wollten. Sein Nachfolger Rüttgers machte es nicht viel besser, auch er und die Landesregierungen nach ihm beteiligten sich an der Zusammenlegung von Kreispolizeibehörden, Kürzungen bei der Autobahnpolizei, Einbau von Motivationsbremsen durch die Kraft´sche „Nullrunde“. Jeder wusste, das über etliche Jahre der spärliche Nachwuchs niemals ausreichen würde, um die Pensionierungen auch nur halbwegs auszugleichen. Die Folge: Ungezählte Notrufe laufen ins Leere, die Bürger sind verunsichert, die innere Sicherheit verliert immer mehr. Polizisten müssen trotz vieler Überstunden ihre wertvolle Zeit bei Blitzer-Aktionen abstehen, Tausende unregistrierte Flüchtlinge sind unter uns – einige von ihnen sind durchaus ein Sicherheitsrisiko – und viele Hundertschaften werden zu Sonderaktionen in anderen Bundesländern abgerufen, weil die Decke der Inneren Sicherheit überall in Deutschland zu kurz geworden ist. Innenminister Jäger erklärte noch im April 2015 das Ende aller Möglichkeiten der Politik, den jahrelangen Personalabbau zurückzudrehen, mit den Worten: „In diesem Jahr sind 1640 Anwärter an den Polizeischulen des Landes. Die Räume platzen aus allen Nähten, mehr geht nicht.“ Und seine Chefin, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, steht ihm bei. Auch sie war daran beteiligt, dass über Jahre bei der Polizei in NRW weit über die Schmerzgrenze gekürzt wurde. Die Folgen dieser verfehlten Politik müssen wir nun alle gemeinsam ausbaden.

    Dennoch will ich nicht unfair sein, ich will deutlich unterstreichen, dass 1. alle Landesregierungen in NRW während der vergangenen zwei Jahrzehnte daran beteiligt waren. Und 2. konnte nicht jeder und jedem klar sein, welche dramatischen Folgen es haben würde, wenn allein im vergangenen Jahr so viele junge Männer aus fremden Kulturen bei uns „willkommen“ geheißen wurden, wie zu Hochzeiten des kalten Krieges bei Bundeswehr und NVA zusammen Dienst taten.

    • Es waren zu wenige Polizeibeamte vor Ort.

      Das ist ohne Zweifel richtig, jedoch keine Entschuldigung. Es wurden von der Kölner Polizei massive Fehler begangen. Fast 120 zusätzliche Beamte hätten kurzfristig auf der Domplatte eingesetzt werden können.

      FAZ: Kölns Polizei schlug Angebot für Verstärkung aus

      Im Laufe der Silvesternacht habe die Duisburger Leitstelle sogar aktiv in Köln nachgefragt, ob Verstärkung benötigt werde. Nach Darstellung des LZPD-Sprechers hätten kurzfristig drei auf verschiedene Standorte verteilte Züge einer Einsatz-Hundertschaft nach Köln geführt werden können. Ein Zug umfasst jeweils 38 Beamte. „Die Hundertschaft stand zum Abruf bereit“, sagte der Sprecher.

  3. Manfred Michael Schwirske Reply

    Ja, ich halte Bürokratien auch weitgehend für unfähig, Polizei für überfordert und Politik für ziemlich manipulativ. Aber hier – in dieser Unübersichtlichkeit und in dieser hysterischen Stimmungslage – ist keine schnelle Aufklärung möglich und Gründlichkeit angesagt.

    Es ist gut, wenn man sich die Zeit dafür nimmt. Und wer in den Medien mutmasst oder Druck ausübt, der erschwert Aufklärung.

  4. Hubertus Bruch Reply

    Wie Sie richtig schreiben: Passieren – bis auf das zu erwartende Bauernopfer- wird nix. Aber warum auch? War doch nur ein wenig Fummelei (Zitat Augstein).
    Übrigens schön zu sehen, wie sich Ihre Kollegen gegenseitig an den Pranger zerren und sich dieser Tage mit Berichten zu dem Thema überbieten. Das schlechte Gewissen scheint gewaltig zu sein.
    Was für eine Offenbarung für Exekutive und Presse!

  5. walter dyroff Reply

    -Von nun an steht Jäger, den mancher schon als künftigen Ministerpräsidenten sieht, ohne Deckung da.-
    Da freut sich der Herr Laschet? Sicher nicht!

  6. Wie naiv von uns zu glauben, dass Männer, die aus total patriarchischen Gesellschaften stammen, hier umgehend „den Schalter umlegen“, nur weil ihnen jemand das Grundgesetz in die Hand gedrückt hat. Sexismus gibt es auch bei deutschen Männern. Immerhin haben unsere „Jungs“ großteils verstanden, dass körperliche Gewalt dabei unzulässig ist. Das wird bei vielen Flüchtlingen wohl noch 1 – 2 Generationen dauern. Ihre eigenen Gewalterfahrungen in den ( Bürger-) Kriegswirren ihrer Länder kommen erschwerend hinzu.
    Wenn sie ihr Dominanzgebahren nicht in der Öffentlichkeit ausleben, sondern “ nur“ zu Hause, können wir das wahrscheinlich als Etappensieg verbuchen. Bitter – wirklich!

  7. Ich frage mich, ob man diesen Leuten nicht mit der Einführung der Scharia drohen sollte. Das hieße dann vielleicht Kastration und abgehackte Hände!

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