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September 2015

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Drei SPD-Politiker verbringen heute ihren letzten Arbeitstag als Landesminister. Drei neue Kabinettsmitglieder treten morgen an. Minister ein- und abzusetzen, ist das wichtigste Recht eines Regierungschefs. Der Umbau des Kabinetts ist durchaus riskant. Misslingt er, schadet er dem Regierungschef. Geht er gut, nutzt er ihm, weil er Tatkraft und Geschick belegt. Diesen Zweck hat der Personalwechsel im NRW-Kabinett verfehlt. Er ist Ministerpräsidentin Kraft missraten.

VW hat Millionen Kunden betrogen – weltweit. Der Konzern ist diskreditiert. Um den Vertrauensschwund zu stoppen, braucht er einen Neuanfang. Um glaubwürdig zu sein, müsste er signalisieren, dass der Konzern seine Kultur verändern will. Ein solches Signal hätte von der Berufung des neuen Vorstandschefs ausgehen können. Doch das Signal blieb aus. Der Aufsichtsrat ließ die Chance verstreichen. Es zeigt sich, dass er das eigentliche Problem des Konzerns ist.

Wer sagt denn, man könne Merkel nicht attackieren? Kein Tag vergeht, an dem CSU-Chef Seehofer Merkels Flüchtlingspolitik nicht benörgelt. Seine Dauerkritik hinterlässt Spuren. Ein Teil der CDU-Anhänger sieht das Treiben der Kanzlerin inzwischen ebenfalls kritisch. Die Union baut in Umfragen ab. Seehofers Attacken sollen Zeichen der Stärke sein, doch offenbaren sie nur seine Schwäche. Er versucht, Merkel zu treiben, weil er selbst ein Getriebener ist.

Im Frühjahr wollte der damalige Chef des VW-Aufsichtsrates, Ferdinand Piëch, den VW-Vorstandschef Winterkorn absägen. Der Versuch schlug fehl. Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Weil, die IG Metall und der unternehmerisch schwache Teil der Porsche-Familie übernahmen bei VW das Ruder. Sie stärkten Winterkorn, weil sie sich von ihm Arbeitsplätze versprachen, und drängten den sperrigen Piëch aufs Altenteil – eine grandiose Fehlentscheidung.

Die Zuwanderung zwingt Europa, verdrängte Realitäten zur Kenntnis zu nehmen. Kaum überschritten die ersten Flüchtlingstrecks die EU-Grenzen, erwiesen sich viele Gewiss- und Gewohnheiten als Selbsttäuschung. Lange wähnte sich Europa als Insel der Seligen. Nun ist die selbstgerechte Isolation aufgebrochen. Das Wolkenkuckucksheim fällt in sich zusammen. Unter seinen Trümmern werden Defizite und Schwachpunkte sichtbar.

Über die vielen Flüchtlinge haben sich die Deutschen in vier Gruppen geteilt: in Flüchtlingsfeinde, Helfer, Profiteure und Schwadroneure. Zwischen ihnen gibt es regen Austausch: Viele gehören mehreren Gruppen an, andere wechseln die Gruppen. Zu dieser Kategorie gehört Springer-Vorstandschef Döpfner.

Die Bürger haben ein sicheres Gespür für den Zustand ihrer Kommunen. Zur Wahl der Bürger- und Oberbürgermeister ging am Sonntag in NRW kaum mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten zu den Urnen. Die große Mehrheit meinte wohl, der Weg ins Wahllokal lohne sich nicht. Man kann es ihr nachempfinden. In weiten Teilen von NRW ist die Kommunalpolitik auf den Hund gekommen.

Deutschland hat es auf die Seite 1 der New York Times gebracht. Sie lobt den Umgang mit den Flüchtlingen. Deutschland lässt sich feiern und feiert sich selbst. Zum Bahnhof zu laufen, den Flüchtlingen zuzuwinken, ihnen Wasser, Plätzchen und Kinderspielzeug zu schenken, ist das eine. Ihnen beizustehen, wenn sie versuchen, Wurzeln zu schlagen, ist das andere. Da hat es sich dann ganz schnell ausgefeiert.

Mit der Kommunalwahl 2014 brach über Köln großes Unglück herein. Die örtliche SPD verlor an Bedeutung. Sie büßte ein Ratsmandat ein und Rot-Grün die hauchdünne Mehrheit. Es kam noch dicker. Die Grünen schmiedeten zur OB-Wahl eine Allianz gegen die SPD. Beim Versuch, ihren Niedergang zu stoppen, verhedderte sich die Partei in zwei Skandale, die ihren Niedergang kräftig beschleunigen und Köln bundesweit zum Gespött machen.

Schert sich noch jemand um das Ruhrgebiet? Die Region schert sich nicht einmal um sich selbst. Im Laufe von 50 Jahren schrumpfte sie von einem der stärksten Wirtschaftszentren Europas zum Armenhaus der Republik. Sie ist pleite. Wer wissen will, wie das passieren konnte und warum die Politik dem Niedergang nicht Einhalt gebot, braucht nur den Debatten zu folgen, die das Revier über sich inszeniert. Sie führen geradewegs ins Nirwana.