Der Umgang der Großen Koalition mit Flüchtlingen, Zuwanderern, Neonazis und Schleppern ist bisher erbärmlich. An allen Ecken und Enden reißen Defizite auf. Sie drohen, ins Chaos umzuschlagen. Während Tag für Tag Flüchtlingsquartiere niedergebrannt werden und Flüchtlinge umkommen, konnten sich Merkel und Gabriel nicht einmal darauf verständigen, Seite an Seite der Gewalt entgegenzutreten. Ist die Große Koalition der Zuwanderung gewachsen?

Untragbare Zurückhaltung

Die Kanzlerin mochte sich nicht exponieren. Sie ist bereits über die Verhandlungen zu Griechenland unter Druck geraten. Sie befürchtete offenbar, sie könnte erneut zur Zielscheibe der Kritik werden, wenn sie sich bei der Zuwanderung zu früh positionierte.

Gewohnt, die Strippen von hinten zu ziehen und sich erst festzulegen, wenn sie auf festem Boden steht, schwieg Merkel lange. Sie nahm sogar in Kauf, dass ihre Zurückhaltung als untragbar empfunden und ihr als Versagen angekreidet wurde.

Merkel ist mehrheitsfähig, weil sie in der politischen Auseinandersetzung zwischen den Polen stets die Mitte besetzt. Sie bildet sich beim Thema Zuwanderung zwischen der Forderung heraus, Merkel solle die Zuwanderung unterbinden, und dem Verlangen, die Flüchtlingsfeinde zu stoppen.

Aus der Notlage befreit

Merkels Koalitionspartner SPD liegt es fern, die Spannbreite eines Problems zu vermessen und dann auf der Mitte Position zu beziehen. Die SPD legt ihren Standpunkt nach ihrer Überzeugung fest und erwartet, dass die Mehrheit in der Mitte sich auf die SPD zubewegt.

Vor der Zuwanderung stand Merkel allein auf weiter Flur und unter Druck, solange sich die Missstände politisch unbegleitet zuspitzten. Sie zauderte, Stellung zu beziehen, weil sich nicht ausmachen ließ, wo sich die Mitte bilden würde. Merkel nahm den Druck in Kauf, über die Schwelle zur Peinlichkeit hinaus.

Ihre Geduld zahlte sich aus. Sie wurde aus ihrer Notlage befreit. Auf die SPD kann sich Merkel halt verlassen. Statt sie schmoren zu lassen, meinte die SPD, Gabriel müsse gegen Merkel punkten und das tun, was alle Welt von der Kanzlerin wünschte. Er fuhr nach Heidenau und bezog Stellung: Er beschimpfte die gewalttätigen Randalierer als Pack und drohte ihnen mit Strafen.

Weiten Spielraum verschafft

Nun fiel es Merkel leicht, sich zu positionieren. Sie fuhr nach Heidenau, lobte die Helfer, hieß die Flüchtlinge willkommen, zeigte den Randalierern die kalte Schulter, mehr nicht. Merkel hatte ihre Position in der Mitte gefunden, rechts von Gabriel und links von den Rechtsextremisten. Gabriel öffnete ihr einen weiten Handlunsspielraum.

Merkel macht inzwischen klar, dass sie zwar schweigsam, aber nicht untätig war. CDU-Innenminister de Maizière bereitet längst gesetzliche Maßnahmen vor, die helfen sollen, die Zuwanderung unter Kontrolle zu bekommen. Viele seiner angekündigten Maßnahmen sind repressiv. Sie zielen darauf ab, die Aufnahme zu erschweren.

Wären sie vor Wochen bekannt geworden, als sich die Zuwanderung noch in Grenzen hielt, wären sie wohl auf Protest gestoßen. Inzwischen hat sich die Lage jedoch so dramatisch zugespitzt, dass sich der Widerstand in Grenzen halten dürfte.

Humanitäre Katastrophe

Auch medial hat Merkel vorgesorgt. Ehe sie sich in Heidenau vorsichtig aus dem Fenster lehnte, hatten ihr die Kirchen den Weg geebnet. Sie verurteilten nachdrücklich die Gewalt. Bundespräsident Gauck tat es ihnen nach. Er dankte auch den Helfern. Bundestagspräsident Lammert hob hervor, dass Deutschland die Zuwanderung verkraften könne.

Der Abstand zwischen dem, was getan wird, und dem, was erforderlich ist, wächst von Tag zu Tag. Die Koalitionspartner tun sich schwer, das Zuwanderungsproblem gemeinsam anzugehen. Sie neigen dazu, selbst bei dieser Aufgabe, die sich längst zur humanitären Katastrophe ausgewachsen hat, parteipolitische Aspekte im Blick zu behalten.

Das ist nicht das einzige Ärgernis. Es wird geredet, aber zu wenig gehandelt. Dabei gibt es genug zu tun. Es fehlt an Geld und Personal, die Zuwanderung anständig zu bewältigen. Es klemmt bei der Erstaufnahme in den Ländern und Gemeinden, es hakt beim Bundesamt für Flüchtlinge. Es fehlt in Europa an Kooperation und an gemeinsamen Standards für die Aufnahme und Integration.

Europas Zukunft

Statt dafür zu sorgen, dass die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft in Europa ungefährdet und geordnet in ihre künftige neue Heimat gelangen können, werden sie der Willkür und Raffgier des organisierten Verbrechens überlassen, eine Schande für das christliche Abendland. Die armen Länder, die an den Routen der Flüchtlingstrecks liegen, hat Europa mit den Transferproblemen im Stich gelassen. Auch das ist ein schändlicher Skandal.

Dass sich den Flüchtlingstrecks auch viele Menschen anschließen, die daheim keine Perspektive, bei uns aber auch kein Anrecht auf Asyl haben und aktuell die Lage der Flüchtlinge erschweren, geht auch auf das Konto der EU-Staaten. Sie tun zu wenig, um die armen Länder an ihrer Peripherie zu unterstützen. Daher vermitteln alle Bemühungen einen faden Beigeschmack, jene, die gehen müssen, von jenen zu trennen, die bleiben dürfen.

Wie sollen die Bürger an Europas Zukunft glauben, wenn sich seine Regierungen nicht daran machen, sie zu gestalten? Rücken Europas Staaten näher zusammen oder entfernen sie sich voneinander? Diese Frage entscheidet sich auch daran, wie Europa mit den Flüchtlingen umgeht. Mehr als viele Bürger Europas sind sie es, die Europa erstrebenswert finden, so sehr, dass sie sogar ihr Leben riskieren, um herzukommen. – Ulrich Horn


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9 Comments

  1. Michael Hagenbeck Reply

    Ich möchte mal kurz die Gründe für die Flüchtlingswelle hierzulande ansprechen.
    Wir erinnern uns: Libyen ist jetzt Dank der NATO-Bombardierung ein Trümmerfeld und im Terror versunken. Das gilt auch für Syrien. Seit vier Jahren versuchen die USA und ihre Partner, Präsident Assad zu stürzen, indem sie die radikalen Islamisten der Takfiri und der ISIS angeheuert, ausgebildet und mit Waffen versorgt haben. Unsere Presse spricht dauernd von „Bürgerkrieg“ in Syrien, dabei ist es ein vom Westen inszenierter Sturz der legitimen Regierung durch bezahlte ausländische Söldner, wie in Libyen.
    Die Quittung für diese Zerstörung von funktionierenden Ländern, deren einziger „Fehler“ es war, sich nicht dem Diktat Washingtons zu beugen, ist eine gigantische Flüchtlingswelle, die auf Europa jetzt schwappt. Es ist Washingtons verbrecherische Politik des „Regimewechsels“, die zerstörerische Kriegspolitik der USA, welche die Lebensgrundlage der Bevölkerung vernichtet hat, was zu den Hunderttausenden Flüchtlingen führt.
    Die Tatsache, dass der Westen der Verursacher der Flüchtlingsnot ist, wird von der Politik und den Medien völlig verschwiegen. Sie tun so, wie wenn die Völkerwanderung ein Naturphänomen wäre, einfach so passiert, ohne die wirkliche Ursache zu nennen, nämlich sie selber als Täter.
    In der Ukraine wurde auch eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt und ein US-höriges Marionettenregime installiert. Statt radikale Islamisten hat man radikale Ultranationalisten (Nazis) als Werkzeug für den Sturz benutzt. Was ist mittlerweile aus der Ukraine geworden? Auch ein zerstörtes Land, mit verheerender Armut und niederliegender Wirtschaft. Dazu noch hat man das Putsch-Regime dazu veranlasst, einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung in der Ostukraine zu führen.
    2 Millionen ukrainische Flüchtlinge hat alleine Russland aufgenommen. Darüber wird auch kaum in den Westmedien berichtet. Wer hat denn das wieder verursacht? Na wer wohl?
    Nie werde ich vergessen, wie die Obergrüne Roth mit einem der syrischen Scharfmacher, der Waffen für den offenen Krieg in Syrien forderte, durch die Konzern- und Staatsmedien tingelte. Jene Claudia Roth, die eine Flugverbotszone über Libyen forderte, die zehntausende Menschen das Leben kostete. Die Fotos toter libyscher Kinder – vergessen? Roth wusste von einem Luftkrieg, der beschönigend „Flugverbotszone“ genannt wird, im Voraus, „dass sie zu hohen Verlusten unter der Zivilbevölkerung führen könnte und sie militärisch nur eine geringe Wirkung entfalten wird.“ und verlangte sie trotzdem: „.. halten sie politisch für notwendig.
    http://1.bp.blogspot.com/-xijHmkzNNng/U3t8SZm4BDI/AAAAAAAADdM/__emQtY7WmY/s1600/110318+L%C3%BCgen+Claudia+Roth+Flugverbotszone+-+Copy.jpg
    Die Grünen, anstatt wie vernünftige Menschen es tun würden, zu Besonnenheit, Gewaltfreiheit, Verhandlungen aufzurufen, haben den Maidan angeheizt und bis dato den ukrainischen Massaker-Faschismus geleugnet und entschuldigt. Die „pitterpösen aggressiven“ Russen hingegen organisieren unaufgeregt hinter den Kulissen diplomatische Lösungen. Doch bevor die greifen, muss noch schnell ein Krieg zum Sturz Assads her. Die camouflage-grüne Presse trommelt dazu. Wie nennt ihr sowas?

  2. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

  3. Hubertus Bruch Reply

    Ein Offenbahrungseid, den die Politik, aber auch die Gesellschaft abliefert. Während die eine Seite durch monatelanges Warten versagte, zeigen die Reaktionen vieler Mitmenschen, welch unfassbarer Egoismus sich hier breit gemacht hat. Dazu muss man nicht nach Osten schauen, dazu reicht ein Blick auf die Fragen „besorgter“ Bürger auf hiesigen Bürgerversammlungen.

    Und was Europa angeht: Wie sagte Kardinal Marx so passend: Als es um Tsipras und die vielen Milliarden ging, konnte eine Einigung nicht schnell genug gefunden werden. Wohl wahr! Die diplomatischen Verhandlungen gingen für jeden Betrachter über das Erträgliche hinaus. Und jetzt: Wo bleibt denn der Wangentätschler und seine Kohorte? Ist das aktuell keine Krise, die es wert wäre, ohne Unterlass nach Lösungen zu suchen? Bitter aber anscheinend wahr: Brüssel setzt für das Großkapital alles in Bewegung, für die Menschen aber erbärmlich wenig!

  4. An dieser Stelle stand unter dem Namen Katharina ein Kommentar, der mit den Prinzipien dieses Blogs nicht vereinbar war. Der Kommentar wurde leider veröffentlicht und zu spät gelöscht. Die Autorin dieses Kommentars ist nicht identisch mit der Katharina aus Duisburg, die in diesem Blog schon häufig kommentiert hat. Ich bitte Katharina aus Duisburg ausdrücklich um Entschuldigung dafür, dass sie durch meine Nachlässigkeit in ein falsches Licht gerückt wurde.
    Ulrich Horn

    • Hubertus Bruch Reply

      Dann ist das unten in Ihren Augen ja vollkommen gerechtfertigt, oder? Mülleimer anzünden u.ä., wie von Ihnen in der zitierten AfD-Quelle unter Vorbehalt aufgezählt, darf natürlich nicht folgenlos bleiben. Das darf man doch mal sagen dürfen!

      „335 Angriffe auf Asylbewerber-Unterkünfte
      Berlin – Das Bundeskriminalamt (BKA) hat laut einem Vorab-Bericht der „Welt am Sonntag” in diesem Jahr bereits 335 rechtsextremistisch motivierte Straftaten gegen Asylbewerber-Unterkünfte registriert“.

    • Hallo, da ist wohl eine zweite Katharina im Boot.
      Das ist nicht mein Statement.
      Bin gerade erst ins Netz gegangen und lese diesen
      Quatsch.
      Ist es möglich, die 2. Katharina anders zu nennen oder zu nummerieren.
      Ich hoffe, über die E-Mail-Adresse wird deutlich, dass hier eine 2. Katharina gepostet hat.
      Bitte um Klarstellung.
      Ich finde den obigen Satz richtig böse und möchte damit nichts zu tun haben.

      Gruß und Bitte um Richtigstellung
      Katharina aus Duisburg

  5. Die Zuspitzung auf Merkel oder Gabriel, die als politische Figuren auftreten, um sich anhand von aktuellen Problemen gut zu präsentieren, ist ihr professionelles Berufspolitiker-Geschäft.
    Von ihnen zu erwarten, sie würden reale Lösungen schaffen, ist dass, was als „medialer Traum“ vermittelt wird, wenn Merkel oder Gabriel in Duisburg oder Heidenau ihre Auftritte inszenieren.
    Es werden für politisch Emotionalisierte pompöse Vorführungen, eigentlich wie in einem „Kasperletheater“, aufgeführt und permanent vorgespielt, um sich im parteipolitischen Reklamegeschäft anzudienen. Auf dieser emotionalen „Betroffenheits- und Empörungs-Schiene“ versuchen alle Berufspolitiker Anhänger an sich zu binden. Dazu braucht es geradezu öffentliche „Demo-Skandale“, werden politische „Putz-Truppen“ in „Aktion“ versetzt und zum „Einsatz“ gebracht.

    Nun existiert allerdings auch eine rationale Sichtweise, bei der die tatsächlichen Strukturen zählen, die zum Tragen kommen und verdeutlichen, welche „Luft-Nummern“ mit politischem „Ansehen“ ihre „Auftritte“ fürs geblendete Publikum absolvieren, ohne die Auftraggeber zu blamieren, die an den entscheidenden Fäden ziehen.
    In Brüssel sitzt nicht nur die EU-Administration, also der zivile politische Sektor, sondern auch das militärische Headquarter der NATO.
    Wer die NATO befehligt und damit die militärische Ordnungs-Macht in Europa inne hat, ist auch bestimmender politischer Faktor in der europäischen Politik. Die Optionen Merkels oder Gabriels, angesichts der Zentral-Macht in Brüssel, scheinen eher wie die Schatten von Zwergen im Abendrot.
    Die humanitäre Flüchtlings-Katastrophe, die durch die NATO offensichtlich nicht verhindert wird, hat eine finanzielle Kehrseite, die eines lukrativen Menschenhandels. Wobei sich die öffentlich verschwiegene Frage stellt, wie sichern eigentlich die Flüchtlinge ihre hohen Bargeldbeträge, mit denen sie ihre Schlepper und Schleuser bezahlen, vor Raubüberfällen?
    Oder vermitteln etwa „Mittelsmänner Wucher-Kredite“ und wo liegt der Übergang zwischen illegaler und legaler „Flüchtlings-Bewirtschaftung“.
    Bei allem Mitleid mit den Flüchtlingen ist der finanzielle Boom einer Helfer-Branche nicht zu übersehen. Einer Branche, die mit den durch NATO-Operationen ausgelösten Flüchtlings-Strömen auf Kosten der Bevölkerungen in den Fluchtländern Profite abschöpft.

  6. Ich bin entsetzt, daß unter meinem Namen solche
    Bösartigkeiten stehen.
    Ich weise das deutlich von mir.

    Hat sich jemand in mein Konto eingehackt oder
    kommt dieser Kommentar von einem anderen E-Mail-Konto?
    Schreibt da jemand in meinem Namen?

    Da bitte ich doch um Klarstellung.

    • Ulrich Horn Reply

      #Katarina und #Hubertus Bruch
      Die Beschwerden über den Kommentar der Absenderin Katharina sind berechtigt. Ich habe ihn gelöscht. Es tut mit leid, dass er veröffentlicht wurde. Es war mein Fehler. Ich bedauere besonders, dass die echte Katharina aus Duisburg in ein falsches Licht gerückt wurde. Ich bitte um Entschuldigung.
      Ulrich Horn

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