Seit eineinhalb Jahren ist CDU-Landeschef Laschet Oppositionsführer in NRW. Er schien die Rolle passabel auszufüllen. Die Aufgabe verlangte ihm nicht allzu viel ab. Ein schwaches NRW-Kabinett, wachsende Probleme im Land und eine orientierungslose Ministerpräsidentin halfen ihm, sich zu profilieren. Seine Aussichten, 2017 Rot-Grün abzulösen, galten als nicht völlig aussichtslos – bis vor wenigen Wochen seine Notenaffäre bekannt wurde.

Als Steuerhinterzieher abgestempelt

Seither wird in NRW nicht mehr über die Zukunft des Landes diskutiert, sondern über Laschet. Unbeholfen macht er sich und seine Notenaffäre nun schon seit Wochen zum zentralen Diskussionsthema der Landespolitik. Die schlappe Regierung kann aufatmen. Der Oppositionsführer hat sie vom ärgsten Druck befreit.

Damit nicht genug: Er erhöht nun den Druck auf sich selbst. Er hat Steuerprobleme wegen einer Buchveröffentlichung. Auch dieses Problem will er offenbar zum Dauerthema machen. Statt es zu lösen, spielt er es herunter. Die Spende aus einem Buchhonorar habe er rechtmäßig steuerlich abgesetzt. Ob er das Honorar zuvor hätte versteuern müssen, lasse er prüfen, versichert er seiner Partei und der Landtagsfraktion.

Zu prüfen gibt es da wohl nicht mehr viel. Experten meinen, er hätte seine Einnahmen angeben müssen, ehe er sie als Spende absetzte. Nun steht der Oppositionsführer nicht nur als schusseliger Lehrbeauftragter da. Er läuft auch Gefahr, als Steuerhinterzieher abgestempelt zu werden.

Nichts zu verschleiern

Die Notenaffäre beschädigt Laschets Glaubwürdigkeit, weil sein Verhalten nicht nachvollziehbar ist und er es nicht fertiggebracht hat, es nachvollziehbar zu erklären. Sein Tun und sein Unterlassen bleiben im Ungefähren.

Der Mangel an Transparenz und Gradlinigkeit lässt Vertrauen schwinden und verhindert, dass Vertrauen entsteht. Dieses Manko wird Laschet lange anhaften. Es reicht aber wohl nicht aus, ihm einen Strick zu drehen. Dazu fehlt es an handfesten Fakten.

Nun aber erhält die Notenaffäre wieder Gewicht durch die neue Steueraffäre. Sie ist von einem anderen, größeren Kaliber. Verschleiern und runterspielen kann er sie nicht. Es gibt auch keine Möglichkeit, sich herauszuwinden: Diesmal liegen Fakten auf dem Tisch. Diese Affäre ist beleg- und nachweisbar.

Von der Steueraffäre überrollt

Auf dem Essener Parteitag am vergangenen Wochenende konnte Laschet noch den Eindruck erwecken, die Notenaffäre sei ausgestanden. Die Parteielite fuhr beruhigt nach Hause. Doch die negativen Schlagzeilen, die ihr Landeschef produzierte, setzen sich fort.

Dass er die Notizen seiner Zweitbenotung entsorgte, ließ die Wellen erneut hochschlagen. Dass er nun auch noch eine Steueraffäre am Bein hat, überrollt die Partei wie der Brecher ein Schiff im Sturm. Die Sehnsucht der CDU nach Ruhe bleibt unerfüllt. Der Medienwirbel ist beachtlich. Viele Zeitungen setzten die Steueraffäre mit Laschets Foto auf die erste Seite. WDR 5 machte sie zum Tagesgespräch. Es könnte zum Dauerbrenner werden.

Anfang der Woche schien es, als berühre die Notenaffäre die Partei und ihre Landtagsfraktion kaum. Inzwischen scheint es Teilen der Partei zu dämmern, dass Laschets Notengebung nicht nur die Regierungsparteien erstaunt.

Im Regen stehengelassen

Noten werden außer an Unis auch an den Schulen, bei den Handwerks- und den Industrie – und Handelskammern vergeben. Das Heer der Prüfer reicht in NRW bis zum Horizont. Viele dürften sich von Laschets Verhalten unangenehm berührt fühlen.

Gegen Ende dieser Woche sollte nun auch die Union angefangen haben zu begreifen, welchen Flurschaden ihr Vorsitzender anrichtet. Laschet ist angeschlagen. Er hat sich angreifbar gemacht. Er ist dabei, die Wahlchancen der Partei zu verkleinern.

Stille macht sich um ihn breit. Weder aus der Partei noch aus der Fraktion springt ihm jemand zur Seite. Kein namhafter Parteifreund verteidigt ihn bisher. Auch seine rechte Hand in der Fraktion, ihr Geschäftsführer Lienenkämper, duckt sich weg und lässt seinen Chef im Regen stehen.

Nachfolger noch nicht in Sicht

In der Krise wird deutlich, dass es Laschet in den drei Jahren als Parteichef und in den anderthalb Jahren als Fraktionschef nicht geschafft hat, um sich herum ein aktionsfähiges Netzwerk aufzubauen, das ihn entlasten könnte. Ein Teil der Partei sieht ihn seit jeher kritisch. Er dürfte gerade Zulauf erhalten.

Parteichefs in Laschets Lage müssen damit rechnen, dass in ihrer Partei über Alternativen nachgedacht wird. Mit seinen Affären setzt Laschet diesen Prozess auch in seiner Partei in Gang. Dort stoßen die Überlegungen – zu seinem Trost – schnell an Grenzen. Auf den ersten Blick ist weit und breit niemand zu sehen, der sich als Laschets Nachfolger aufdrängt. Vorerst. – Ulrich Horn


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