Einige Politiker haben sich überwunden, die mafiösen Strukturen des Fußballs zu kritisieren. Dabei ist dessen krimineller Hintergrund seit Langem bekannt. Politiker stießen sich bisher nicht an seinen abschreckenden Seiten, aus einem naheliegenden Grund: Sie halfen ihm, mafiös zu werden: Sie verschafften ihm Zugang zu öffentlichen Mitteln.

Eigennutz kultivieren

Die Politiker haben dem Fußball eine gesellschaftliche Sonderrolle gesichert. Sie behandeln ihn, als sei er eine Sache des Gemeinwohls, so unverzichtbar wie der öffentliche Dienst, die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, der Nahverkehr, Hartz IV und das Kindergeld.

Die Politik stilisierte den Fußball zum Medium, das Identität und Zusammenhalt stiftet – seit dem WM-Sieg 1954. Die Politik pumpte „das Wunder von Berg“ neben dem Wirtschaftswunder zum zweiten Nachkriegsmythos auf. Inzwischen steht der Kult in voller Blüte. Der Fußball lebt im Bewusstsein, mehr Menschen auf die Beine zu bringen als die Religionen und mehr Einfluss zu besitzen als die Staaten. Politiker haben zugeschaut, wie sich der Größenwahn entwickelte, und haben ihn begünstigt.

Sie suchen die Nähe zu Vereinen und Funktionären, so wie Funktionäre die Nähe zu Politikern suchen. Sie empfinden es als Auszeichnung und Privileg, in die Gremien der Profivereine berufen zu werden und dort neben Funktionären und Sponsoren zu sitzen. Dass der Fußball zwar Gemeinnützigkeit reklamiert, doch den Eigennutz kultiviert, schreckt die Politiker nicht ab, sich mit ihm einzulassen. Die Bigotterie des Profifußballs ist so selbstverständlich akzeptiert, dass sie Kaum noch wahrgenommen wird.

Netzwerke pflegen

Im Beirat des 1. FC Köln finden sich EU-Präsident Schulz (SPD), der CDU-Bundestagsabgeordnete Bosbach und Oberbürgermeister Roters (SPD), in den Gremien von Borussia Dortmund Ex-Kanzlerkandidat Steinbrück (SPD), der Chef der SPD-Landtagsfraktion, Römer, Oberbürgermeister Sierau (SPD) und der Vizepräsident des NRW-Landtages, Papke (FDP). Den Verwaltungsrat des FC Bayern München leitet Bayerns Ex-Ministerpräsident Stoiber (CSU).

Mancher Politiker macht aus seinen Prioritäten keinen Hehl. NRW-Wirtschaftsminister Duin (SPD) erschien vor einiger Zeit zum Parlamentarischen Abend für die NRW-Unternehmer im Düsseldorfer Landtag in Jeans. Kaum aufgetaucht, ließ er die erstaunten Unternehmer stehen und setzte sich rasch ab. Er wollte ein Fußballspiel in Dortmund nicht verpassen.

Die Gemeinschaft von Politikern und Funktionären dient dem gegenseitigen Nutzen und dem eigenen Vorteil. In die Stadien wurden für Elitezuschauer Logen gebaut, die es gestatten, das Sportvergnügen auf dem Rasen zu beobachten und gleichzeitig Netzwerke zu pflegen, ohne vom Fußvolk auf den Rängen beobachtet zu werden. Politiker versuchen, über die Vereine mit ihrer medialen Präsenz und ihren reichen Sponsoren Einfluss und Popularität zu gewinnen. Funktionäre versuchen, über Politiker, die in den Vereinsgremien sitzen, Interessen geltend zu machen.

Unter Korruptionsverdacht

Im Fußball wird viel Steuergeld bewegt. Sein Einsatz ist breit gefächtert. Er reicht vom Bau der Stadien und vom Einsatz der Polizei über die Reparatur öffentlicher Einrichtungen, die immer wieder von Fans demoliert werden, bis hin zur Subventionierung von Turnieren. Ohne Steuermittel könnten Profispiele nicht mehr ausgetragen werden, weil marodierende Fans die Stadien und Innenstädte unsicher machen. Ohne Bürgschaften der Länder wäre manches Stadion nicht gebaut worden.

Großes Geld fließt in den Fußball auch über die TV-Zwangsgebühr. Allein für die WM-Übertragungen 2018 und 2022 soll an die FIFA fast eine halbe Milliarde aus den Gebühren der öffentlich-rechtlichen Sender gehen. Man könnte meinen, die Politiker hätten die Zwangsgebühr eingeführt, um Profivereine, fragwürdige Funktionäre und die noch fragwürdigere Fanszene zu sponsern. Ohne Rückendeckung und Förderung der Politiker fiele es den Sendern schwerer, den Fußball zu finanzieren.

Der FIFA-Skandal zeigt: Der Geldtransfer von den Steuer- und Gebührenkassen zu den Kassen der Verbände und Profivereine läuft wie geschmiert. Korruption grassiert nicht nur in der Karibik. Sie findet sich auch in Europa. UEFA-Chef Platini wird als nächster Chef der korrupten FIFA gehandelt, obwohl auch er unter Korruptionsverdacht steht. Inzwischen muss sich auch der DFB gegen den Verdacht wehren, beim Zuschlag zur WM 2006 sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen.

Vielfalt der Delikte

Im Geflecht von Fußball und Politik ist die Schamschwelle kaum noch zu sehen. In der Fußballszene werden wie selbstverständlich Verbrechen und Vergehen vor aller Augen begangen – vom Steuerbetrug bis zur Körperverletzung gegen Schiedsrichter. Politiker schauen zu oder weg, Funktionäre und Sponsoren verharmlosen.

Hoeneß gestand seinen Steuerbetrug und konnte dennoch Vereinspräsident bleiben, weil die Manager, die den FC Bayern beaufsichtigen sollen, ihn duldeten. Sie verstießen gegen die ethischen Regeln ihrer eigenen Unternehmen. In der CSU, die eng mit dem FCB verbunden ist, wurde es über den Hoeneß-Skandal plötzlich ganz still. Adidas, der Miteigentümer des FCB, wird als Erfinder der Sportkorruption betrachtet. An welcher Stellen kam diese trübe Tradition beim FCB und im DFB zum Tragen?

Schandtaten in der Fußballszene sind keine Einzelfälle. Die Vielfalt der Delikte ist bestechend. Sie reichen von Korruption und Geldwäsche über Steuer- und Wettbetrug bis hin zum Schmuggel – verübt von Funktionären, über Landfriedensbruch, Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt – verübt von Fanbanden, bis hin zur Duldung und Begünstigung von Sklavenarbeit beim Bau von Fußballstadien – organisiert von reichen Diktatoren, die im Weltfußball viele Strippen ziehen.

Pleite mit neuem Stadion

Konsequenzen mussten Täter, Helfer und Dulder bisher kaum fürchten. Die Politiker nehmen in Kauf, dass wegen der aufwendigen Polizeieinsätze bei Fußballspielen Steuermittel für mehr Personal zum Einsatz gegen fußballferne Kriminalität fehlt. Es stört Politiker auch nicht, dass Bürger, die den Staat und die TV-Anstalten finanzieren, an Spieltagen die Bahnhofsviertel der Bundesligastädte meiden, aus Angst, Schaden zu nehmen.

Während Politiker mit hohen Steuerbeträgen dem Profifußball ein Forum schaffen, auf dem er, seine Profiteure und seine Sponsoren optimal ihre Geschäftsinteressen realisieren können, fehlt der Gesellschaft Geld zur Sanierung der Verkehrswege und Schulen, zum Bau von Kindergärten, zur Integration von Flüchtlingen, zur Versorgung armer Kinder, für Bibliotheken und Schwimmbäder, zur Pflege alter Menschen.

Selbst in maroden Städten ölen Politiker die Scharniere zur Fußballszene. Deutschlands neuntgrößte Stadt Essen ist pleite. Sie hat mehr als 5 Milliarden Euro Schulden und 90 Millionen Euro negatives Eigenkapital. Dennoch baute sie über eine ihrer Gesellschaften ihrem viertklassigen Verein ein neues Stadion – für 49 Millionen Euro.

Dem Gemeinwohl dienen

Die Politiker haben sich vom Fußball abhängig gemacht. Sie versorgen ihn mit Steuergeldern, damit ihnen Funktionäre und Fans gewogen bleiben. Welcher Politiker traut sich noch, die Erwartungen der Funktionäre, Fans und Sponsoren zu enttäuschen?

Die Politik müsste auf saubere Verhältnisse im Profifußball dringen. Seine korrupten Strukturen lassen sich erst wirkungsvoll bekämpfen, wenn die Politik aufhört, sich ihm auszuliefern und sich mit ihm gemeinzumachen. Sie sollte ihn nicht aus Steuern und Gebühren sponsern. Ist dieser Wunsch realistisch? Wohl nicht.

Die FBI-Ermittlungen gegen die FIFA und ihre Funktionäre sind nicht nur deshalb bestürzend, weil sie das Ausmaß der Korruption freilegen, sondern auch, weil sie die Versäumnisse der Justiz und der Politik in Europa aufzeigen. Politik und Profifußball gehören getrennt. Wer nicht Distanz hält, wird schnell zum Kumpan. Politiker haben dem Gemeinwohl zu dienen, nicht Profivereinen. Weil Politiker über Steuern und Gebühren entscheiden, haben sie in den Gremien des Profifußballs nichts zu suchen. – Ulrich Horn


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6 Comments

  1. Wen wundert es, dass in Zeiten des überflüssigsten und ergebnislosesten G7-Gipels aller Zeiten – keine Sorge, der nächste wird ihn an Ergbnislosigkeit übertreffen – Politiker dankbar für „Panem et Circenses“ – „Brot und Spiele“ sind? Blatter ist der korrupte Repräsentant eines durch und durch korrupten Systems einer demokratiefeindlichen Kumpanei zwischen Medien und Fußballfuktionären. Wer an ganz wenig Aufklärung über die FIFA interessiert ist, möge hier lesen: http://tutt-news.de/2015/06/02/korruption-der-fifa-blatters-ruecktritt-zeigt-er-ist-nur-ein-symptom/#more-3461 Die Verquickungen sind kein Wunder: So ist etwa der ehemalige 7-Tage Justiz (!) minister Wolfgangs Clements, Rauball, Chef der DFL, der Deutschen Fußballige, die die Gelder des Öffentlich-Rechtlichen Fernsehens nach einem möglichst ungerechten Sstemverteilt. So bekommen Aufsteiger 2014 wie der 1. FC Köln oder FC Augsburg nur ein Bruchteil der Zuwendungen aus Übertragungsrechten, die Bayern München erhält. Warum kann eigentlich eine Liga ihre Existenz behaupten, die derart miese Schiebereien quasi per Satzung betreibt? Dass nur die fettesten Vereine auch die fettesten Geldpakete bekommen? Weil Medien – die von den Fernsehrechten profitieren – und die Politik – die sich gerne bei Einschaltquoten im Stadion zeigt, die sie selber im Traum nie mobilisieren würden – dieses korrupte System scheißegal ist, solang eine Kamera auf sie zeigt.
    Die Korruption hat einen Namen: Kommerzieller Fußball weltweit. Es wird begleitet von den Prallelwelten IOC und formel Eins.

  2. walter dyroff Reply

    -Die FBI-Ermittlungen gegen die FIFA und ihre Funktionäre sind nicht nur deshalb bestürzend, weil sie das Ausmaß der Korruption freilegen,-

    Ob Ermittlungen des FBI das Ausmaß der Korruption freilegen werden, ist eine Vermutung.
    Man sollte
    1. die Ermittlungsergebnisse abwarten
    2. sollte abhängig davon Anklage erhoben werden, die Urteile zur Kenntnis nehmen und würdigen.
    -Sie versorgen ihn[den Fußball] mit Steuergeldern, damit ihnen Funktionäre und Fans gewogen bleiben.- Man hält sich Menschen gewogen, man schmiert? Nanu.
    Der ehemalige stellvertretende Finanzminister der USA in der Reagan Regierung Craig Roberts sagte:
    “„Nein, wir geben Europas politischen Führern Säcke voll Geld. Denn sie bieten sich zum Verkauf an. Wir haben sie gekauft. Sie stehen auf unserer Seite.“ “
    http://www.cashkurs.com/kategorie/wirtschaftsfacts/beitrag/warnung-an-die-welt-ex-cia-mitarbeiter-spielt-verrueckt/
    Wo ermittelt das FBI? Was unternimmt die Bundesanwaltschaft? Wo bleibt der Aufschrei der Medien?
    Die Skandalisierung der Vorgänge um Blatter zeigt, wie leicht man Volksmassen aufstacheln kann (Wulf, Edathy, Gaddafi etc.) und welchen politischen Einfluss die USA auf innereuropäische Belange nehmen.
    Wo bleiben die FBI Ermittlungen in Sachen Guantanamo, Bagram, 11ter 9ter?

  3. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

  4. Martin Böttger Reply

    Gut beschrieben Herr Horn. Sie sollten neben den öffentlich-rechtlichen aber die privaten Medien nicht vergessen. Der größte Zahler in Europa, und zwar auch in Deutschland, ist Mr. Rupert Murdoch, gegen dessen „Sun“ „Bild“ fast wie eine Kirchenzeitung wirkt, und wer dessen US-TV-Sender „Fox“ kennt, wünscht sich George Bush (lieber natürlich den Vatter) zurück.
    Weitere große Zahler rücken nach: arabische Feudalfürsten, denen „wir“ gerne Panzer u.a. verkaufen, russische Oligarchen mit und ohne Londoner Exil und chinesische „Geschäftsleute“.

  5. Man darf nicht vergessen, dass wir Zuschauer das auch genauso wollen, ganz im Sinne von Büchners „Die Menschen beten das Krokodil an, das sie verschlingt!“ Als Theologe und Soziologe scheint mir eine religiöse Definition des Fußballs die Sache am besten zu treffen: Fußball ist die Religion des Volkes geworden; in Form gegossen bei uns als die Staatskirche schlechthin. Und natürlich Religion in pervertierter Form, so wie die Borgia-Kirche im 16. Jahrhundert. Ein Luther ist allerdings nicht in Sicht, viel mehr ist es nach Marx das klassische „Opium“, das mit dem richtigen Opium, Drogen und Alkohol, einträchtig zusammengeht.

  6. Sie haben ja soo recht – man sehe sich die inzwischen stundenlangen Vorspanne – 19.20 – 20.45 beim Finale der Championsleague-Spiele an, die auf uns Gebührenzahler Kosten Kunstschnitte, Dummlall und Beweihräucherung senden und uns Lebenszeit klauen wollen.

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