Bis zum Ende der Sommerferien konnte der Duisburger SPD-Politiker Ralf Jäger glauben, er sei auf dem Anstieg zu einer großen Karriere. Die FAZ hatte den NRW-Innenminister zum wichtigsten Innenpolitiker seiner Partei ernannt. Er wurde als Nachfolger von Ministerpräsidentin Kraft gehandelt. Nun, wenige Wochen später, steht er mit dem Rücken zur Wand. Er hat sich und seine Partei bloß gestellt. Sogar von Rücktritt ist die Rede.

Rüpel aus dem Ruhrgebiet

Was wie ein Sturz aus großer Höhe ausschaut, ist gar keiner. Jäger mit dem Amt der NRW-Regierungschefin in Verbindung zu bringen, hat sich immer schon verboten – nicht erst, seit bekannt wurde, dass unter seiner Verantwortung Flüchtlinge misshandelt wurden.

Jäger verkörpert die Personalprobleme der NRW-SPD. Sie tut sich schwer, qualifiziertes Personal in Führungsposten zu bringen. Kaum in den Landtag eingerückt, inszenierte er sich als Rüpel aus dem Ruhrgebiet. Fleißig bediente er das Klischee. Er beschimpfte politische Gegner und forderte immer wieder Rücktritte.

Seine grobschlächtigen Attacken wurden rasch monoton. Sie bescherten ihm den Spottnamen Jäger 90. So, wie der Revier-Politiker auftrat, erinnerte er an dieses berüchtigte Flugzeug, das immer wieder zum Thema wurde, obwohl es als überflüssig galt. Ähnlich wirkten Jägers Attacken.

Eine krasse Fehleinschätzung

Dass er als Innenminister fehl am Platze ist, wurde gleich nach seinem Amtsantritt deutlich. Stunden vor der Love-Parade prahlte er, die Polizei sei bestens auf die Aufgabe vorbereitet – eine krasse Fehleinschätzung, wie sich schnell zeigte.

Während der Love-Parade-Katastrophe soll er das Einsatzzentrum der Polizei besichtigt haben. Der Verdacht steht im Raum, er habe die Aufmerksamkeit der Beamten ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt für sich beansprucht, als die Katastrophe ihren Lauf nahm. Bis heute ist diese Angelegenheit nicht geklärt.

Stunden nach der Katastrophe stellte er der Polizei einen Persilschein aus, ohne jede Prüfung und Untersuchung ihres Handelns. Spätestens da war klar, dass nicht der Innenminister die Polizei führt, sondern die Polizei den Innenminister.

Die Signale verdrängt

Im Gegensatz zu seinen SPD-Vorgängern reduziert Jäger die Innenpolitik auf die Finanzprobleme der Städte und die Polizeiarbeit. Seine Kommunalpolitik polarisiert. Sie wird auch juristisch angefochten. Gegen das Treiben von Rockern, Fußballfans und Räuberbanden trat er erst auf, seit sich Medienberichte über deren Untaten häuften. Seine Aktion gegen Raser dient mehr seiner Medienpräsenz als der Verkehrsordnung.

Warum er die Flüchtlingspolitik aus dem Blick verlor, ist kaum zu begreifen. Seit Monaten wächst die Zahl der Flüchtlinge. Deren Probleme und die der Städte nehmen zu, auch in Jägers Heimatstadt Duisburg, die er als lokaler SPD-Chef praktisch noch nebenher mitregiert. Auch dort gibt es seit Langem Schwierigkeiten, Flüchtlinge unterzubringen.

Jäger wurde auch aus anderen Städten auf die Probleme aufmerksam gemacht. Er ignorierte die Hinweise. War es Absicht, Hilflosigkeit, Schlamperei? Längst fragen sich Parteifreunde und Gegner, was ihn wohl bewog, den Problemen auszuweichen. Spekuliert er auf Zulauf aus dem rechten politischen Spektrum? Oder ist er zu sehr mit Parteipolitik und seiner Karriere befasst?

An Jäger festgepappt

Festzuhalten bleibt: Der Schaden, den Jäger den Flüchtlingen, dem Land und seiner Partei bereitete, ist beträchtlich. Die Vieldeutigkeit seines Verhaltens wird für seine Partei zum Problem. Und: Wer sich als Innenminister derart überfordert zeigt, eignet sich nicht als Ministerpräsident. Zumindest diese Erkenntnis kann die NRW-SPD bei allem Schaden, den Jäger ihr zufügt, als Gewinn verbuchen.

Die Opposition verhält sich so, wie sich Jäger früher verhielt: Sie fordert seinen Rücktritt. Damit macht sie es der SPD schwer, sich von Jäger zu distanzieren. Tritt er nicht zurück, pappt sie an ihm fest und hat an ihm zu leiden. Derzeit fragen sich viele: Wer weiß, was bei ihm sonst noch im Sauren liegt?

Er kündigt an, den Skandal um die Flüchtlinge restlos aufzuklären. Das verheißt nichts Gutes. Es hört sich so an, als habe er mit dem Skandal nichts zu tun. Jägers Ignoranz, die den Skandal ermöglichte, scheint nun auch auf sein Krisenmanagement überzugreifen. Wer, bitte, klärt denn auf, wie es geschehen konnte, dass der NRW-Innenminister und das Ministerium in diesem abscheulichen Skandal eine tragende Rolle übernahmen? – Ulrich Horn


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5 Comments

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  2. Martin Böttger Reply

    Ich muss Ihnen gestehen: Dieses Mal sehe ich alles ganz genauso.
    Wir müssten mehr darüber nachdenken, welche Typen im Geschäft nach oben kommen und welche gerade nicht – ein vollkommen parteiübergreifendes Ding, das übrigens auch in Großunternehmen und -konzernen festzustellen ist. Da gibt es zu viele Systemfehler, für die „Jäger 90“ nur ein kleines Beispiel ist.

  3. Nein, Jäger ist kein Rechter. Er, der Macher, überschätzt sich gern und ist extrem ehrgeizig. Wer meint, beim Auto-oder Fahrradfahren über das Gesetz zu stehen und am Steuer telefonieren zu dürfen, ist kein überzeugender Innenminister. Die Polizei in Duisburg parkt auf Fahrradwegen und drückt 1-2 Augen zu, wenn die Autofahrer das gleiche tun. Sie finden das witzig und meinen, das sei Kinderkram. Radfahrer sind in Duisburg diskriminiert. Radfahrer kann man ruhig im Straßenverkehr behindern. Jetzt werden die Duisburger, besonders die Polizisten, wieder beleidigt sein. Sie können die Wahrheit nicht vertragen. Sie fühlen sich einfach zu sicher und haben den Innenminister immer im Rücken, egal, welchen Schaden sie verursachen.

  4. Das Innenmnisterium ist in NRW das Verfassungsministerium. Es ist zu wichtig, um es unqualifizierten Sozialdemokraten zu überlassen. Es ist letztlich die Unverantwortlichkeit und Feigheit der Grünen, endlich einmal in einem Bundesland darauf zu bestehen, das Ministerium, das über die Bürgerrrechte wacht, die diese vorgeben, beschützen zu wollen, zu besetzen. Die Fehlbesetzung Jäger fällt damit direkt auf Reiner Priggen und co zurück, denen Pöstchen für Realos schon seit langer Zeit wichtiger sind als politische Inhalte. Sie verkennen, dass jeder Mist, den ein unfähiger sozialdemokratischer Inneminister baut, auf die gesamt Koalition zurückfällt. Peinlich, kontraproduktiv und ein Wiederbelebungsprogramm für die Reste der FDP.

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