NRW-Finanzminister Walter-Borjans (SPD) ist der umstrittenste Minister der Regierung Kraft. Er kauft gestohlene Steuer-Daten und profiliert sich europaweit als Jäger der Steuerbetrüger. Nun droht dem Image Schaden. Das NRW-Verfassungsgericht ist dabei, Walter-Borjans als notorischen Verfassungsbrecher zu entlarven.

Die Geduld der SPD

Mit seinem jüngsten Urteil bescheinigt ihm das Gericht, er habe vielen Beamten verfassungswidrig die Tariferhöhung vorenthalten. Seine Gegner reiben sich die Hände. Sie hoffen, dass der Jäger nun zum Gejagten wird.

Der Wunsch könnte wahr werden. Längst hat sich herumgesprochen, dass er mit der Verfassung auf Kriegsfuß steht. Er ist Stammkunde beim Verfassungsgericht. Seit vier Jahren ist er im Amt. Viermal brach er die Verfassung.

Rekordverdächtig wie diese hässliche Serie ist auch die Geduld, mit der die SPD die Verfassungsbrüche erträgt, trotz all des Hohns, der ihr entgegenschlägt. Die SZ empfiehlt der Landesregierung spöttisch, beim Gericht in Münster eine Ständige Vertretung einzurichten.

Handwerkliche Stümperei

Die bisherigen Verfassungsbrüche nährten den Eindruck, Rot-Grün schränke mit übermäßigen Schulden den Spielraum kommender Generationen unverantwortlich ein. Beeindruckt hat dieser Vorwurf die Koalition bisher nicht. Die politische Wirkung des aktuellen Urteils geht über ihn nun deutlich hinaus.

Es rügt den Umgang des Ministers mit den Beamten. Nicht dass er ihnen Geld vorenthielt, beanstandet das Gericht, sondern wie er es tat. Die Richter bescheinigen ihm handwerkliche Stümperei.

Sie dokumentiert politische Hilflosigkeit. Die Kürzung widerrief vorherige Zusagen. Sie wurde nicht vorbereitet und nicht kommuniziert. Sie wurde angeordnet. Juristen warnten, sie sei rechtswidrig. Beschäftigte und Verbände protestierten. Dennoch wurde sie durchgesetzt. Es gibt 100.000 Einsprüche – auch das ein Rekord.

Krafts Rücktritt gefordert

Der Schaden ist enorm. Die Stümperei beschädigt die Ministerpräsidentin. Sie unterband sie nicht, sondern machte sie sich zu eigen und verteidigte sie. Beschädigt ist auch die SPD-Landtagsfraktion. Sie ließ zu, dass die Bediensteten und ihre Gewerkschaften ohne Information und Konsultation brüskiert wurden.

Mit dem Verfassungsbruch brachte die Regierung Kraft jene Beamtenschicht gegen sich auf, ohne die Land und Städte nicht zu regieren sind. In den Verwaltungen ist über Kraft, Walter-Borjans, den Rest des Kabinetts und die SPD kaum noch ein gutes Wort zu hören.

Die einflussreiche juristische Gemeinde ist über den Verfassungsbruch entsetzt, obwohl sie Zumutungen gewöhnt ist, seit Krafts Vor-Vorgänger Clement versuchte, das Innen- und das Justizministerium zusammenzulegen. Dass Kraft und Walter-Borjans alle Warnungen in den Wind schlugen, empört viele Juristen. Der zurückhaltende Richterbund fordert Kraft auf, sie möge ihre Sachen packen und gehen.

Über die Verhältnisse gelebt

Bisher war Walter-Borjans für Beamte und Gewerkschaften ein rotes Tuch. Nun werden auch Parteifreunde auf Distanz gehen. Sein Ansehen schmilzt wie Eis in der Sonne. Kraft und die SPD-Fraktion können sich darauf berufen, sie hätten seiner Beteuerung geglaubt, die Tarifkürzung wäre verfassungsfest. SPD-Abgeordnete werden in ihren Wahlkreisen vorgeben, sie fühlten sich von ihm getäuscht.

Und das ist erst der Anfang. Die Reparatur des Schadens wird den Etat belasten. Schon wurde eine Haushaltssperre verhängt, um die Ausgaben zu begrenzen. Es wird erwogen, neue Schulden aufzunehmen. Der Stoß des Verfassungsgerichts erschüttert die Statik der Regierungspolitik.

Das Urteil legt frei, dass die Regierung über die Verhältnisse lebt. Sie konnte es sich nicht leisten, die Studiengebühr abzuschaffen und das dritte Kindergartenjahr für alle gebührenfrei zu machen. Seit Monaten sucht die Koalition nach Sparpotenzial, ohne Resultat. Nun muss die Regierung tun, wovor sie bisher zurückschreckt: kürzen. Für Investitionen in die Zukunft des Landes fehlt an allen Ecken und Enden Geld. Dabei nimmt NRW derzeit so viele Steuern ein wie nie.

Erbe nicht in Sicht

Walter-Borjans’ Baustellen wachsen. Kürzlich rügte der Rechnungshof, er habe es unterlassen, den skandalösen Landesbetrieb BLB zu reformieren. Auch die Zukunft der WestLB-Nachfolgerin Portigon ist ungeklärt. Das Unternehmen könnte den NRW-Haushalt bald ebenfalls stark belasten.

Derweil leistet der Minister Spekulationen Vorschub, er könnte sich in Köln um das Amt des Oberbürgermeisters bewerben. Der Eindruck greift um sich, er wolle weg und sei nur noch Minister auf Zeit – für jedes Kabinett und jeden Regierungschef ein kaum tragbarer Zustand.

Die OB-Wahl findet 2015 statt. In diesem Herbst steht die Nominierung an. Will er sich in Kölns SPD bewerben, müsste er zuvor sein Amt aufgeben. Kraft stünde vor dem Problem, einen Nachfolger zu finden. Leicht würde das nicht. Wer in der NRW-SPD wird sich schon darum reißen, Walter-Borjans’ Erbe anzutreten? – Ulrich Horn


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4 Comments

  1. Ruth Hartmann Reply

    Um auf Ihre letzte Frage zu antworten: Martin Börschel – nehme ich an.

  2. Pingback: Der Ruhrpilot | Ruhrbarone

  3. Diese ganze Debatte ist müßig, weil hier Probleme diskutiert werden, die woanders entstanden sind, nämlich in Berlin. Seit Gerhard Schröder sind die Länder und Kommunen chronisch unterfinanziert, weil das Geld gebraucht wurde für die Banken, Steuernachlässe für große Unternehmen und Steuersenkungen für Reiche. Solange diese Quellen nicht angezapft werden (die CDU und FDP waren dazu nie bereit, die SPD ist inzwischen auch so eine Partei), wird diese Unterfinanzierung bleiben, und der Mittelstand wird alles zahlen, bis auch er nicht mehr kann. Mitleid verdient er nicht, denn der Mittelstand wählt seine Vernichter mit großer Mehrheit.

  4. Pingback: Links anne Ruhr (04.07.2014) » Pottblog

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